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Sabine Dirlich zu TOP 06: Natürliche Geburt stärken. Den Weg frei machen für einen hebammengeleiteten Kreißsaal in Sachsen-Anhalt

Soviel gleich vorweg: Wir stimmen dem Anliegen des vorliegenden Antrages und damit auch einem Beschluss des Landesfrauenrates uneingeschränkt zu.

In Sachsen-Anhalt kamen 2003 insgesamt 16.889 Babys zur Welt. 10 Jahre später, im Jahr 2012, war es exakt ein Kind weniger, also: 16.888. Diese so gut wie identische Messziffer kann sehr hilfreich sein. Nämlich dann, wenn wir uns zwei weitere Zahlen aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage vom Mai letzten Jahres anschauen: Im Jahr 2003 kamen landesweit 3.126 Babys per Kaiserschnitt zur Welt, 2012 waren es bereits 4.823.

Diese Entwicklung ist sehr rasant,  wenngleich hier Sachsen-Anhalt nicht alleine steht. Die natürliche Geburt ist bundesweit auf dem Rückzug. Woran liegt das? Sicher nicht zuletzt daran, dass Geburtenstationen in Krankenhäusern durch die DRG-Abrechnungsstruktur (DRG: Diagnosis Related Groups / diagnosebezogene Fallgruppen) zu den unrentabelsten Abteilungen überhaupt gehören. Die natürliche Geburt ist keine planbare Größe. Sie kann zwei Stunden dauern oder eben auch 48 Stunden oder gar noch länger. Das ist bei einer Blinddarm- oder Gelenks-OP natürlich anders. Und es lässt sich sagen: Je geringer die Bevölkerungsdichte ist, desto schwerer wiegen die kostenträchtigen Faktoren, Personal für die Geburten vorzuhalten. Weil eben an einigen Tagen dann nur eine oder auch mal gar keine Geburt stattfindet. Das Abrechnungssystem der DRG bestraft quasi dieses Personal-Vorhalten und belohnt umgekehrt den Kaiserschnitt mit einer vergleichbar rentableren Ziffer. Es ließe sich auch anders formulieren: Der Kaiserschnitt macht die Geburt zur planbaren Größe. Das absurde ist: es wird für die gesetzliche Krankenversicherung teurer und ist zugleich zum Nachteil der Frauen und Kinder, die unnötig in den OP-Saal geschoben werden (z.B. ist das Risiko einer postnatalen Depression größer, außerdem Probleme beim Stillen, usw.).

Kernpunkt der aufgeworfenen Problematik sind die unterschiedlichen Rollen, die Hebammen und Ärztinnen bzw. Ärzte bei einer Geburt innehaben sollten. Hebammen sind die vollumfänglichen Geburtsbegleiterinnen. Ärzte bedarf es dann, wenn außerordentliche Probleme bei der Geburt auftreten, das trifft bei den allermeisten Geburten nicht zu. Die Hebamme ist zu Recht gesetzlich vorgeschrieben. (§ 4 Absatz 1 Satz 2 des Hebammengesetzes)

Geburten in den raren Geburtshäusern haben auch deshalb an Beliebtheit gewonnen, weil sie den Frauen den Zugang zur natürlichen Geburt ermöglichen. Neben der steigenden Kaiserschnittrate gibt es ein weiteres deutliches Indiz: So werden im Krankenhaus bei 53 Prozent der Geburten die Wehen durch Medikationen eingeleitet; im Gegensatz zu den hebammengeleiteten  Geburtshäusern, hier sind es nur 7 Prozent.

Um gleich den wilden Mahnern hier den Wind aus den Segeln zu nehmen: Hebammen und Entbindungspfleger sind in ihrer Arbeit höchst verantwortlich. Sie wissen genau, wann ein Arzt hinzuzuziehen ist. Die Statistik zeigt, dass Hausgeburten und Geburtshäuser nicht riskanter sind als klinische Geburten. Der Streit um die hohen Haftpflichtprämien liegt in den enormen Schadenersatzansprüchen im Einzelfall begründet. Dass es hierzu einer endgültigen Lösung bedarf, haben wir ja hier im Hause bereits nachdrücklich betont. Der Wegfall der selbstständigen Hebammen und die Schließung von Geburtshäusern – wie zuletzt das Geburtshaus im Iris-Regenbogenzentrum in Halle – wird das Problem der Kaiserschnittrate noch erhöhen. Und wenn schon wie hier in Magdeburg kaum ein Weg an der Klinik vorbeiführt, sollte doch der hebammengeleitete Kreißsaal zum Wohle der Frauen und Kinder das Umdenken einleiten und den Trend zu unnötigen Kaiserschnitten beenden.

Wo wir dann doch ein Fragezeichen setzen wollen, ist die Idee, dass es diese Landesregierung sein soll, die beauftragt wird, ein innovatives Konzept für einen hebammengeleiteten Kreißsaal auf den Weg zu bringen. Der März 2016 ist nicht mehr weit. Gut möglich, dass dann auch erste Erfahrungen zum Thüringer Modellprojekt vorliegen. Dieses Modellprojekt ist im Thüringer Koalitionsvertrag schließlich für 2016 avisiert. So oder so. Dem Anliegen des Antrages werden wir jedenfalls nicht im Wege stehen und stimmen ihm daher zu.