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Jan Wagner zu TOP 16: Mit offenen Daten das Parlament stärken

Die LINKE hat sich dafür entschieden, das Thema offene Daten und im Besonderen den offenen Haushalt erneut parlamentarisch aufzugreifen und kurz vor der Veröffentlichung des Haushaltsplanentwurfs 2014 erneut einen offenen Haushalt einzufordern. An unserer Argumentation, die Daten zu öffnen, hat sich in den letzten zwei Jahren nicht wesentlich viel geändert. Wir schätzen nach wie vor ein, dass die demokratischen und gesellschaftlichen Potenziale offener Daten deren Aufwand übersteigen.
 
Die Herausforderungen durch die Digitalisierung sind groß. Sie werden international und zwischen den Bundesländern mit unterschiedlichen Strategien und unterschiedlichen Geschwindigkeiten angegangen. Deutschland hinkt dabei international hinterher. Sachsen-Anhalt hinkt dabei national hinterher.  
 
Das ist eine Zustandsbeschreibung, die nicht in den Narrativ passt, dass alles gut sei oder gegebenenfalls die Landesregierung alles richtig mache. Ich gehe mithin aber davon aus, dass wir keine Probleme haben, uns von diesem Narrativ zu lösen und daher die von mir getroffene Zustandsbeschreibung nicht als Vorwurf gegenüber der Landesregierung falsch interpretieren.  

Ich habe bereits vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass es sich um eine gesellschaftliche Herausforderung handelt. Sie anzupacken bedeutet nicht einfach nur, das Schema F abzuarbeiten und gut ist.
 
Anhand der Debatten, die ich seit meinem Einzug in den Landtag vor zwei Jahren verfolgt habe, bin ich beim Thema Herausforderung durch die Digitalisierung ein wenig bescheidener geworden. Ich hielte es für einen Erfolg, sollte die Existenz dieser Herausforderung hier und heute zumindest von niemandem mehr bestritten werden.  
 
Der Landtag hat vor einem Jahr die Enquete-Kommission „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten“ ins Leben gerufen, um in einem von drei Feldern zu klären, wie sich Verwaltung in Sachsen-Anhalt verändern muss, sodass diese jenseits konkreter politischer Vorgaben zukünftige Anpassungsprozesse in der digitalen Gesellschaft bewältigen kann. Davon ist der Landtag mit seiner Verwaltung zunächst nicht direkt betroffen.  
 
Aufgrund der Sensibilität, von der ich weiß, dass diese durch das Thema offener Haushalt ausgelöst wird, wollen wir einen Quantensprung herbeiführen, wobei ich diese Metapher im Sachsinn und nicht wie sonst bei einigen üblich falsch verwende. Es geht um einen möglichst wenig aufwendigen Schritt, etwas, was in Sachsen-Anhalt schon digital passiert, auch im Bereich der Legislative für den Landtag zu nutzen.  
 
Schauen wir uns an, wie sich die parlamentarische Praxis darstellt: Das Parlament hat gemäß demokratietheoretischem Staatsverständnis die Aufgabe, Gesetze zu erlassen und den Haushalt zu beschließen. Der Landtag verfügt über die Haushaltshoheit. Jenseits dessen gilt in dieser Praxis allerdings auch, dass man Anfragen an die Regierung stellt. Mir wurde zu Beginn der Legislaturperiode einmal gesagt, dies sei so etwas wie die Waffe der Opposition. Dieses Bild halte ich für falsch. Ich glaube, dass dieser Eindruck nur deswegen entsteht, weil die Quantitäten der Koalitionsfraktionen und der Oppositionsfraktionen so sind, wie sie sind. Nichtsdestotrotz sind die Anfragen elementarer Bestandteil der parlamentarischen Praxis.  
 
Ich möchte ein Paradebeispiel anführen, das zeigt, wie Daten ausgewertet werden. Das ist für Sie nicht neu. Das hatten wir im April bereits behandelt. Es betrifft die Auswertung zur Großen Anfrage bezüglich der Personalstruktur im Hochschulwesen bzw. beim wissenschaftlichen Mittelbau. Ich weiß nicht, wie genau Sie sich die Antworten auf solche Großen Anfragen anschauen und wie Sie versuchen, daraus bestimmte politische Schlüsse zu ziehen, die ein bisschen weitreichender sind. Ich gehe davon aus, dass das teilweise Sisyphusarbeit ist. Ich gehe aber auch davon aus, dass diese Arbeit häufig lediglich eine gewisse technische Vorarbeit darstellt, bei der es eigentlich gar nicht darum geht, dass man bereits zu Erkenntnissen gelangt. Diese technische Vorarbeit halte ich für unnötig. Deswegen spreche ich von einem Technikvorsprung der Verwaltung. Es geht dar um, dass man diese politisch eigentlich gar nicht gewollte Diskrepanz tatsächlich reduzieren kann.  
 
