Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Sabine Dirlich zu TOP 08: Selbstbestimmung und Teilhabe im Alter

Große Anfragen sind immer eine gute Gelegenheit, ein Resümee zu ziehen, auf welchem Politikfeld auch immer. In diesem Fall fällt das Resümee aus unserer Sicht zunächst ernüchternd aus. Trotz aller Bemühungen, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ durchzusetzen, ist der Anteil an stationären Plätzen in den Jahren 2009 bis 2013 um ganze 0,7 % gesunken. Die Zahl der Pflegeplätze insgesamt ist natürlich gestiegen, aber der Anteil der stationären Plätze ist nur marginal gesunken. Dass noch immer zwei Drittel der Pflegebedürftigen ambulant betreut werden, liegt vor allem daran, dass nach wie vor fast 50 % der Pflegebedürftigen von den eigenen Angehörigen gepflegt werden, und eben nicht daran, dass die ambulanten Angebote so weit ausgebaut worden wären.

Ja, immer wieder sagen Menschen, dass sie so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit leben wollen und dass sie so lange wie möglich eben nicht in irgendeine stationäre Einrichtung kommen wollen. Aber ob sie dann ausschließlich von ihren eigenen Angehörigen gepflegt werden sollten, die in der Regel von Pflege nicht allzu viel verstehen, die in der Regel von Demenz nicht allzu viel verstehen, das darf sehr wohl bezweifelt werden.

Umso wichtiger war die Frage nach den Möglichkeiten einer Pflegeberatung. Diese hält leider auch nicht Schritt mit der wachsenden Anzahl von Pflegebedürftigen, im Gegenteil: Die Zahl der Pflegeberaterinnen ist leicht gesunken, während, wie wir alle wissen und wie es hier schon gesagt wurde, die Zahl der Pflegebedürftigen um 14,6 % gestiegen ist.

Interessant wie immer sind die Fragen, die die Landesregierung nicht beantworten kann. Insgesamt 14 Fragen konnten nicht beantwortet werden, unter anderem deshalb, weil der Landesregierung die Antwort nicht bekannt ist, weil Übersichten nicht vorliegen, weil die Landesregierung auf die kommunale Selbstverwaltung verweist oder weil Daten überhaupt nicht erhoben werden. Die Landesregierung ist sich sicher, dass für die nächsten drei Jahre keine Neubauten für stationäre Einrichtungen geplant sind. In Schönebeck hatten wir in letzter Zeit mehrere Kaufanfragen für Immobilien mit dem Hintergrund, eine stationäre Pflegeeinrichtung einrichten zu wollen. Okay, sind das keine Neubauten, das weiß ich auch, sondern es sind Umbauten geplant. Es werden aber wohl neue Einrichtungen entstehen. Und die Landesregierung macht in ihrer Antwort auch deutlich, dass sie keine Mittel hat, um das zu verhindern.

Der Großen Anfrage ist es zu verdanken, dass nun klar ist, dass fast die Hälfte der Pflegebetten in stationären Einrichtungen noch immer in Doppelzimmern steht. Die Einrichtungen, in denen es sogar noch Drei- oder Vierbettzimmer gibt, sollten wir uns unter Umständen genauer anschauen.

Sehr gern verweist die Landesregierung auf das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern im Zusammenhang mit der Pflege. So löblich das auch ist -als Allheilmittel für klamme Kassen ist das Ehrenamt nicht gedacht. Weit interessanter für die heutige Diskussion ist aus unserer Sicht der Entschließungsantrag zu diesem Thema. Was soll die Landesregierung nicht alles leisten: zwei Konzeptionen, die Entwicklung eines Sozialziels, eine Gesetzesänderung, ein neues Förderprogramm, die Überarbeitung einer Verordnung und die Bildung einer Arbeitsgruppe, die - jawohl - auch noch Ergebnisse liefern soll. Haben Sie einmal auf die Uhr geschaut, meine Damen und Herren von den GRÜNEN? Sie haben der Landesregierung immerhin ein ganzes Vierteljahr Zeit gelassen, davon allerdings zwei Monate im Sommer. Das vierte Quartal beginnt ja auch erst im Oktober. Über die Landespflegekonzeption, die Sie fordern, diskutieren wir dann wahrscheinlich während des Wahlkampfs. Ich will das nicht ins Lächerliche ziehen, weil das nicht unsere Hauptkritik an diesem Antrag ist. Wir bezweifeln an vielen Stellen nicht die Sinnhaftigkeit der Vorschläge, die Sie machen, und sicherlich müssen wir über vieles nachdenken. Aber erwarten Sie allen Ernstes von der Landesregierung - ich spreche nicht von dem Sozialminister, sondern ich spreche von der Landesregierung insgesamt - diese konzeptionelle Arbeit? Ich sage Ihnen ganz offen: Wir nicht!

Natürlich wollen wir konzeptionell und inhaltlich neue Vorschläge machen und das werden wir auch tun. Von der jetzigen Landesregierung erwarten wir aber nicht, dass sie erstens Konzepte macht, die unseren Ansprüchen gerecht werden, oder dass sie zweitens gar unsere Konzepte umsetzt. Wir werden die kommenden Monate und den Wahlkampf dazu nutzen, unsere Konzepte vorzustellen. Das würde ich den GRÜNEN genauso raten. Wir können dann einmal vergleichen, wo sie übereinstimmen.

Wir werden Ihren Antrag heute ablehnen, und zwar nicht, weil wir seinen Intentionen nicht zumindest teilweise folgen könnten, sondern wir werden diesem Antrag heute nicht zustimmen, weil wir seine Umsetzung von dieser Landesregierung einfach nicht erwarten.

Im Ausschuss brauchen wir den Antrag natürlich auch nicht, schon deshalb nicht, weil auch dort die Mehrheiten klar sind. Es hätte keinen Zweck, ihn im Ausschuss zu behandeln, weil die Mehrheiten, wie gesagt, klar sind, und ich, offen gesagt, nicht davon ausgehe, dass Ihre Kolleginnen entweder bereit oder in der Lage sind, ein solches Programm in den letzten paar Monaten dieser Legislaturperiode durchzusetzen.

Eine Bemerkung in Richtung des Ministers: Die Aussage zum seniorenpolitischen Programm - ich nenne es einmal so, weil mir der Titel nicht einfällt  - hat mich schon verblüfft. Sie haben heute gesagt, dass dieses Programm Richtschnur sei und dass darin stehe, wie Seniorinnenpolitik in Zukunft gestaltet werden solle. Ich habe mich an das erinnert, was wir im Zusammenhang mit der Großen Anfrage zu diesem Programm, zur Umsetzung dieses Programms gesagt und gefragt haben. Darauf haben wir zur Antwort bekommen, dass die seniorenpolitischen Leitlinien eben kein Programm sind, das abgearbeitet werden kann. Wir jedenfalls werden diesen Antrag ablehnen. Wir sehen dann in der neuen Legislaturperiode weiter.