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Jan Wagner zu TOP 29: Freifunk im Land Sachsen Anhalt – Ausbau digitaler Infrastrukturen und Unterstützung für digitales bürgerschaftliches Engagement / WLAN-Wüste in Deutschland entgegen wirken

Es ist sehr schön, einmal einen Antrag vorliegen zu haben, bei dem ich lange suchen muss, um etwas zu finden, von dem ich sage, dass ich damit nicht ganz einverstanden bin. Das ist mir nicht ganz gelungen. Nein, ich freue mich heute sehr, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag stellen. Wir sehen allerdings, dass dieser Antrag eine kleine Schwäche hat, die tatsächlich nicht in der Gesetzgebung des Landes liegt, die uns allerdings gleichwohl betrifft. Das nehmen Sie im zweiten Punkt Ihres Antrages mit auf. Die Fraktion DIE LINKE ist allerdings der Auffassung, es benötigt einer besonderen Handlungsanweisung an die Landesregierung bezüglich Ihres Verhaltens zu dieser Novelle, die gerade eben angesprochen wurde, das sogenannte WLAN-Gesetz. Wir müssen konstatieren, WLAN in Deutschland, das ist eher eine Wüste - nicht weil wir nicht viele WLANs zur Verfügung stellen. Es gibt Wohnblocks, da findet man 40 oder 50 WLANs, weil jeder seines nutzt. Aber keines davon ist frei verfügbar, und das muss so nicht sein.

Warum wird es aber zusehends immer entscheidender, dass das WLAN frei wird?

Natürlich findet der meiste Konsum von Internet, gerade was die entsprechenden Datenvolumina anbelangt, mit dem leitungsgebundenen Internet statt. Es findet zu Hause und in den entsprechenden Büros statt. Nebenbei gibt es dann noch mobiles Internet. Mobiles Internet, das ist heute oftmals Mobilfunk. In der Perspektive und in einer immer mobiler werdenden Gesellschaft werden wir allerdings nicht umhin kommen, auch freie WLANs als Teil der mobilen Infrastruktur zu begreifen. Insofern ist Mobilfunk eine gute Ergänzung und freies WLAN wird ebenfalls eine gute Ergänzung sein.

Wenn wir uns heute den Ist-Stand anschauen, lohnt der Blick über den Tellerrand, lohnt ein Blick über die Grenzen. Egal wo man unterwegs ist, insbesondere in den Ländern der europäischen Union, ist es gang und gäbe, freie WLANs anzutreffen. Das wird oftmals unterschiedlich geregelt, aber Rechtsunsicherheit aufgrund der Zurverfügungstellung von Internet, das ist eine Eigenschaft, die man nur aus Deutschland kennt.

Eine kleine Anekdote: Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheit sowie Medien war im Juni zur auswärtigen Sitzung in Brüssel. Da habe ich über die digitale europäische Agenda gesprochen, habe den Wunsch geäußert: Liebes Brüssel, macht einmal etwas Druck auf Deutschland, damit wir hier mit der Störerhaftung zu Rande kommen. Sie kannten das Problem gar nicht. Das ist so ein kleines deutsches Einzelproblem. Es wird international gar nicht wahrgenommen. Die Folge ist aber, dass wir uns mit dieser Störerhaftung international weiter abkapseln.

Warum gibt es so wenig freie WLANs in Deutschland? Das liegt daran, dass wir ein Haftungsprivileg haben, ein Haftungsprivileg, welches es Providern, also Personen und Institutionen, die einen Internetzugang zur Verfügung stellen, nicht gestattet, nicht für die sogenannte Störung, sprich: eine Rechtsverletzung im Wegerecht, zu haften.

Jetzt ist die Frage: Was ist ein Provider? Das ist schon in der Einbringung zum anderen Antrag ein bisschen klar geworden. Oftmals gelten Provider als Unternehmen, als Firmen, die ein Geschäftsmodell dahinter betreiben. Tatsächlich sagt das Telemediengesetz aus, Provider, das muss nicht notwendigerweise eine große oder kleine Firma sein, Provider sind auch bürgerschaftliche und genossenschaftliche Initiativen. Freifunk ist hierfür das beste Beispiel. Aber nein, Provider werden in dem Sinne auch Bürger und Bürgerinnen. Ja, Freifunk gute Lösungen gefunden hat, die Störerhaftung zu umgehen. Wir wollen tatsächlich mehr. Wir wollen auch, dass Bürgerinnen und Bürger ihre WLANs zur Verfügung stellen können. Wir wollen, dass Cafés und andere Einrichtungen der Begegnung ohne Probleme die Möglichkeit haben, ihre WLANs zu öffnen, ohne sich größere Gedanken zu machen, weil ihr Geschäftsmodell schlicht und ergreifend woanders liegt.

