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Jan Wagner zu TOP 17: Rechtssicherheit für Betreiber freier WLAN-Netze herstellen

Freie WLANs sind für DIE LINKE essenzieller Bestandteil einer modernen Netzstruktur und -kultur. Sie sind Teil der Internetverfügbarkeit und für die Bürgernähe des Staates künftig unabdingbar. Freie WLANs sind in Deutschland aber selten, denn es gilt die Störerhaftung.  

Wie sieht es mit der WLAN-Infrastruktur aus? Viele Privathaushalte, die sich mit Internet versorgen, haben mittlerweile Technik stehen, WLAN-Router, die meistens eine WLAN-Infrastruktur für die Haushalte gewährleisten. WLAN ist eine Funktechnik in zwei Frequenzbereichen, dem 2,4-GHz- und dem 5,4-GHz-Frequenzband. Die Bundesnetzagentur hat diese Frequenzbänder freigegeben, sprich: Der Nutzungsdienst ist der Allgemeinheit unterstellt. Das heißt insbesondere, dass derjenige oder diejenige, die ein WLAN-Netz betreiben möchte, prinzipiell vorher keine Genehmigung ersuchen muss. Das machen wir alle zu Hause oder zum Beispiel in unseren Wahlkreisbüros.

WLAN ist somit wesentlicher Teil der Netzinfrastruktur. So, wie wir es manchmal privat machen und es vielleicht gar nicht merken, dass wir eine Struktur aufbauen, von der theoretisch auch andere partizipieren, oder es vielleicht gar nicht nur Theorie ist, sondern tatsächlich passiert, zum Beispiel weil die entsprechenden Netzwerke nicht oder nicht hinreichend gesichert sind, gibt es auch andere, die an genau dieser Sicherung gar kein Interesse haben, weil sie ihr WLAN tatsächlich als Teil der Netzstruktur betrachten. Hierbei sind in erster Linie die Freifunker zu erwähnen.  
Freifunkinitiativen sind Initiativen, die insbesondere in größeren Städten, so auch in Magdeburg und in Halle, existieren und rein privat versuchen, die Netzabdeckung dort, wo zum Beispiel Breitband nicht zur Verfügung steht, darüber herzustellen, dass man die WLANs öffnet. Damit leisten diese Privaten, auch wenn sie es teilweise wollen, einen wesentlichen Beitrag zum Netzausbau. Es gibt aber auch offene Netze, teilweise öffentliche Netze, zum Beispiel bei Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen.  

Für uns stellt sich das Internet allerdings als Kulturtechnik dar, nicht nur als Beiwerk, das einfach nur etwas Technisches ist. „Netz in öffentlichen Einrichtungen“ heißt zum Beispiel auch: Netz in Museen, Netz in Rathäusern, Netz in Cafés und vielleicht auch
- wenn wir das Problem der Störerhaftung beseitigen, folgen vielleicht einige unserem Beispiel - Netz in Wahlkreisbüros. Es ist ein essentieller Beitrag dafür, dass wir, wenn wir öffentliche Einrichtungen besuchen, wenn wir Veranstaltungen besuchen, auch mit einer guten Netzversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge rechnen können, zumal UMTS- und LTE-Verträge, was die Tarife und die Kontingente anbelangt, tatsächlich erst einmal teuer sind.

Ein Beispiel konnten wir alle gestern Abend bei der parlamentarischen Begegnung mit dem MDR im Landesfunkhaus erleben. Es wurde ein Film präsentiert und ein Interesse geweckt, sich sofort im Internet über die dritte Säule dieses Mediums zu informieren, sowie ein QR-Code präsentiert. Hatten wir dort allerdings einen ordentlichen Empfang? Gab es ein freies WLAN? Nein, das gab es nicht.

Netzpolitik ist Gesellschaftspolitik. Die Frage, ob wir die WLANs öffnen wollen, ist nicht nur rein netzpolitisch tangiert. Es geht darüber hinaus auch um den Grundsatz: Will man die Störerhaftung nur deswegen aufrechterhalten, um im Falle eines tatsächlich über das Netz begangenen Verbrechens ermitteln zu können? Geht es also darum, präventiv wieder Angst zu schüren oder können wir die Weiche umstellen hin zu einer Entwicklung in Richtung Freiheit?

