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Sabine Dirlich zu TOP 02 a): Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung und die Folgen für Sachsen-Anhalt

Diese Aktuelle Debatte jedenfalls hat mich überrascht, umso mehr, als wir in der Juli-Sitzung das Thema auf der Tagesordnung hatten, dazu von uns eine Reihe von Vorschlägen gemacht wurden und der Beschluss, den der Landtag gefasst hat, lediglich ein paar wenige Forderungen aufgenommen hat.

So richtig platt war ich allerdings, als ich die Begründung der Aktuellen Debatte und die Pressemitteilung der SPD gelesen habe. Was wird da nicht alles angemahnt. Ein stärkeres Augenmerk auf Bildungsaspekte und eine zukunftsträchtige Fachkräftesicherung, die Kürzung der Eingliederungsleistungen, die Kürzungen bei der Trägerpauschale – alle diese Probleme hatten wir in unserem Antrag aufgezeigt, nichts davon ist in den Beschluss des Landtages eingegangen. In einer aktuellen Debatte, die keine parlamentarischen Folgen nach sich zieht, kann man sich ja dann wieder mal so richtig ausweinen.

Aber seien wir nachsichtig. Tatsächlich hätten und haben auch noch so starke Argumente keinerlei Erfolg gehabt. Nicht die Erfahrungen der Praktiker zum Beispiel vom Verband Deutscher Privatschulen. Nicht die Mahnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Nicht einmal die Beschlüsse des Bundesrates haben zu substantiellen Änderungen geführt. Völlig benebelt von den so genannten Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt, hat die Bundesarbeitsministerin keinen Einwand gelten lassen. Nicht einmal die Diskrepanz zwischen den Klagen über den Fachkräftemangel und den dennoch sinkenden Mitteln für die Umschulung und Weiterbildung ist den Protagonistinnen des Gesetzes aufgefallen.

Noch immer gibt es keine Lösung des Problems der nicht verkürzbaren Ausbildungen in der Pflege und in anderen Gesundheitsberufen, obwohl die Praxis gezeigt hat, dass gerade solche Ausbildungen auch älteren arbeitslosen Frauen und Männern eine reale Perspektive bieten.

Schauen wir uns ehrlich an, was erreicht wurde durch die vielen Proteste. Ein erfolgreiches Instrument, die Unterstützung der frühzeitigen Berufsorientierung und Integration von Jugendlichen wurde nicht etwa wie gefordert in das Regelinstrumentarium des Arbeitsförderungsgesetzes übernommen, aber immerhin bis 2014 verlängert. Bis dahin haben wir dieses Problem also offensichtlich auch gelöst. Es bleibt spannend.

Zweitens: Es dürfen bis zu 20 % der Mittel zur Erprobung innovativer Ansätze und zur freien Förderung genutzt werden. Na das ist doch mal was!

Länger dauert allerdings die Aufzählung aller der Forderungen, die von der Bundesregierung ignoriert oder strikt abgelehnt worden sind. Wir haben es im SGB III fast nur noch mit Ermessensleistungen zu tun. Und worin dieses Ermessen besteht, wenn immer weniger Mittel zur Verfügung stehen, kann sich jeder selbst ausmalen. Ortsübliche oder gar tarifliche Entlohnung ist nach wie vor kein Kriterium für die Vermittlung in freie Arbeitsplätze.

Die öffentlich geförderte Beschäftigung wird mehr und mehr zur Randnotiz der Arbeitsförderung, obwohl gerade sie sehr wohl einen Beitrag zur Stabilisierung und zur Integration der Langzeitarbeitslosen in die Gesellschaft geleistet haben. Auch wenn sie nicht zu einer Dauerbeschäftigung im ungeförderten Bereich geführt haben.
Ein Vorwurf übrigens, den sich Lohnkostenzuschüsse oder so genannte Eingliederungszuschüsse nicht gefallen lassen müssen. Hier werden ja Arbeitsplätze in der Wirtschaft gefördert. Dass diese Arbeit in so vielen Fällen aber eben nicht aus der Hilfsbedürftigkeit herausführt, weil die Betroffenen aufstockende Leistungen beziehen müssen, das bleibt geflissentlich außen vor. Und dass die Arbeit oft genug nur befristet ist, genauso.

Völlig unbegreiflich bleibt in diesem Zusammenhang übrigens die Neugestaltung des Gründungszuschusses, nachweislich ein durchaus erfolgreiches Instrument, wenn es darum geht, Arbeitslosen zu einer eigenen Existenz zu verhelfen. Gründungswillige, die bisher immerhin neun Monate Zeit hatten, ihre Existenz zu stabilisieren - und wer sich damit beschäftigt hat weiß, wie kurz diese Frist im Grunde ist - sollen jetzt innerhalb von sechs Monaten auf die Füße kommen. Danach kann weiter gefördert werden - und die verlängerte Förderung wurde ausgeweitet -  aber wer zu wenig Erfolge aufzuweisen hat, wird so schnell wie möglich wieder rausgekickt.

Und obwohl Geldmangel ja doch wohl die meisten Änderungen des Gesetzes diktiert hat, wird der Vorschlag des Bundesrates, die aktiven und passiven Leistungen wenigstens teilweise deckungsfähig zu machen, das heißt, passive Leistungen des Regelsatzes für Maßnahmen der Aktivierung mit heranzuziehen und so den Spielraum des Eingliederungstitels zu erweitern, glatt vom Tisch gewischt.

Den Empfängerinnen von Grundsicherung werden noch weniger Leistungen angeboten.  Die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante, die zumindest noch eine relativ marktnahe Ausgestaltung hatten, fallen weg. Damit wird die Spaltung der Arbeitslosen weiter vertieft.

Die Spaltung des Arbeitsmarktes selbst - Fachkräftemangel auf der einen Seite und verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit auf der anderen Seite - wird nicht ernsthaft angegangen. Dazu wären ganze Förderungsketten nötig, die von der Bundesregierung ausdrücklich abgelehnt werden.

Auch die zusätzlichen Beschränkungen bei der Ausgestaltung der  Arbeitsgelegenheiten werden die Marktferne der geförderten Arbeit noch vertiefen, statt sie zu beseitigen. In Zukunft wird es eine sehr strenge Auslegung der Begriffe Zusätzlichkeit, öffentliches Interesse und Wettbewerbsneutralität geben, die viele Arbeiten unmöglich machen werden.

Und da sind nicht zuletzt die viel zu niedrigen Trägerpauschalen, die eine qualitativ hochwertige Arbeit mit den Langzeitarbeitslosen verhindern werden, die Betreuung und Begleitung ausschließen. Das wird nicht nur zu einem Trägersterben führen, es wird vor allem die erfahrenen Akteure der Arbeitsmarktpolitik regelrecht vertreiben.

Die Landesregierung sieht das übrigens ganz anders. Auf eine entsprechende Kleine Anfrage unserer Fraktion antwortet sie im August dieses Jahres: „Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass zukünftig in den Landkreisen und Kommunen keine Erfahrungsträger der Arbeitsmarktpolitik mehr zur Verfügung stehen werden.“

Da kann ich nur sagen: “Ihr Wort in das Ohr von wem auch immer!“ Aber wenn qualifizierte Kräfte nicht mehr bezahlt werden können, weil die Trägerpauschalen es nicht hergeben, werden sie sich wohl ein anderes Betätigungsfeld suchen und eben nicht mehr zur Verfügung stehen.