Als Form haben wir uns trotz der Erweiterung unserer Forderungen in Bezug auf die Antworten von Kleinen und Großen Anfragen erneut für den politischen Auftrag entschieden. Dieser ist in der Umsetzung zwar der schwächste, aber für alle hier bestimmt auch der praktikabelste, und darum soll es letztlich auch gehen.
 
Wie ist es zurzeit geregelt, dass wir Abgeordnete Unterlagen der Regierung über die Verwaltungsebene erhalten? Das Prinzip der Anfragen ist in der Landesverfassung in Artikel 53 benannt und in den der Geschäftsordnung des Landtages in § 43 - Große Anfragen - und § 44 - Kleine Anfragen zur schriftlichen Beantwortung - näher bestimmt worden. Dabei sehen sowohl die Verfassung als auch die Geschäftsordnung eine Auskunftspflicht vor. Damit handelt es sich dann um einen Verwaltungsakt. In dem Moment, in dem es ein Verwaltungsakt ist, muss die so genannte Authentizität der Daten gewährleistet werden. Das heißt, der Empfänger muss eine Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob die übermittelten Daten tatsächlich vom Ministerium, zum Beispiel, kommen.
 
Dafür gibt es in der Verwaltung den Begriff des Schriftformerfordernisses: Der Minister unterschreibt und diese Unterschrift wird nicht kopiert, sondern das Original geht an den Landtag und die Dokumente werden als authentisiert wahrgenommen. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, wie man die Authentizität tatsächlich gewährleisten kann. Diese sind meistens technisch und spielen in der Enquete-Kommission eine Rolle. Deswegen wollen wir das erst einmal nicht mit aufgreifen, um den Ergebnissen der Enquete-Kommission nicht vorzugreifen.  
 
Wir wollen den Auftrag erteilen, dass man bei der Beantwortung von Kleinen und Großen Anfragen die Daten, die ohnehin herausgesucht oder ermittelt oder neu zusammengeführt oder entsprechend weitergeleitet werden müssen, zudem offen und maschinenlesbar zur Verfügung stellt, sowohl der Öffentlichkeit und im Besonderen dem Parlament. Das sehen wir als Stärkung des Parlaments an.  
 
Hinsichtlich der politischen Motivation dafür, diese offenen Daten zu fordern, die zum Beispiel bei Kleinen und Großen Anfragen eine große Rolle spielen, bin ich auf sieben wesentliche Fragen gekommen: die des Mehrwerts, die des technischen Aufwands, die des demokratischen Potenzials, die der datenschutzrechtlichen Aspekte, die der Urheberrechtsaspekte, die des Arbeitsaufwands, der dahinter steckt, und die eines eigenen Anspruchs an Politik und Verwaltung.  

Ich beginne trotzdem mit dem Mehrwert. Ich gehe davon aus, dass das eher unstrittig ist. Wenn Sie demnächst, um aus den Antworten der Landesregierung Schlüsse zu ziehen, nicht erst Daten abtippen müssen, sondern wenn Sie diese in einer guten Form vorliegen haben, sodass Sie sie in eine Software laden können, relativ schnell Querschnittsdiagramme etc. erstellen können, dann ist es, denke ich, offensichtlich, dass dieser Mehrwert besteht.  

Ich komme zu der Frage des technischen Aufwands. Es kann im Einzelfall vorkommen, dass hierbei technischer Aufwand besteht. Ich persönlich sehe es allerdings nicht als sehr problematisch  an, das trotzdem sehr niedrigschwellig zu halten. Ich würde mich - das sage ich deutlich - auch mit Excel-Tabellen zufriedengeben. Das ist ein Satz, der einem freien Software-Aktivisten nicht leicht über die Lippen kommt.