Wie kommt es jetzt in Deutschland dazu, dass wir eine so komplizierte Rechtssituation haben? Das liegt am Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2010. Das Urteil hat bei der Frage der Haftung beim Zugriff auf sogenannte Hostingdienste die Grundlage gesetzt, dies auch auf die Zurverfügungstellung via WLAN anzuwenden. Das ist nicht sehr sinnträchtig. Das ist auch fünf Jahre danach nicht sehr sinnträchtig, weswegen jetzt in dem unteren Gerichtsbereich dieses BGHUrteil kaum noch Anwendung bei der Rechtsfindung findet. Es nützt uns nur deswegen nichts, weil dieses Urteil des Bundesgerichtshofs auf der Ebene des TMG nach wie vor bindend ist. Aber das ist nur die rechtliche Dimension. Es gibt auch noch eine politische Dimension. Das ist grob zusammengefasst die: Wenn wir hier in Deutschland die WLANs aufmachen, dann haben wir es nur noch mit Terrorismus und Kriminalität zu tun. Das ist eine Angstdebatte, die in Deutschland teilweise nach wie vor auf dieser Ebene geführt wird.

Ich will ein Beispiel nehmen, weil es jetzt auch in Sachsen-Anhalt in der letzten Woche eine Rolle gespielt hat. Der Stadtrat in Magdeburg hat auf Initiative der dortigen SPD-Fraktion einen Antrag auf Zurverfügungstellung des Freifunks in der Stadt Magdeburg angestrebt. Ein lokaler Internetserviceprovider hat sich daraufhin zu einer Stellungnahme bemüßigt gesehen, aus der ich kurz zitieren muss. Erstens, dass dies zu einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt. Weiter: Mit Freifunk ist der Möglichkeit, über diesen Internetzugang ungeahnte schwere Straftaten zu begehen, Tür und Tor geöffnet.

An dieser Stellungnahme dieses lokalen Internetserviceproviders ist einzig und allein sympathisch, dass sie Tor öffnen wollen. Aber ich glaube, sie meinten das nicht in unserem Sinne, dass wir mehr Tor-Exit-Nodes zur Verfügung stellen. Tatsächlich handelt es sich um eine Polemik, die der Realität nicht standhält.

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat seit zwei oder drei Jahren ein Pilotprojekt mit dem privaten Betreiber Kabel Deutschland aufgelegt. Im Ergebnis dieses Projektes ist klar herausgekommen, dass es über die Zurverfügungstellung freier WLAN-Zugänge gerade nicht zu mehr Rechtsverstößen kommt. Mir ist überhaupt nicht einsichtig, warum das in der Diskussion immer wieder angebracht wird. Warum soll ich denn, nur weil ich es über WLAN mache statt über Mobilfunk oder über leitungsgebundenes Internet, sagen: Jetzt bin ich einmal richtig kriminell? Das ist Quatsch, aber es dominiert teilweise leider immer noch die politische Debatte und wahrscheinlich auch die politische Debatte bei der Gesetzgebung im Bund.

Wie sieht es tatsächlich aus? Hier möchte ich eine Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins aus dem März 2014 kurz zitieren. Das ist die Stellungnahme 13 aus dem Jahr 2014. Hierin schreibt der Deutsche Anwaltsverein: „Da von außen nicht feststellbar ist, welcher der WLAN-Nutzer unter welchem Zugangsdatum auf welche Internetseite zugreift, müsste zur Ermittlung von Rechtsbrechern zumindest gespeichert werden, wer, wann, welche Internetauftritte besuchte oder welche Dienstleistungen nutzte. Dies wäre ein sehr viel intensiverer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als die Vorratsdatenspeicherung und daher wohl kaum grundrechtlich zulässig. Registrierungsmaßnahmen sind daher unwirksam, wirksame Maßnahmen verfassungswidrig.“

Das heißt, wir müssen aufhören, diese Angstdebatte zu führen. Das heißt auch: Wir müssen endlich die Scheu vor den Potenzialen der Digitalisierung aufgeben; denn diese nützt wirklich nicht, wenn wir darüber diskutieren, wie wir Grundrechte im Digitalen zukünftig ausgestalten wollen.

