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Sabine Dirlich zu TOP 13: Altersarmut bekämpfen – Gesetzliche Rente stärken / Angleichung der Rentenwerte Ost und West jetzt durchsetzen

Wir beschließen heute über einen Antrag, der in der Dezembersitzung des Jahres 2012 von uns zur Diskussion gestellt wurde. Dass der Antrag aufgrund der Fülle der Aufgaben erst im Mai 2013 zum ersten Mal in einer Ausschusssitzung aufgerufen wurde soll und kann wohl niemandem angelastet werden. Dass es aber Januar 2016 werden musste, bevor der Antrag im Plenum abschließend behandelt wird hat mich schon vor Jahren zu einem Ausspruch veranlasst, der inzwischen zu einem meiner Standardsätze geworden ist: Wir warten nur noch!

Erst haben wir auf die Bundestagswahl gewartet. Dann haben wir auf die Regierungsbildung gewartet. Dann haben wir auf den Koalitionsvertrag gewartet. Und seit dem warten wir darauf, dass irgendetwas an versprochenen sozialen Segnungen, das in diesem Koalitionsvertrag vereinbart und versprochen wurde, endlich wenigstens in einen Gesetzentwurf mündet. Angleichung der Rentenwerte Ost/West, Bundesteilhabegesetz, Vereinfachungen und damit Verbesserungen bei Hartz IV… ! Inzwischen ist mehr als die Hälfte der Bundeslegislaturperiode vorbei und – Wir warten nur noch!

Wobei, in einer Sache haben wir ja inzwischen Klarheit. Die Angleichung wird auch in dieser Legislaturperiode nicht kommen. Ich erinnere daran, dass ein entsprechendes Versprechen von der aktuellen Bundeskanzlerin bereits vor Beginn der vorvorigen Legislatur gemacht wurde. Ich wiederhole, was ich schon bei der Einbringung des Antrages zu b) im Juni 2015 gesagt habe. Ein Versprechen, das nunmehr schon zum zweiten Mal gebrochen wird. Aber: Unser Antrag aus dem Jahr 2012 enthält eine ganze Reihe von Forderungen zur Veränderung und Verbesserung der Gesetzlichen Rente. Immerhin, ein Fachgespräch hat stattgefunden und hatte durchaus bemerkenswerte Ergebnisse.

Der Vertreter der Gesetzlichen Rentenversicherung Herr Dr. Kohl stimmte zum Beispiel der Einschätzung zu, dass das Prinzip der Lebensstandardsicherung wieder Grundsatz der Gesetzlichen Rente werden muss. Das einseitige Beharren auf dem Dogma der Beitragsstabilität und die damit einhergehende Absenkung des Rentenniveaus seien schädlich für die Akzeptanz der Gesetzlichen Rente. Die Diskussion darüber, dass mit einem Beitrag von 22 % eine Lebensstandardsicherung im Alter, auch angesichts der demografischen Entwicklung nicht möglich sei, muss endlich offen geführt werden.

Interessant auch die Diskussion zum Thema Erwerbstätigenversicherung, also der Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Gesetzliche Rente. Auch der Vertreter der Gesetzlichen Rentenversicherung sprach sich dafür aus. Natürlich nicht ohne darauf aufmerksam zu machen, dass die dadurch zu erzielenden zusätzlichen Einnahmen nicht automatisch zu neuen Spielräumen für eine solidarischere Gestaltung der Rente eröffnet. Es entstehen neue Anwartschaften und Ansprüche und inwieweit diese Ansprüche abgeflacht werden können, muss erst noch festgestellt werden. Aber: auch er hat erklärt, dass es hier um ein Gerechtigkeitsproblem geht. Aus der schriftlichen Stellungnahme der Gesetzlichen Rentenversicherung geht hervor, dass es im Interesse des Gemeinwohls durchaus vertretbar sei, dass aus höheren Beiträgen vergleichsweise geringe Ansprüche entstehen. Dass es für diesen Vorschlag zurzeit keine politischen Mehrheiten im Bundestag gibt, wird unsere Partei nicht davon abhalten, diese Forderung immer wieder zu erheben. Von all dem findet sich natürlich nichts in der Beschlussempfehlung an den Landtag zu diesem Antrag.