Die Frage des demokratischen Potenzials erschöpft sich aus meiner Sicht darin, dass wir, wenn wir das Parlament stärken, prinzipiell die drei Gewalten in der Gewaltenteilung und die demokratischen Abläufe stärken. Aber das demokratische Potenzial wird nicht nur durch die Senkung von Hürden, die wir haben, erreicht, sondern auch durch die Veröffentlichung, zum Beispiel an die sozialen und die wirtschaftlichen Verbände, die natürlich ebenso mit diesem Datenmaterial arbeiten. Wenn wir den Anspruch haben, dass Partizipation ein wesentlicher Teil der Demokratie ist, dann wird auch hier über die Öffnung der Daten hier demokratietheoretisch etwas gewonnen.
 
Zu den datenschutzrechtlichen Aspekten. Hierbei ist es so, dass die Informationen, die in den Antworten oder auch im Haushaltsvolumen vorliegen, ohnehin prinzipiell öffentlich sind. Tatsächlich gibt es allerdings Anfragen, die entweder den Bereich des Schutzes des Staates oder - sehr häufig - den Bereich der Schutzbedürfnisse Dritter tangieren. In diesem Fall halten wir es auch für geboten, nur jene Daten entsprechend bereitzustellen, die auch in die offiziellen Drucksachen der Landtagsverwaltung einfließen.
 
Zu den Urheberrechtsaspekten. Bei den zusammengetragenen Daten, die dann für die spätere Veröffentlichung gesammelt werden, handelt es sich um solche, die nach § 5 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes geregelt sind. Es sind die so genannten amtlichen Werke, für die kein Urheberrechtsanspruch besteht. Problematisch wird es unter Umständen bezüglich der unerlaubten Verwendung staatlicher Kennzeichen. Dies ist allerdings ein rechtliches Problem und sollte aus pragmatischen Gründen eine untergeordnete Rolle spielen.
 
Zur Frage des Arbeitsaufwands. In der Regel ist es so, dass die Verwaltung die Daten ohnehin zusammentragen, aggregieren und wegschicken muss. Das heißt, der Hauptaufwand - diesbezüglich sind wir uns hoffentlich einig - entsteht nicht durch die Veröffentlichung von maschinenlesbaren Daten. Der Hauptaufwand entsteht vielmehr durch das Zusammentragen dieser Daten, sprich den eigentlichen Sinn und Zweck einer Anfrage aus dem Parlament.
 
Ein zusätzlicher Aufwand würde durch die einmalige Einrichtung der Möglichkeit einer entsprechenden Veröffentlichung entstehen. Dies wäre etwa nötig, um zum Beispiel Tabellen oder statistische Daten, die in den Antworten auf Anfragen vorkommen, nutzen zu können. Ja, damit ist ein Arbeitsaufwand verbunden, aber im Vergleich zu dem Arbeitsaufwand, den Kleine oder Große Anfragen ohnehin verursachen, ist er gering.
 
Ich komme auf den Anspruch an Politik und Verwaltung zu sprechen. Es geht also um die Frage: Wollen wir möglichst wenig Daten nach außen geben? Wollen wir möglichst wenig Partizipation in diesem Land zulassen? Wie gehen wir damit um, dass wir der Öffentlichkeit gemeinnützige, ja fast schon gemeinfreie Informationen zur Verfügung stellen, damit diese für das Leben, für das Ehrenamt und dafür, sich selbst mit landesparlamentarischen Initiativen zu befassen, genutzt werden können?  
 
Das ist natürlich auch im demokratischen Potenzial schon enthalten. Aber ich sage auch: Das demokratische Potenzial besteht nicht einfach für sich, sondern es ist eine aktive politische Willensbekundung, zu sagen: Es ist unser Anspruch an die Politik, dass wir die entsprechende Partizipation herstellen.

Die Open-Knowledge-Foundation Deutschland, die ich Ihnen vor zwei Jahren bereits vorgestellt habe, hat rund um diese Debatten, die überall geführt werden, eine Chronik des geschlossenen Haushaltes erstellt. Diese ist lang, aus meiner Sicht lang genug, aber die Einträge werden tatsächlich lichter. Viele Länder beginnen, ihre Daten zu öffnen, eines nach dem anderen. Deswegen erreicht das ein immer höheres Niveau. Viele Länder machen das auch bereits auf einem höheren Niveau, als wir es heute fordern. Wir fordern ja nicht sehr viel. Aber ich möchte, dass in jener Chronik des geschlossenen Haushalts keine weiteren Einträge aus Sachsen-Anhalt mehr vorkommen.