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Jan Wagner zu TOP 16: Offener Haushalt als Einstieg in „Open Data“

Die digitale Welt, sie entwickelt sich. Keine Technologie wie die digitale Vernetzung verändert heute unsere Lebensumstände schneller. Die Potenziale der vernetzten, digitalen Welt werden überall erkannt und genutzt, sowie weiterentwickelt, um wiederum neue zu entdecken. Im digitalen Zeitalter lassen sich Probleme lösen, bei denen zuvor kaum jemand an eine einfache Lösung hätte denken können. In ihm erwachsen Potenziale, deren Mehrwert für die Gesellschaft oft kaum absehbar waren und noch immer sind. Im digitalen Zeitalter gelingt es uns, insbesondere mit Daten effektiv umzugehen und aus riesigen Datenanhäufungen relevante Informationen zu gewinnen.

Und natürlich ist auch die politische Landschaft von diesen Entwicklungen positiv betroffen. Es ist nun einfacher Verwaltungsprozesse offen zu legen, da die Verhältnismäßigkeit nun oft gegeben ist. Es ist einfacher, wichtige Strukturdaten zu erheben, sie zu verwerten und sie zu kontrollieren. Es ist einfacher, unterschiedliche Modelle gegen zu rechnen und sie auf ihre Wirksamkeit zu falsifizieren. Und es ist einfacher, Verhältnismäßigkeiten im Haushalt zu überprüfen, alternative Querschnittberechnungen anzulegen oder Titelgruppen zu aggregieren.

Was zunächst kompliziert klingt, ist es anfangs auch. Um hier einen guten Start zu machen, ist es daher umso wichtiger, wesentliche Prinzipien des „Open Data“ zu erklären und den Unterschied zwischen einfacher Veröffentlichung und „Open Data“ anhand des Mehrwertes darzulegen.

Ich denke, Sie alle kennen folgendes Phänomen. Im Herbst erhalten Sie von der Regierung einen Haushalt. Dieser umfasst drei Bände und eine vierstellige Anzahl an Seiten. Wer von Ihnen ist in der Lage dieses Machwerk umfänglich zu verstehen? Die wenigsten werden es sein. Maschinenlesbar in einem freien Format zur Verfügung gestellt, erleichtert es uns, aber auch jeden weiteren Interessierten aus der Bevölkerung, in den Haushalt noch mehr einzudringen. Erst dadurch wird der verfassungsrechtliche Grundsatz nach Kontrolle der Exekutive und Transparenz der parlamentarischen Arbeit in der heutigen Zeit erfüllt.

Unser Antrag ist ein Antrag, der dem Landtag ein Bekenntnis hin zu „Open Data“ abringen möchte. Beginnen wollen wir mit dem Landeshaushalt. Was aber „Open Data“ ist, lässt sich nicht in zwei englische Wörter pressen. Erlauben Sie mir, uns die Grundgedanken dieser Idee noch einmal kurz zu vergegenwärtigen.

Im Grunde bedeutet es nichts anderes als das Hantieren mit jenen Daten öffentlich zu ermöglichen, welche leicht zu veröffentlichen oder gar prinzipiell öffentlich sind, nicht persönlich oder steuerfinanziert sind oder mindestens subventioniert werden. Damit geht also auch es um ein Grundrecht.

Wir fordern, dass eben diese Daten verwertbar für die Öffentlichkeit vorgehalten werden. Für die Erstellung eines Haushaltes verfügt das Ministerium für Finanzen über Software, die zugegebener Maßen schon die ein oder andere Arbeit abnimmt. Wir Abgeordnete, wie die Vertreter der Öffentlichkeit, erhalten den Haushalt in Buchform oder PDF.  Damit erwächst der Regierung ein Vorteil, nämlich alleiniger Herr über die Daten des Haushaltes zu sein. Das sollte aber nicht nur dem Finanzminister und einem überschaubaren Stab im Finanzministerium erlaubt sein.

Wir haben vor der Sommerpause schon diskutiert, die Stellung des Landesparlamentes nicht unnötig weiter zu beschneiden, nein, gar zu stärken. Der Landtag hat zwei wesentliche Hauptaufgaben: Kontrolle der Regierung und Budgetrecht. Um letzteres wahrnehmen zu können, bedarf es jedoch in Anbetracht der heutigen technischen Möglichkeiten eines offenen Haushaltes. Sonst ist Stellschraubenpolitik als höchstes der Gefühle vorprogrammiert.

„Open Data“ ist nichts weiter als die konsequente Folge einer transparenten und somit demokratischen Verwaltung unter den Bedingungen der digitalen, vernetzten Welt. Es muss daher Anliegen aller Fraktionen des Landtages sein, sich als Legislative nicht weiter von der Regierung abhängen zu lassen. Sich „Open Data“-Strategien zu verweigern, hieße demnach auch, sich dem größtmöglichen Maß an Demokratie in unserer freien Gesellschaft zu verwehren. Daher stellt sich tendenziell nicht die Frage des „Ob“, sondern des „Wie“.

Die „Open Government Working Group“ hat für internationale Verhältnisse realistische Prinzipien entwickelt, welche „Open Data“ von den aktuellen Veröffentlichungen unterscheidet. Wenn wir uns diese noch einmal genau vergegenwärtigen, ist es nicht mehr so schwer, den Mehrwert hinter dieser Form des Datenzurverfügungstellens zu sehen, auch, weil wir vielleicht die ein oder andere Situation aus unseren individuellen Leben kennen, in denen diese Prinzipien nicht eingehalten werden und uns das dann in einer konkreten Situation gestört hat.