Sehr weit auseinander gehen die Meinungen bei der Frage nach einer solidarischen Mindestsicherung. Mal abgesehen davon, dass noch im Wahlkampf fast alle Parteien ähnliche Vorschläge diskutiert haben – Worte wie Zuschussrente oder Solidarrente machten damals die Runde – sieht sich dieser Vorschlag jetzt, weitab vom Wahlkampf, massiver Kritik ausgesetzt. Der Vertreter der Gesetzlichen Rente hielt der Linken vor, seine Behörde zu einer Filiale des Sozialamtes machen zu wollen.
Dagegen hielt der Vertreter der Linken im Bundestag Matthias Birkwald, dass bei der solidarischen Mindestsicherung nur eine Einkommens – und Vermögensprüfung vorgesehen sei und keine Bedürftigkeitsprüfung. Einkommensprüfungen finden im Übrigen schon heute in der Rente statt. Bei der Hinterbliebenenrente zum Beispiel. Zudem soll im Konzept der Linken die Gesetzliche Rente so weit gestärkt werden, dass nur wenige Menschen auf Mindestsicherung angewiesen sein sollen bzw. nur in einer Übergangszeit.

Ich will nur ein Argument für eine solidarische Mindestsicherung ins Feld führen: unter den 34 Mitgliedsstaaten der OECD liegt Deutschland zusammen mit Mexiko auf dem letzten Platz, wenn man sich die Nettoersatzraten bei Niedrigverdienern anschaut. In Dänemark und den Niederlanden sind die Renten für Niedrigverdiener übrigens über der Höhe der Löhne.

Ebenso weit auseinander gehen die Meinungen bei der Frage der Angleichung der Rentenwerte Ost/West. Letztlich, so der Vertreter der Gesetzlichen Rente, sei endlich ein gesamtdeutscher Rentenwert notwendig. Das würde dazu führen, dass der Rentenwert im Westen etwas sinke und im Osten steige. Aber das wird natürlich niemand den westdeutschen Rentnerinnen und Rentnern zumuten, so dass dieses Problem allein ein Problem der Ostdeutschen bleiben wird.
Auch die sognannte Höherwertung oder richtiger Umrechnung der Einkommen für die Rentenberechnung ist natürlich eine der strittigsten Fragen. Ich sage dazu heute nur noch einen Satz. Im Vergleich der Bundesländer sind selbst in dem ostdeutschen Land mit dem höchsten Durchschnittseinkommen die Einkommen geringer als in dem westdeutschen Land mit dem geringsten Durchschnittseinkommen. Ich denke diese Tatsache spricht für sich und sie spricht gegen die These, dass sich die Einkommen bis auf wenige Prozentpunkte angeglichen haben. Und sie spricht gegen die Forderung die Umrechnung der Einkommen zu beenden und damit die Vergleichbarkeit der Einkommen nicht mehr herzustellen.

Breiten Raum hat in der Diskussion das Problem der Zwangsverrentung eingenommen. Der Vertreter der Linken Matthias Birkwald hat vor allem auf die schwierige Situation aufmerksam gemacht, in die Betroffene geraten. Sie fallen nämlich aus dem SGB II, also Hartz IV, vorübergehend in die Sozialhilfe, weil sie das notwendige Renteneintrittsalter noch nicht erreicht haben und noch keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben. Das hat gravierende Folgen. Die Höhe ihrer Einkommen ist zwar gleich. Aber das Schonvermögen, das im SGB II knapp 10.000 Euro beträgt, besteht in der Sozialhilfe nur noch aus 2600 Euro. Hinzu kommt, dass Betroffene kein Auto mehr besitzen dürfen und es auch einen Rückgriff auf die Kinder gibt, ohne dass ihr Einkommen wie im SGB II und SGB XII 100.000 Euro im Jahr übersteigen muss, bevor sie in Regress genommen werden.
Das alles sind Fragen, denen sich ein zukünftiger Landtag stellen muss. Der Beschluss, den der Landtag nach dem Willen der Koalitionsfraktionen zum Thema „Angleichung der Rentenwerte Ost und West jetzt durchsetzen“ beschließen will, wird all den aufgeworfenen Fragen in keiner Weise gerecht. Der Landtag bittet die Landesregierung die Bundesregierung zu Vorbereitungen aufzufordern, die niemandem schaden sollen und wohl auch niemandem nutzen werden.
Es wäre ehrlicher gewesen, unsere Anträge schlicht abzulehnen, statt den Wählerinnen und Wählern diesen Sand in die Augen zu streuen.