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Sabine Dirlich zu TOP 06: Berufliche Bildung stärken – Fachkräftesicherung umsetzen

Es gibt Anträge im Landtag, bei denen man den Grund für die Antragstellung etwas länger sucht. Ich habe in dem Antrag nichts gefunden, das nicht schon längst passiert. Die Landesregierung soll sich weiterhin für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung einsetzen, allerdings steht nicht darin, wie und wo.

Die Durchlässigkeit und die Verzahnung der Bildungswege sollen weiter erhöht werden. Wir haben nichts dagegen. Aber wurde dieses Thema nicht heute bereits unter Tagesordnungspunkt 4 angesprochen?
Ein Beschluss der Kultusministerkonferenz soll umgesetzt werden. Alles andere wäre wohl auch seltsam.
Die hohe Qualität berufsbildender Schulen soll gesichert werden. Was sonst?
Es soll für einen ganzheitlichen Ansatz bei der beruflichen Erstausbildung geworben werden. Die Rolle der Bedeutung hat offensichtlich immer noch einen hohen Stellenwert.

Etwas näher kommt man der Antwort, wenn man den Begründungstext liest. Die einbringende Fraktion führt die Halbierung der Zahl der Berufsausbildungsanfänger zwischen den Jahren 2008 und 2013 ins Feld. Könnte das vielleicht mit der Halbierung der Geburtenzahlen zwischen 1992 und 1997 zusammenhängen?
Die einbringende Fraktion stellt fest, dass die Studierquote Mitte der 60er-Jahre nur 8 % betrug und heute fast die Hälfte der Ausbildungswilligen ein Studium beginnt. Sie stellt zudem fest, dass acht von zehn Berufsgattungen mit den größten Engpässen keine Akademiker brauchen, sondern beruflich Ausgebildete. Aha. Was der Antragstext nämlich mit Floskeln drapiert und hinter Allgemeinplätzen verschleiert, guckt der Begründung aus allen Knopflöchern. Die jungen Leute sollen gefälligst nur so viel lernen, wie sie für die Ausübung einer Arbeit brauchen, das kommt die Gesellschaft billiger und sorgt außerdem dafür, dass die Berufstätigen nicht ganz so hohe Ansprüche an ihre Bezahlung stellen können.

Liebe Koalitionäre, ist das Ihr Ernst? Wir jedenfalls lehnen eine reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Bildung strikt ab. Wir verstehen Bildung als grundsätzliches Menschenrecht und wollen den Zugang zu Bildung nicht einschränken, vor allem nicht auf der Grundlage von Erwägungen, die mit künftiger Verwertbarkeit der Qualifikation verbunden sind. Das Recht auf freie Berufswahl steht wohl nicht zur Debatte.

Wenn andere von Akademisierungswahn reden, dann stellen wir den Sparwahn in der Bildung infrage. Aber wir nehmen das Thema natürlich ernst genug, um uns ernsthaft mit Ihren Sorgen auseinanderzusetzen. Die Angleichung der Studierendenzahl an die Zahl der Berufsausbildungsanfänger ist ein Fakt, und er wird unterschiedlich interpretiert.

Es ist davon die Rede, dass die Berufsausbildung zur Restausbildung verkomme, dass Hochschulen überfordert seien, ihre Vermassung - in Anführungsstrichen - mit erheblichen Qualitätsverlusten einhergehe und dass Berufschancen von Akademikern durch ein Überangebot gefährdet seien.

Es gibt zum Glück auch andere Argumente, und die sprechen von einem begrüßenswerten wachsenden Bildungsniveau und einem wachsenden Bildungsbedürfnis. Sie führen das gewachsene Anforderungsniveau an eine zunehmende Zahl von Berufen an, die eine Akademisierung einfordern, beispielsweise Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Pflegerinnen. Zudem weisen sie darauf hin, dass der Druck der OECD-Gemeinschaft auf die Einführung der Bachelorausbildung für Berufe, die in Deutschland bisher im Berufsausbildungssystem ausgebildet wurden, ebenfalls eine Veränderung der Bildungslandschaft bewirkt.

Heute heißen die Abschlüsse an Hochschulen Junggeselle und Meister. Wenn man dann Meister ist, kann man noch Master werden. Aber auch die Zahlen zeichnen ein nicht ganz so düsteres Bild, wie die CDU-Fraktion es tut. Zwar haben sich die Studierendenzahlen zwischen 1995 und 2013 nahezu verdoppelt, nämlich von 250.000 auf 500.000, aber die Zahl der neu abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge schwankt nicht in gleichem Maße. Selbst wenn man zwischen 1992 und 2013 die Jahre mit der höchsten und der niedrigsten Zahl von Ausbildungsverträgen heraussucht, dann stellt man eine Schwankung in Höhe von 100.000 fest. Das heißt, in all den Jahren lagen die Zahlen dazwischen. Es waren im Jahr 2013 530.000 und im Jahr 1999 630.000.

Angesichts dessen kommt bei mir Alarmstimmung, offen gesagt, nicht auf. Sie können sich auch einmal die Angebot-Nachfrage-Relation anschauen. Sie werden feststellen, dass in den meisten Arbeitsamtsbereichen in Sachsen-Anhalt und auch bei den meisten Berufen die Zahl der Nachfragerinnen nach wie vor die Zahl der angebotenen Lehrstellen übersteigt. Schauen Sie es sich an, ich habe die Statistiken hier.

Die Tatsache, dass Lehrstellen nicht besetzt werden können, hat ganz andere Ursachen. Darauf geht der unter Punkt 3 genannte KMK-Beschluss ein. Dass die Koalitionsfraktionen es allerdings für nötig halten, ihre eigene Regierung an die Umsetzung dieses Beschlusses zu gemahnen, spricht schon Bände. Der Antrag enthält viele Ansätze, die man nicht wirklich ablehnen kann und auch nicht muss, aber die Flughöhe des Antrages ist so groß, dass es nicht ganz leicht sein wird, die Forderungen geländetauglich zu machen. Vielleicht bekommen die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Wissenschaft und Wirtschaft ein wenig Substanz in den Antrag hinein. Wir plädieren für eine Überweisung des Antrags.