Die Prinzipien im Einzelnen lauten:

  • Vollständigkeit: Wir benötigen z.B. den Haushalt und die Jahresrechnung in vollem Umfang.
  • Primärquellennutzung: Daten liegen irgendwann in Rohform vor. Diese sollte bei der Veröffentlichung immer mit bedacht werden.
  • Zeitnähe: Wir gehen davon aus, dass „Open Data“ auch neue Impulse für die Demokratieentwicklung im Land Sachsen-Anhalt setzen kann. Das funktioniert nur, wenn das Zurverfügungstellen von Daten ohne weitere künstliche zeitliche Verzögerung erfolgt. Sonst wäre ja alles „Kalter Kaffee“.
  • Verfügbarkeit: Nicht nur uns, allen müssen diese öffentlichen Daten zur Verfügung stehen.
  • Maschinenlesbarkeit: Während das Ministerium Software nutzen kann, um mit dem Haushalt zu hantieren, müssen wir Parlamentarier und die allgemeine Öffentlichkeit nach wie vor händisch nachrechnen. – Werte Parlamentskollegen, ich muss Sie nicht darauf hinweisen, welche diffizile und in Anbetracht der technischen Entwicklung unnötige Arbeit dabei für uns dahinter steckt.
  • Diskriminierungsfreiheit: Diese sollte sich von allein ergeben.
  • Freie Formate: Die Daten sind nur so gut, wie ihre potenzielle Nutzung. Um faktisch nicht wieder Gruppen der Gesellschaft dabei auszuschließen, sind freie Formate unumgänglich.
  • Lizenzfreiheit: Nur Lizenzfreiheit schließt negative Erwartungen aus den vorher genannten Punkten aus.

Wir alle wissen, dass diese Prinzipien als einzelne Punkte unter Umständen schon längst realisiert werden. Zusammen müssen sie realisiert werden, um den Vorstellungen von „Open Data“ gerecht zu werden.

Was hieße das nun praktisch? Mit offenerhaushalt.de steht eine Plattform für den Bundeshaushalt zur Verfügung, bei der mittels kollaborativem Arbeitens ein Großteil dieses Haushaltes optisch dargelegt werden kann. Einige Kommunen entwickeln Haushalte im Sinne des „Open Data“ unter dem Begriff des „Bürgerhaushaltes“, wobei uns klar sein muss, dass ein offener Haushalt nur die Grundlage bürgerlichen Engagements sein kann.

Wir wissen, dass „Open Data“ und dieser Antrag für die Verwaltung, also für die Regierung, eine Herausforderung ist. Oft nehmen daher Verwaltungen bei ähnlich oder gleich lautenden Forderungen aus Politik und Öffentlichkeit schnell, wenn nicht gar reflexartig, eine Defensivstellung ein. Ich will Sie an dieser Stelle beruhigen.
Natürlich habe ich als Verfechter der Ideen des „Open Data“ heere Ansprüche, was die ansatzlose Zurverfügungstellung feinkörniger, öffentlicher Daten betrifft.

Heute fordern wir als ersten Schritt lediglich die im Ministerium für Finanzen bereits vorhandenen kleinteiligen Haushaltsdaten technisch verwertbar uns und der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Damit wollen wir uns, als auch die Gesellschaft, und auch die Verwaltung für einen Mentalitätswechsel sensibilisieren, der prinzipiell öffentlich und insbesondere von der allgemeinen Öffentlichkeit finanzierte Daten zur Verfügung stellt. Es ist uns klar, dass wir mit den Daten beginnen wollen, die schon vorliegen. Gerade deswegen ist der Landeshaushalt prädestiniert.
Wenn ich meinte, „Open Data“ stelle für die Verwaltung eine neue Herausforderung dar, so gilt das in Teilen natürlich auch für die Akteure aus der Politik, auch die LINKE, aus dem Journalismus, der Gesellschaft und den wirtschaftlichen Partnern.

Ja, ich nehme es vornweg. Auch für unsere Fraktion und unsere Partei wird das eine Herausforderung sein. Dieser wollen wir uns zu Gunsten des sich daraus resultierenden Mehrwertes aber auch stellen. Und „Open Data“ ist auch kein spezifisch linkes Projekt. In anderen Bundesländern, z.B. Bremen, Hamburg und Berlin, versucht die SPD dieses Thema sukzessive zu forcieren. In Bayern entwickelt die CSU-geleitete Staatskanzlei eine „Open Data“-Plattform. Die Bayern sind also schon weiter. Auch die Bündnisgrünen zeigen prinzipiell Offenheit den Prinzipien des „Open Data“ gegenüber. In den USA ist die notwendige Form der Verwaltungsmentalität zum Erreichen von „Open Data“-Zielen gängige Praxis und zwar aus dem Grundsatz heraus, dass der Staat öffentliche Daten sammelt bzw. erstellt, da er Diener der Bevölkerung ist – ein sehr begrüßenswerter libertärer Ansatz.

Die Legislatur ist jung, der Atem lang, die Herausforderung groß, der Wille aufkommende Probleme zu lösen, ungebremst. Nehmen Sie unseren Antrag als ersten Schritt hinzu einer transparenten Verwaltung an und stimmen sie zu. Seien Sie sich bewusst, welche positiven Auswirkungen dieser Beschluss auf Ihre Arbeit als Parlamentarier und somit Kontrollinstanz der Regierung hat und nutzen Sie die Ihnen dann neu zur Verfügung stehenden Mittel. Zeigen Sie, dass auch der Landtag Sachsen-Anhalts im 21. Jahrhundert angekommen ist.