In dieser ganzen Diskussion ist das ohnehin ein zentrales Element. Begriffe wie Freiheit, Individualität und Partizipation spielen dabei eine große Rolle, zum Beispiel eben beim Besuch im Bürgeramt. Wenn ich dort bei meinem mobilen Endgerät tatsächlich über ein freies WLAN verfüge, dann habe ich auch den Gang zum Bürgeramt ein wenig attraktiver gemacht, was zum Beispiel Wartezeiten besser überbrücken lässt, aber auch prinzipiell die Informiertheit der Gesellschaft erhöhen würde. Nicht zu vergessen ist, dass das nicht nur für öffentliche Einrichtungen, sondern auch für die Wirtschaft gilt. Dort, wo tatsächlich Netze offen sind, hat sich im Netz eine Wirtschaftsdynamik entwickelt, deren Produktivität oftmals über die klassischer Wirtschaftszweige hinausgeht.

Ich möchte einmal kurz einen Ausblick geben, wie es in anderen Ländern aussieht. Es gibt tatsächlich Länder in der Welt, die eine vorbildliche, freiheitliche und progressive Netzpolitik und Infrastrukturpolitik betreiben. Schauen wir in die EU, stellen wir fest, dass gerade die Frage von frei verfügbaren WLANs in Polen und in Spanien bereits realisiert wird, dass es aber auch darüber hinaus in Europa diese Tendenzen gibt, zum Beispiel im Baltikum. Auch wenn man in die USA fährt, ist es hin und wieder üblich, ein freies WLAN vorzufinden, dort ins Netz zu gehen. Die Menschen dort haben auch nicht unbedingt Angst, dass dadurch mehr Straftaten passieren oder in der Gesellschaft die Lust an Straftaten geweckt würde. In Deutschland sind es insbesondere die Stadtstaaten, also Berlin, Bremen und Hamburg, aber auch einzelne Großstädte wie Köln und München, die sich als Internetstadt präsentieren wollen, für die eine freie Netzinfrastruktur auf der Basis von WLAN mit zum Konzept gehört, wie man Bürgerbeteiligung tatsächlich herstellt.

Aber das Problem der Störerhaftung haben diese Städte natürlich auch nicht gelöst.
In Hamburg, in Köln und in München ist es vorwiegend die SPD, die dieses Thema forciert und es im Rahmen des Projektes Internetstadt versucht zu etablieren. In Leipzig und in Berlin ist es DIE LINKE.

Das Problem der Störerhaftung als tatsächlich politisches und darüber hinausgreifendes Problem kam allerdings nicht auf die Tagesordnung, weil es prinzipiell eine Rechtslücke gibt, sondern weil sich aufgrund dieser Störerhaftung ein eigenes Abmahnwesen hat etablieren können, welches zu einem Problem wurde, allerdings nur ein Symptom für den Netzausbau an sich ist. Was passiert denn bei diesen Abmahnwellen? Zunächst muss ich sagen, dass es nicht das originäre Problem, sondern nur das Symptom einer falschen netzpolitischen, weil freiheitseinschränkenden Weichenstellung ist. Nehmen wir einmal an, eine Seniorin oder ein Senior will das alte Telefon, das vielleicht schon 20 Jahre alt ist, weghaben. Das machen vielleicht die Enkel. Dann bekommen sie so ein neuartiges Ding in den Flur gestellt. Dann sagen die Enkel: Na ja, gut, okay da ist jetzt auch Internet dabei. Aber ich weiß, du nutzt das nicht. Wir lassen das jetzt einmal so. Dann ist es tatsächlich passiert, dass diese Seniorin auf einmal einen Klagebrief eines Anwaltes erhielt, in dem sie abgemahnt worden ist. Sie wusste überhaupt nicht, warum.  

Was ist passiert? Sie hatte ein freies WLAN, was sie nicht wusste. In diesem sind offensichtlich tatsächlich urheberrechtsrelevante Straftaten begangen worden. Sie wurde am Ende verurteilt. Es ist ja klar: Es gab ein Verbrechen. Demzufolge muss es auch einen Straftäter geben. Dass sie es nachweislich nicht war, war der Rechtsprechung an dieser Stelle leider egal, weil diese Rechtsunsicherheit besteht.
Oder was ist mit kleinen Cafés? Diese sagen: Ich möchte, dass die Kunden in mein Café kommen und nicht zu meinem Nachbarn gehen. Dafür sorge ich, indem ich ein Angebot schaffe. Ich gebe mein WLAN frei. Das heißt, man kann nicht nur gemütlich Kaffee trinken, sondern man kann nebenbei auch noch im Netz sein. Auch diese werden teilweise abgemahnt.  

