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Jan Wagner zu TOP 16: Internetfähige Computer sind für das soziokulturelle Existenzminimum unverzichtbar

Um in Würde leben zu können, gilt in der modernen Zivilisation, sowohl nicht von Armut betroffen zu sein, als auch sich unabhängig von der Befriedigung der Grundbedürfnisse ein soziales, ein kulturelles und ein politisches Erleben zu erhalten. Während die Bemessung der Grundbedürfnisse Nahrung, Wohnung, Kleidung und medizinische Grundversorgung häufig unumstritten sind, da sie auch leichter messbar sind, ist die Frage, wie eine Mindestausstattung an sozialer, politischer und kultureller Teilhabe festgesetzt werden kann, schon nicht mehr so einfach.  
 
Heutzutage das Internet nicht nutzen zu  können - sei es temporär oder permanent - stellt einen Eingriff in die gesellschaftliche Teilhabe dar. Sind die Verfügbarkeit einer Internetverbindung sowie der dazugehörig en Technik, aber auch Teile des sogenannten soziokulturellen Existenzminimums für das gesellschaftliche Leben unverzichtbar? DIE LINKE beantwortet diese Frage mit Ja. Für uns ist klar, dass die Veränderungen in den letzten Jahren den privaten Netzzugang unabdingbar machen.
 
Die Herausforderungen in den nächsten Jahren lauten, zum Beispiel E-Government-Angebote, medizinische Beratung im Netz sowie Telefonkommunikation und Bildungsangebote - auch an Schulen - im Internet zur Verfügung zu haben. Insbesondere die Medienwelt als eine sich traditionell schnell wandelnde wird noch mehr Inhalte und Dienste ins Netz leiten.  
 
Das können wir leicht abschätzen, wenn wir uns anschauen, wie es bereits heute funktioniert. Schauen Sie etwa um 20 Uhr die „Tagesschau“, bei der zum Beispiel ein Beitrag zur Arbeitsförderung läuft. Dieser dauert maximal zwei Minuten, mehr bekommt man dort auch nicht unter. Also sagt die Nachrichtensprecherin oder der Nachrichtensprecher: Mehr Infos dazu im Internet. Dann schaut man halt nach  der eben auch nicht. Wenn man keinen Internetzugang hat, dann nicht.
 
Der Verweis in traditionellen Massenmedien auf zusätzliche aufbereitete Angebote im Netz nimmt zu. Auch die Volksbildung  findet heute im Internet statt. Der Kultusminister hielt heute für die Regierung die Rede zu dem Thema „80 Jahre Ermächtigungsgesetz“ und selbstverständlich verwies er in seiner Rede darauf, dass die Rede von Otto Wels im Internet nachzulesen sei.
 
Wir alle haben verstanden, dass der kulturelle Reichtum, zu dem die historisch-politische Bildung gehört, im Internet verfügbar ist. Wir haben es alle verstanden. Das Nutzungsverhalten hat sich dahin gehend entwickelt, dass dies eben oft in den Wohnungen und zeitunabhängig passiert. Die Idee, Internetversorgung zum Beispiel in Bibliotheken anzubieten, bleibt richtig. Es  reicht aber nicht, das Recht auf kulturelle Teilhabe zeitlich zu beschränken. Die entscheidende Frage ist nun, ob wir die Situation erreicht haben, dieses Nutzungsverhalten so anzuerkennen, dass es unerlässlicher Teil des soziokulturellen
Existenzminimums ist.
 
Ich sagte schon, dass das soziokulturelle  Existenzminimum bzw. seine Komponenten nicht so leicht quantifizierbar sind, wie  es manchmal bei den Grundbedürfnissen der Fall ist. Hierbei geht es traditionell um Aushandlungsprozesse der Sozialgerichtsbarkeit und die Bewertung beruht im Wesentlichen auf den Diskussionen im gesellschaftlichen und im  politischen Raum. Dies ist einer der Gründe, weswegen wir hier und heute den vorliegenden Antrag stellen.  
 
Weitere Teile enthalten den Fakt, dass eine verfügbare und nutzbare Internetverbindung heute essenziell ist, um ein würdiges Leben zu führen. Argumente gegen die Aufnahme als Teil des soziokulturellen Existenzminimums kommen noch von jenen, die dem widersprechen, und jenen, welche die Menge zum Erreichen dieses soziokulturellen Existenzminimums prinzipiell beschränken wollen und dies meist finanziell oder mit Abstandsgeboten begründen. Gerade Letzteres jedoch ist unsozial; denn der Begriff „Existenzminimum“ soll ja gerade aussagen, dass nichts von dem reduziert werden kann, ohne dass die Würde des Lebens eingeschränkt wird.
 
