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Sabine Dirlich zu TOP 13: Moratorium zur Neustrukturierung der Beratungsstellenlandschaft

Die Beratungsstellen in Sachsen-Anhalt seit Jahren immer wieder von Kürzungsabsichten bedroht, in nahezu jeder Haushaltsdebatte der vergangenen Jahre mussten sich die Träger der Beratungsstellen Versuchen erwehren, die Förderung herunterzufahren. Hintergrund sind jeweils die Haushaltssituation und die demografische Entwicklung. Die Beratungsstellen konnten stets deutlich machen, dass es für die Aufrechterhaltung des Angebots eines Mindestmaßes an Ausstattung bedarf.

Im November 2009 hat der Landtag von Sachsen-Anhalt die Landesregierung gebeten, Grundlagen für die strukturelle und inhaltliche Entwicklung der Beratungsstellen zu erarbeiten und in den Ausschüssen Soziales, Finanzen und Landesentwicklung dazu zu berichten. Bei der Erstellung der Vorschläge sollten die Träger, die LIGA der freien Wohlfahrtspflege und die kommunalen Spitzenverbände einbezogen werden.

Die Vorschläge sollten die sich verändernden Beratungsbedarfe berücksichtigen, die demografische Entwicklung betrachten, Art und Anzahl der in einer Region vorzuhaltenden Beratungsangebote enthalten und mögliche Synergien zwischen den Trägern und den Beratungsstellen darstellen. Es sollten Finanzierungsmodalitäten zwischen Land, Kommunen und Trägern abgestimmt und mehrjährige Zuwendungsverträge ermöglicht werden.

Diesem Beschluss war ein Fachgespräch der LAG der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege über die Zukunft der Beratungsstellen im August 2009 mit dem Sozialausschuss vorausgegangen. In diesem Gespräch haben vor allem die Schwangerschaftsberatungsstellen, die Ehe-, Lebens-, Familien- und Erziehungsberatungsstellen, die Beratungsstellen für Sinnesbehinderte, die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die Suchtberatungsstellen, die Migrationsberatungsstellen und die Selbsthilfekontaktstellen eine Rolle gespielt. Es wurde eine Projektgruppe ins Leben gerufen, welche die einzelnen Beratungsangebote systematisch betrachten sollte und die sich mit den Zielen des Prozesses, mit den Grundlagen der Leistungserbringung, mit der Struktur der Beratungsstellen, mit der finanziellen Unterstützung durch das Land, mit der Ermittlung des Beratungsbedarfs, dem Inhalt der Beratungsangebote und mit dem Bedarf an Beratung auseinandersetzen sollte. Es wurden Rechtsgrundlagen geprüft, Zielgruppen untersucht, die demografische Entwicklung betrachtet und versucht, den künftigen Bedarf festzustellen.

Diese Projektgruppe hat im Oktober 2010 dem Landtag einen Zwischenbericht vorgelegt. Dieser Zwischenbericht enthält vor allem statistische Angaben, er betrachtet die demografische Entwicklung. Neben statistischen Daten stellt der Bericht eine Reihe von statistisch nicht erfassbaren Faktoren fest, die aber großen Einfluss auf den zukünftigen Beratungsbedarf haben.

Die Hilfsquote in Sachsen-Anhalt ist nach wie vor höher, als in allen anderen Flächenländern, nur Berlin und Bremen haben ähnlich hohe oder höhere.

Im Jahr 2008 haben die Eltern von 43 % aller geborenen Kinder Unterstützung bekommen, diese Unterstützung bekommt aber nur, wer mit seinem Einkommen unter einen am SGB XII angepassten Regelsatz fällt.
Zwar sinkt der Anteil von Frauen der Zielgruppe von Schwangerschaftskonfliktberatung schneller, als die Gesamtbevölkerung, aber die Zahl der allein erziehenden Mütter betrug 2005 79.500 und 2009 83.900.

Zwar sinkt die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt, aber die Beratungsfälle in der Insolvenzberatung haben sich verdoppelt und in der Schuldner/innenberatung sogar verdreifacht.

Zwar sinkt die weibliche Bevölkerung, aber die Anzahl der von Straftaten betroffenen Frauen steigt.

Das alles muss uns doch zu denken geben!

Dazu kommt, dass alle Träger von Beratung übereinstimmend davon sprechen, dass der Beratungsbedarf immer umfassender wird, weil die Beratungssuchenden mit multiplen Problemlagen in die Beratung kommen. Das ist eine Herausforderung auch an die Zusammenarbeit der Beratungsangebote, die davon ausgehen, dass die Beratung niedrigschwelliger sein und gleichzeitig spezialisierter werden muss.

Die Erfassung des Bedarfs an Frauenhäusern ist schwierig, weil die Straftaten, hinter denen sich häusliche Gewalt verstecken kann, nicht gesondert erfasst werden.

Im Zwischenbericht werden Beratungsangebote eingeteilt in Angebote, deren Definition als Beratungsangebot unstreitig ist, deren Definition als Beratungsangebot fraglich ist und in Beratungsangebote, die nicht in den Haushaltsvermerk einbezogen sind.

Der Zwischenbericht enthält keine zusammenfassende Einschätzung zur Entwicklung des Beratungsbedarfs. Die Frage ist zwar diskutiert worden, aber es konnten noch keine Arbeitsergebnisse erzielt werden, dazu sollten noch weitere Betrachtungen angestellt werden. Auch die dokumentierten Arbeitsergebnisse werden als Zwischenstand klassifiziert, der ggf. noch aktualisiert werden muss.

Der Zwischenbericht enthält also keine Vorschläge zum Absatz 2 und 3 des Landtagsbeschlusses.

Trotzdem sind die Diskussionen zu den Einsparungen bei Beratungsstellen niemals verstummt und sie finden offensichtlich auch zurzeit statt. Kein Wunder also, dass die Träger weiterhin oder schon wieder alarmiert sind, und dass dieses Thema auch im Wahlkampf eine Rolle gespielt hat.

Wir fragen uns auch, wo unter solchem Druck eine sachliche und gelassene Atmosphäre für eine Strukturdebatte herkommen soll, eine solche Atmosphäre wird aber gebraucht, weil ohne Existenzangst diskutiert werden muss

Den Wahlkampf haben die Träger genutzt, den Kandidatinnen der Landtagswahl das Versprechen abzutrotzen, dass bis zum Ende der Diskussion, das für das Jahr 2013 avisiert wurde, keine Kürzung der Förderung der Beratungsstellen erfolgen soll. Dieses Moratorium wurde am 3. März 2011 auf einer Veranstaltung der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege und am 9. März 2011 auf einer Veranstaltung der Diakonie von allen anwesenden Landtagskandidatinnen unterstützt.

Mit unserem Antrag fordern wir nun den Landtag, fordern wir alle Fraktionen auf, diese Zusage zu bestätigen und gleichzeitig die Arbeit am Prozess der Neustrukturierung aktiv zu unterstützen sowie dem Landtag bis zum Frühjahr 2013 eine entsprechende Entscheidungsgrundlage zu übergeben. Ausdrücklich sollen dabei die Finanzsituation der Kommunen und die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Frage der Tarifgebundenheit der Träger zunehmend eine Rolle spielen muss.