Hinter diesen Abmahnungen stehen nicht immer nur tatsächliche Straftaten. Nein, das ist, wie ich es schon gesagt habe, bei einer eigenen Industrie, die sich mittlerweile entwickelt hat und damit gar nicht zu einem netzpolitischen Problem wurde, eher ein allgemeinpolitisches Problem.

In diesem Jahr haben wir auch eine wunderbare Geschichte gehabt. Es ging darum, dass bestimmte Router, die die Telekom an ihre Kunden ausgegeben hat, eine so eklatante Sicherheitslücke aufwiesen, dass diese zwar geschützt waren, der Schutz aber umgangen werden konnte und eine Verhinderung dieser Sicherheitslücke über einen Monat lang ausstand, sodass selbst bei hinreichender Technik und bei Verschlüsselung es nach wie vor das Problem gab, dass über diese Netze Verstöße im Internet begangen werden konnten, ohne dass die tatsächlichen vermeintlichen Straftäter überhaupt nur gefasst werden könnten. Das heißt, das Rechtsinstrument ist eines, welches im Zuge der Aufklärung überhaupt nicht zuträglich ist.

Nunmehr ist es so, dass dieses Problem im letzten Jahr bei diversen netzpolitischen Kongressen hoch und runter diskutiert wurde, unter anderem bei der „Netz für alle“-Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung und eine Woche später beim netzpolitischen Kongress der Böll-Stiftung. Dabei haben verschiedene Aktivisten beklagt, dass die Bundesregierung, dieses Thema betreffend, eigentlich gar nicht so sehr Interesse gezeigt hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt die TKG-Novelle noch nicht durch den Bundestag gebracht wurde. Schon damals hat man sich darauf verständigt: Okay, wenn das über den Bundestag nicht klappt, dann müssen wir in den Ländern aktiv werden.

Hamburg war dann das erste Land, welches im Februar aktiv wurde. Denn man brauchte noch eine Lösung, wie es strukturell anzugehen ist. Sie haben gesagt: Dann wollen wir Leute, die tatsächlich ihre WLANs freigeben wollen, denen, die nach § 8 TMG Inhalte anbieten, gleichstellen. Was diese Lösung anbetrifft, bin ich ein bisschen emotionslos. Das kann auch im Bundesrat noch diskutiert werden. Das sollte es auch, wenn es der Bundestag nicht will. Aber die Initiative ist jetzt da, und die Initiative aus Hamburg und auch die Folgeinitiative aus Berlin finden wir prinzipiell unterstützenswert. Insofern müssen wir der SPD und der CDU in Berlin sogar danken.

Allerdings gehen diese Initiativen von der Grundannahme aus, man müsse eine wie auch immer geartete Authentisierung von Nutzern, das heißt ein Identifikationsmerkmal von Personen, nach wie vor aufrechterhalten, damit eine Differenzierung in bewusste und unbewusste Nutzer solcher Netze nach wie vor möglich ist. Das ist nicht mein Verständnis von libertärer Netzpolitik. Ich halte es im Zuge der ganzen Cybercrime-Debatte, von der wir jetzt immer mehr hören, eher für ein falsches Verständnis.

Das ist natürlich auch der zentrale Unterschied zwischen unserem Antrag und dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Ich weiß, dass Sie Netzversorgung prinzipiell so verstehen, dass der Zugang zum Netz immer nur mittels Identifizierungssystemen vonstattengehen soll. Ich persönlich halte das für eher problematisch. Aber auch Ihr Antrag geht, auch wenn er diesbezüglich unsere Forderung nicht übernimmt, prinzipiell in die richtige Richtung. Deswegen werden wir den Änderungsantrag auch nicht ablehnen.  

Was in Hamburg und in Berlin passieren kann, das muss eigentlich auch in einem ländlich geprägten Flächenland sukzessive gedeihen können. Deshalb fordern wir heute eine wesentliche Grundlage dafür. Das ist die Rechtssicherheit für freie WLAN-Netze.