Diskutieren kann man indes darüber, wann genau der Zeitpunkt  erreicht ist. Für DIE LINKE ist dies bereits im letzten Jahr der Fall gewesen. Daher haben wir im Deutschen Bundestag die Gesetzgebung, die wir auch heute beantragen, gefordert. Denn erfahrungsgemäß vergeht doch einige Zeit zwischen der Feststellung eines Grundrechts und der gesetzeskonformen Umsetzung einer Ableitung dieses Grundrechts.
 
Das bringt mich zu dem zweiten Grund, den vorliegenden Antrag hier und heute einzubringen. Die Feststellung des Grundrechts ist nämlich frisch getroffen worden. Am 24. Januar dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof festgestellt: „Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem  die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“
 
Es sei - so heißt es weiter - ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Ich betone: ständige Verfügbarkeit von zentraler Bedeutung.
 
Um so schnell wie möglich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs zu reagieren, um Verzögerungen bei der Gesetzgebung zu verhindern, stellen wir den Antrag. Wir wollen heute offenlassen, welche Sozialgesetzbücher angefasst werden sollen. Diesbezüglich sollen der Landesregierung keine Hürden aufgebaut werden. Es liegt jedoch auf der Hand, dass mindestens das SGB II und das SGB XII betroffen sein werden.  
 
Im Fall des SGB II gibt es ein kleines Kuriosum. Im Regelsatz für Sozialleistungsempfängerinnen und -empfänger sind 3, 44 Euro für Informationstechnik sowie für Software vorgesehen. Die Anschaffung ist aber nicht geregelt. Die Zuteilung als Sonderbedarf wäre aus unserer Sicht eine geeignete Möglichkeit, dieses Kuriosum zu lösen. Wichtig ist auch, dass diese Technik nicht pfändbar ist. Wir müssen doch beim Bereitstellen entsprechender Infrastruktur konsequent sein, wie wir zum Beispiel im Bereich des Grundrechts auf Wohnen konsequent sind. Analog zu unseren Forderungen nach Abschaffung von Stromsperren muss die Pfändbarkeit der notwendigen Informationstechnik natürlich ausgeschlossen werden.  
 
Lassen Sie mich bitte noch ausführen, wieso wir die öffentliche Debatte über das Thema führen. Es geht um die Überwindung der digitalen Spaltung. Niemand, keine Partei hat ein halbwegs ausgegorenes Konzept zur Überwindung der digitalen Spaltung. Hier und da gibt es aber einzelne Maßnahmen - zum Beispiel mit diesem Antrag oder bezüglich des Themas Internetversorgung und Breitband -, dazu trotzdem einen Beitrag dazu leisten.  
 
Als gesellschaftliche Herausforderungen der nächsten Zeit sind aber Fragen der digitalen Spaltung nicht beantwortet. Am deutlichsten lässt sich die digitale Spaltung - neben der Nutzungsintensität - in den jeweilig en Altersspektren, im sozialen Status der Menschen in unserem Land erkennen. Im Digitalen setzt sich die soziale Spaltung der Gesellschaft verstärkt fort. Die soziale Spaltung der Gesellschaft zementiert sich weiter. Das belegt jährlich die Initiative D21 mit  dem (N)ONLINER-Atlas. Den führen wir gern an, wenn wir eine Ursache geringer Nutzung des Internets gesehen haben. Aber es steht natürlich noch weitaus mehr darin. Wenn man schaut, wo die größte Korrelation zwischen Internetnutzungsintensität und weiteren sozialen Statistiken besteht, stellt man fest, dass es die der sozialen Herkunft ist.  
 
DIE LINKE will die soziale Spaltung überwinden. Das muss der erste Schritt sein, damit es nicht noch schlimmer wird. Ich habe vorweggenommen: Auch wir haben diesbezüglich kein fertiges Gesamtkonzept.  Wir werden uns in der Fraktion allerdings noch in mehreren Diskussionen darum bemühen, diesbezüglich weiter voranzukommen. Bis dahin können wir jedoch alles tun,  damit es nicht schlimmer wird, und eben punktuell die soziale Spaltung verringern.

Nun hat der Fraktionsvorsitzende der CDU diesen Antrag zum Anlass genommen, uns Wahlkampf zu unterstellen. Na gut, kann man jetzt sagen. Wenn es  stimmt, dann ist es immer Wahlkampf, und vielleicht ist das auch so. Reagieren muss ich trotzdem auf diese Bemerkung, denn wir reagieren mit diesem Antrag auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Nach meiner Auffassung steht er nicht vor einer Wahl. Was will man dann dem BGH unterstellen?
 
Zudem versuchte damit Herr Schröder das  angesprochene Thema zu bagatellisieren. Das wird dem Problem der sozialen Spaltung in dieser Gesellschaft, mit dem wir konfrontiert sind, überhaupt nicht gerecht.
 
DIE LINKE hält es für geboten, neben Internetanschlüssen in Wohnungen auch die dazugehörige Informationstechnik als Teil des soziokulturellen Existenzminimums anzuerkennen. Daher fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat für eine dies realisierende Sozialgesetzgebung zu sorgen.