Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Sabine Dirlich zu TOP 13: Projekt "Bürgerarbeit" fortführen

Ich weiß, es ist bald Weihnachten, und ich weiß, wir wünschen uns alle Weihnachtsfrieden. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen, denn ansonsten platze ich. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen derart lapidaren Antrag gesehen wie diesen. Ich sage Ihnen eines: Ich hätte mich mit einem solchen Antrag nicht in den Landtag getraut, noch nicht einmal in meine Fraktion.

Noch vor einem Monat tönte Ihr Ministerpräsident durch die Republik, dass er ein großes Nachfolgeprojekt in die Koalitionsvereinbarung aufnehmen wird. Es sollte ein großes bundesweites Integrationsprojekt werden. Die erprobte Philosophie der Bürgerarbeit sollte weitergeführt werden. Ich werde gleich noch ein bisschen pathetischer. Mehrere hundert Millionen Euro sollten zur Verfügung gestellt werden. Die Presse feierte die vorhandenen Projekte und beklagte die großen Lücken, die ein Wegfall reißen würde. Und nun das.

Angesichts von so viel Mut und Entschlossenheit und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag noch nicht ganz trocken sind, haben wir in unserer Fraktion ernsthaft darüber nachgedacht, Ihnen zu empfehlen, Nachverhandlungen zur Koalitionsvereinbarung zu fordern. Sie wollen ja ein Signal setzen.

Noch besser wäre es, der SPD in Sachsen-Anhalt zu raten, ihren Mitgliedern zu empfehlen, den Koalitionsvertrag abzulehnen, nach dem Motto: Neuwahlen für Bürgerarbeit! Das wäre ein Signal.

Allerdings haben Sie Glück. Sie wussten, dass Sie Glück haben. Uns ist dieses Thema nämlich viel zu wichtig, als dass wir es nicht ernsthaft diskutieren und uns nicht ernsthaft damit auseinandersetzen wollen. Dies haben wir bereits mehrfach getan. Ich selber habe, seitdem ich in diesem Landtag bin, genau für solche Projekte gestritten. Wir haben schon oft gesagt, dass wir mit solchen Projekten mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Wir können auf der einen Seite Menschen, die bereits seit langem aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind, wieder eine Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben geben. Sie können ihre Fähigkeiten einbringen. Sie können sich weiterentwickeln. Sie können sich erneut fit machen für den sogenannten ersten Arbeitsmarkt.

Aber mindestens eine andere Seite ist, dass auch solche Arbeit geleistet werden kann, die von der Wirtschaft nicht angeboten wird, weil sie leider nicht gewinnträchtig ist, und für die klammen Kommunen kein Geldhaben. Das ist die Chance öffentlich geförderter Beschäftigung, wie wir sie nennen, bzw. von Bürgerarbeit, wie es anderswo genannt wird. Mir ist es auch völlig Wurst, wie es heißt. Aber das ist die Chance solcher Arbeit, dass Menschen eine Chance bekommen und zudem wertvolle und für die Gesellschaft nützliche Arbeit geleistet wird.

„Von den zusätzlichen Arbeitskräften profitieren Grundschüler und Kindergartenkinder, die vom Tierschutzverein versorgten Vierbeiner genauso wie der Tourismus oder die Köppen-Forschung in der Stadt- und Kreisbibliothek. Auch Jugendclubs, Feuerwehr, Integrationstreff und Vereine sind betroffen.“ So heißt es in einem Artikel der „Volksstimme“ über die Bürgerarbeit in Genthin.

Der dortige Stadtchef prognostiziert, es werde mächtig eng werden. Damit meint er die Zeit nach dem Wegfall der Bürgerarbeit, für die es trotz seiner Bemühungen keinerlei Lösungen gegeben hat. Die einzige Auskunft, die er erhalten hat, war das definitive Ende der Bürgerarbeit.

Sie wissen, dass wir das Projekt Bürgerarbeit so, wie es derzeit gestrickt ist, nicht befürworten. Wir wiederholen deshalb in unserem Änderungsantrag alle die Forderungen, die Sie aus den vergangenen Jahren bereits kennen sollten. Ich hoffe, Sie erinnern sich daran. Ich denke, dass es kein Problem mehr sein dürfte, zum Beispiel den Mindestlohn auch in solchen Projekten durchzusetzen. Mindestlohn ist Mindestlohn, auch in der Bürgerarbeit.

Auch die Laufzeit und die Festlegung auf gemeinnützige Arbeit dürften keine Probleme darstellen. Freiwilligkeit ist aus unserer Sicht das einzige, was geht. Der Run auf diese Projekte hat gezeigt, dass die Kapazitäten überhaupt nicht ausreichen und dass wir noch viel mehr Bürgerarbeit gebrauchen könnten. Dass begleitende Qualifikation bei der Bürgerarbeit stattfinden muss, ist, so denke ich, völlig unstrittig.

Der strittigste Punkt dürfte wohl die Forderung nach voller Versicherungspflicht bleiben. Diese Forderung werden wir nicht aufgeben und wollen wir nicht aufgeben. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die drei Jahre lang arbeiten, keinen Anspruch auf Arbeitsförderung erhalten. Es kann nicht sein, dass Leute drei Jahre lang arbeiten, ohne gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit versichert zu sein. Normalerweise greift eine Absicherung an dieser Stelle nach einem Jahr Erwerbstätigkeit.

Wir werden diesem Antrag ohne die Untersetzung durch einige wichtige Grundsätze nicht zustimmen, auch wenn wir das Signal gebrauchen könnten. Wir werden uns dem Anliegen aber auch nicht komplett verweigern. Denn ich habe keine Lust, in der Zeitung die Schlagzeile „Die Linke lehnt die Bürgerarbeit ab“ zu lesen. Wenn Sie unserem Änderungsantrag nicht folgen können, werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag der Stimme enthalten.