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Sabine Dirlich zu TOP 03: Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

DIE LINKE - und vorher die PDS – hat sich vehement vor allem in der fünften Wahlperiode dafür eingesetzt, dass alle Schülerinnen und Schüler von den Kosten für die Beförderung zur Schule vollständig entlastet werden. Wir wollten, dass auch die Schülerinnen und Schüler in der 11., 12. oder 13. Klasse eines Gymnasiums, eines Fachgymnasiums oder einer anderen berufsbildenden Schule kostenfrei zur Schule befördert werden, wenn kein „Lehrlingsentgelt“ oder eine sonstige Vergütung gezahlt werden.

Die teilweise hohen Kosten für diese Fahrten sahen wir als eine entscheidende Bildungsschranke für weniger betuchte Familien an. Erst nach langem Hin und Her hat sich die Landtagsmehrheit für eine deutliche Entlastung dieser Schülergruppe entschieden. Es wurde eine „Eigenbeteiligung“ von jährlich 100,- Euro eingeführt und ein nicht unproblematisches Abrechnungsverfahren zwischen Land und Landkreisen vereinbart.

Die „Eigenbeteiligung“ ist nicht die grundsätzliche Kostenfreiheit, wie wir sie gefordert haben, und den Abrechnungsmodus haben wir mehrfach kritisiert. Insgesamt ist die derzeitige Regelung im Schulgesetz aber immerhin ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung, der Sachsen-Anhalt eine Lösung gebracht hat, die in anderen Bundesländern ihresgleichen sucht. Sie hat aber gerade für die Bedürftigsten Haken und Ösen, die bei einer generellen Kostenfreiheit für alle nicht entstanden wären.

DIE LINKE hat daher noch in der vergangenen Legislaturperiode mit einem Änderungsgesetzentwurf versucht, eine Lösung zu finden. Die sollte es ermöglichen, Eltern und Jugendliche, die besonders der Hilfe bedürfen – z.B. Hartz-IV-Bezieherinnen und Bezieher – auch bei diesen 100 Euro zu unterstützen. Die Entscheidung im Einzelnen sollte bei den Landkreisen liegen. Dieser Vorschlag fand keine Mehrheit. Es wurde aber nochmals klargestellt, dass das Schulgesetz in der derzeitigen Fassung eine Unterstützung bei der Aufbringung des Eigenbeitrags nicht ermöglicht.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket ist aus unserer Sicht eine neue Situation entstanden. § 28 Abs. 4 SGB II regelt nun: “Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.“

Nach unserem Schulgesetz ist das für die Schülerinnen und Schüler bis zur 10. Klasse unproblematisch, hier übernehmen „Dritte“ bereits die gesamten Kosten. Für die Schülerinnen und Schüler in Gymnasien, berufsbildenden Schulen usw. aber bleibt die Rechtslage, wie sie ist. Sie oder ihre Eltern müssen in jedem Falle den Eigenbeitrag allein aufbringen. Das führt zu der für uns – und sicher auch für die „leistungsberechtigten Personen“ – zu einer schwer nachvollziehbaren Situation. Die Schülerinnen bis zur 10. Klasse haben den gesamten Betrag für Mobilität – der ohnehin schmal genug ist – aus dem Regelsatz zur Verfügung, um kulturelle, außerschulische Bildungsangebote, Sport- und Freizeitangebote zu erreichen oder auch einen ganz persönlichen Weg zu erledigen.

Streben sie aber nach höherer Bildung und haben sie nicht gerade eine Lehrstelle im dualen Ausbildungssystem oder eine andere geförderte Maßnahme erhalten, müssen sie nach Eintritt in die 11. Klasse fast den ganzen Betrag des Regelsatzes für Mobilität für den Schulweg einsetzen. Egal wie man rechnet, für diesen „Rest“ bleiben für Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II nur noch wenig über 2,50 Euro im Monat übrig. Das halten wir für ungerecht.

Unser Vorschlag geht streng vom Rechtsrahmen aus, den uns das Bundesgesetz setzt.

Wenn wir es auch für mehr als angemessen halten, den leistungsberechtigten Personen, die Schülerin oder Schüler in der Sekundarstufe II sind, die gesamten 100,- Euro Eigenbeteiligung grundsätzlich zu erstatten, schließt das Bundesrecht eine solche Lösung aus. Es muss für die „leistungsberechtigte Person“ unzumutbar sein, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Deshalb können wir eine Prüfung im Einzelfall nicht umgehen.

Unser Vorschlag ist die Einfügung eines einzigen Satzes in die Regelungen im Schulgesetz zur Schülerbeförderung: „Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch darf die Eigenbeteiligung als Bedarf für Bildung berücksichtigt werden.“

Damit liegt die Entscheidung bei den zuständigen Stellen – aber sie dürfen sie treffen, was ohne die Gesetzesänderung nicht möglich wäre. Der Gesetzentwurf kann also nur Spielräume eröffnen, nicht Ansprüche formulieren – so berechtigt sie auch wären.

Die Entscheidung im Einzelfall ist aber unter den gegebenen Umständen durchaus auch legitim. So macht es einen Unterschied, ob die Schülerfahrkarte nur zum Besuch der Schule genutzt werden kann oder auch am Abend und am Wochenende Gültigkeit hat. Es macht einen Unterschied ob die Fahrkarte zu einem Schulstandort führt, wo die Jugendlichen auch gewöhnlich viele weitere Angebote findet und nutzt oder ob an dem Zielort der Fahrkarte wirklich nur die Schule liegt. Und sicher macht es auch einen Unterschied, ob man in der Stadt wohnt – wo mancher Weg auch mit dem Fahrrad zu bewältigen ist - oder auf dem Lande.

Unter der Hand führte die derzeitige Rechtslage, bliebe sie unverändert, wieder in eine Situation, die Hartz-IV-Empfängerinnen den Weg zu höherer Bildung erschwert. Bis zur 10. Klasse zahlt „der Staat“ – mehr ist für „die“ nicht nötig. Die richtige Lösung ist aus unserer Sicht nach wie vor eine generelle kostenfreie Schülerbeförderung bis zum Ende der 12-jährigen Schulpflicht für alle, die auch das 13. Schuljahr an Fachgymnasien oder anderen berufsbildenden Schulen einschließt.

Wir wissen, dass eine solche Lösung nicht zu haben ist und dass man die Bewahrung der derzeitigen Entlastung nicht gering bewerten darf. Deshalb schlagen wir diese gesetzliche Regelung vor, um mehr Bildung, nicht weniger, für alle zu ermöglichen und um auch finanziell schwach Ausgestattete zu ermutigen, sie anzustreben.