Die rechtliche Lösung ist an dieser Stelle sehr einfach. Im Jahr 2012 haben wir als Landtagsfraktion genau dieses Thema schon einmal in den Landtag eingebracht. Damals haben wir gesagt, dass es jederzeit möglich ist, dieses Haftungsprivileg komplett zu streichen. Dies wäre auch heute noch möglich. Zudem wäre es tatsächlich - dies ist durchaus eine Ausnahme - eine einfache Lösung für ein scheinbar komplexes Problem.

Es gibt auch andere Lösungen, zum Beispiel das Provider-Privileg aufrechtzuerhalten und prinzipiell für Privatpersonen zu eröffnen. Dies ist ein Beispiel, das die Digitale Gesellschaft e. V. - kurz DigiGes - im Jahr 2012 in der öffentlichen Debatte in den Raum gestellt hat. Sie sehen, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, an dieses Problem heranzugehen.

Der politische Anspruch, den wir heute formulieren, ist, dass es einfach sein muss und dass es niedrigschwellig sein muss, einen Zugang zum Netz zu gewähren. Dies ist das Entscheidende in der Debatte. Es darf nicht zu irgendwelchen Verkrampfungen und Verrenkungen kommen, um zu begründen, warum etwas nicht möglich sei. Wir haben den einfachen politischen Anspruch, den Zugang zu WLANs letztlich auch umzusetzen.

All das, was ich gerade beschrieben habe, gilt prinzipiell für WLANs, weil unser Anspruch ist, diese Möglichkeit prinzipiell zu schaffen. Die Initiative Freifunk ist an dieser Stelle etwas ganz Besonderes. Lassen Sie mich kurz darauf eingehen. Ich finde die Initiative Freifunk toll. Die Zivilgesellschaft macht sich hierbei auf den Weg, einfach Internet unter die Leute zu bringen. Selbstverständlich ist Freifunk viel mehr, als einfach nur Internet zur Verfügung zu stellen. Aber von außen betrachtet, ist allein diese Funktion schon richtig viel wert. Aber mein Dank an die Initiative Freifunk fällt insbesondere in Sachsen-Anhalt viel größer aus; denn die bestehenden Freifunkinitiativen in Sachsen-Anhalt - vorrangig seien an dieser Stelle Halle, Magdeburg und der Harz genannt - stellen Geflüchteten, die so dringend auf eine Internetverbindung angewiesen sind, ein Netz ohne große Bürokratie und unverzüglich zur Verfügung. Vielen Dank dafür; denn genau dieses gesellschaftliche Engagement brauchen wir.

Freifunk - und nicht nur das Netz daran - ist auch ein essenzieller Teil der Netzkultur. Wir sind uns im Hohen Hause - diesen Eindruck habe ich im Moment - durchaus darin einig, dass wir diese Netzkultur weiter fördern wollen. Bei den Sozialdemokraten, bei den Bündnisgrünen und auch bei der LINKEN ist das seit jeher gang und gäbe. Wir haben uns erst neulich in unserem Landeswahlprogramm wieder dafür ausgesprochen.

Bei der Einbringung des Antrages der Fraktionen der CDU und der SPD zum Freifunk ist deutlich geworden, dass es dafür jetzt auch bei der CDU viel Sympathie gibt.

Im Grunde genommen ist es einfach nur eine Reaktion darauf, dass wir die Freifunkinitiativen in den letzten Jahren noch nicht so gewürdigt haben, wie es - so haben wir heute feststellen können - tatsächlich notwendig ist. Ich danke der Koalition für diesen Antrag, und ich danke der Koalition insbesondere für den vierten Punkt, in dem sie eine Würdigung für die digitale Flüchtlingshilfe einbringt. Ich sage ganz klar: Wir brauchen die digitale Flüchtlingshilfe. Ich will kurz darstellen, worum es hierbei geht. Viele Geflüchtete, die zu uns kommen, sind es gewöhnt, über das Internet kurze Kommunikationen mit ihren teilweise zu Hause gebliebenen Familienangehörigen und Freunden zu führen. Dies ist auf der Flucht sehr schwer. Die ersten Begehren nach der Ankunft in Deutschland sind es, sicher zu sein, eine Unterkunft zu haben, versorgt zu sein. Aber gleich danach stellt sich die Frage, wie man mit Zuhause telefonieren kann. Dies geht oftmals nicht über den klassischen Mobilfunk, sondern dafür ist das Internet essenziell.

Natürlich kann man über den klassischen Mobilfunk telefonieren, aber über Facebook - dies ist in anderen Ländern, insbesondere im arabischen Raum gang und gäbe - und über Skype kann man auch telefonieren. Diese beiden Beispiele seien an dieser Stelle genannt. Diese Möglichkeit müssen wir den Geflüchteten, die hier Schutz suchen, dringend gewähren.

Deswegen finde ich den Änderungsantrag der GRÜNEN richtig. Wir werden diesem natürlich zustimmen. Die Koalitionsfraktionen gehen im zweiten Punkt ihres Antrages auf die Crux in Bezug auf die Störerhaftung ein. Wir stellen heute nicht umsonst noch einen Antrag, der sich speziell mit dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren im Bundestag beschäftigt.

DIE LINKE ist der festen Überzeugung, dass dieses Gesetzgebungsverfahren WLAN eher verhindern wird, als dass es tatsächlich zu einer Öffnung führt. Deswegen der dringende Appell an die Landesregierung, das ihr Mögliche im Bundesrat zu unternehmen, um diesbezüglich eine Änderung zu erreichen.

Das Gesetz muss auch deswegen modifiziert werden, weil dort ein völlig neuer Punkt eingebracht wurde, nämlich der der gefahrengeneigten Dienste. An dieser Stelle möchte ich kurz aus dem Internetportal Golem zitieren: „Die neue Regelung ‚könnte sich potenziell auf die gesamte Host-ProviderBranche negativ auswirken und zahlreiche etablierte und allgemein anerkannte Geschäftsmodelle wie Cloud-basierte Services, Medien-Plattformen und SocialMedia-Dienste kriminalisieren.’, teilte Eco …“ - also der Verband der Internetwirtschaft - „ … mit. Nach Ansicht des Bitkom‚ ‚wird die Regelung nicht dazu führen, Urheberrechtsverstöße einzudämmen oder gar zu verhindern.‘“

Das heißt, in diesem Punkt wird ein Problem angegangen, welches ohne Lösung ausgeht. Aber es werden neue Probleme geschaffen. Das kennen wir in der Gesetzgebung teilweise; es muss aber nicht sein. Daher besteht diesbezüglich Handlungsbedarf, auch über den Bundesrat.

Es gab auch häufig Diskussionen dahin gehend: Wir brauchen die europäische Cloud und wir brauchen die europäischen Services und das europäische Facebook. Das ist aus meiner Sicht überholt. Aber wenn das alles stimmt, dann müssten wir eher eine Rechtsgrundlage dafür schaffen, dass sich solche Dienste tatsächlich in der deutschen Jurisdiktion weiter etablieren können. Genau das passiert durch die Bundesgesetzgebung gerade nicht. Deswegen müssen wir unseren Antrag stellen. Wer heute wirtschaftliche Digitalkompetenz zeigen will, der muss dringend unserem Antrag zustimmen.

Noch ein paar Worte zum Alternativantrag. Ich will jetzt nicht darüber urteilen, inwieweit der Alternativantrag, den Sie stellen, tatsächlich mit dem zweiten Punkt Ihres Antrages zum Freifunk in Übereinstimmung zu bringen ist. Sie fordern unter Punkt 2 Buchstabe a und b ganz konkrete Änderungen. Unter Punkt 3 formulieren Sie die Forderung, dass das Gesetz, wenn es dem Bundesrat vorgelegt wird, nicht verändert werden darf. Das müssen Sie mir bitte einmal in der anstehenden Debatte erklären.

Der aktuelle Gesetzentwurf, das WLAN-Gesetz, steht der Förderung von freien WLANs eher zurückhaltend gegenüber. Wir würden damit weitere Schritte der Digitalisierung verschlafen.

Ich freue mich trotzdem über Ihren Antrag und wir werden ihm auch zustimmen. Bitte überdenken Sie noch einmal Ihren Alternativantrag; denn dieser tut der Sache nicht gut.