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Jan Wagner zu TOP 12: Gegen das Leistungsschutzrecht im Bundesrat Einspruch erheben

Am 1. März 2013 beschloss der Deutsche Bundestag das Leistungsschutzrecht. Morgen entscheidet der Bundesrat, ob er Einspruch gegen diese Änderung des Urheberrechtsgesetzes einlegt. DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, dem zuzustimmen. Wir lehnen das Leistungsschutzrecht ab.

Die Geschichte eines Leistungsschutzrechts ist älter und schaffte es im Jahr 2009 in den Koalitionsvertrag von  CDU, CSU und FDP auf Bundesebene. Erfolgreich gelang es einzelnen Verlegern, den politischen Entscheidungsträgern zu suggerieren, das Leistungsschutzrecht sei eine angemessene gesetzgeberische Reaktion auf die Herausforderungen von Journalisten und Verlegern durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft.
 
Nun gibt es viele Themen, bei denen man ein solches Vorgehen erkennen kann. Das Leistungsschutzrecht weist jedoch etwas Besonderes auf. Nur sehr selten werden Maßnahmen tatsächlich beschlossen, wenn es eine so breite Ablehnung des Instrumentes gibt, wie es hier der Fall  ist. Vergleichbares hat es in dieser Bundestagslegislaturperiode nur mit der  als Mövenpick-Steuer titulierten Steuersenkung bei den Hotels gegeben. Ich gebe zu, die Emotionen beim Leistungsschutzrecht schlagen nicht ganz so hoch, wie damals bei der Umsatzsteuersenkung für Hotelbesuche. Das nimmt aber nichts von der politischen Brisanz.
 
Worum geht  es beim Leistungsschutzrecht? Es geht um eine zu entrichtende Gebühr für Firmen und Personen, die  frei zugängliche Presseerzeugnisse verlinken, zitieren  oder neu aggregieren, soweit diesen ein kommerzielles Interesse zugeschrieben wird. Die Gebühr soll an die Verwerter entrichtet werden. Eine Vergütung der Urheber soll angemessen erfolgen. Was das ist und wer es bestimmt, das ist nicht sicher  geregelt. Dies ist auch nicht die einzige Rechtsunsicherheit beim Leistungsschutzrecht.
 
Aber gut, wenn ich mir die Gesetzgebungsinitiativen zu Fragen der Digitalisierung und des Internets anschaue, dann komme ich ohnehin zu dem Schluss, als wollen jene, die noch vor einiger Zeit von einem vermeintlichen rechtsfreien Raum im Internet sprachen, erreichen, dass letztlich durch eine Fülle von danach geschaffenen Rechtsunsicherheiten dieser rechtsfreie Raum tatsächlich einst eintreten soll. Politisch motivierte, selbsterfüllende Prophezeiungen, die der Sache aber nicht dienen.
 
Die Probleme beim Leistungsschutzrecht liegen auf der Hand, wenn man versteht, wer mit den Regelungen getroffen werden soll. Nicht umsonst wurde die aktuelle Initiative als Springer-Google-Gesetz in der Bundeshauptstadt diskutiert.  

Ich will zunächst auch bei diesem Beispiel bleiben, wenngleich ich vorweg betone, es ist erst einmal nur ein Beispiel. Wenn Sie  heute im Netz nach Presseartikeln suchen, gehen Sie in der Regel zur Suchmaschine  Ihrer Wahl und finden diese dort, oft auch mit ersten Inhalten der Artikel, mit Fotos  oder Illustrationen. Ich mache das auch, und zwar mit dem Ziel, für ein Thema, für das ich mich interessiere, möglichst viele und viele unterschiedliche Artikel zu finden. Das sind nicht nur Meldungen von Agenturen oder größeren Verlagen, es sind Blogs, es sind kleine Websites, die Zeitungsartikel auszugsweise nach dem Zitatrecht verwenden oder eben auch Artikel kleinerer Verlage.

Es hat sich eine Gewohnheit entwickelt,  die aus meiner Sicht, besonders in Deutschland, auf eine bestimmte Suchmaschine zielt. Sollen Sie die Gefahr eingehen, in Ihrer Gewohnheit demnächst nur noch Artikel von größeren Verlagen zu finden, da es diese sind, welche die Leistungsschutzrechtsgebühr entrichten können oder anderweitige privatwirtschaftliche Verträge mit dem Suchmaschinenbetreiber überhaupt haben abschließen können?
 
Es gibt viele Möglichkeiten, die Monetarisierung für traditionelle Verlage auch im Netz zu erhalten. Zugegeben, diese sind auch häufig nicht sehr populär. Aber viele Verlage experimentieren schon, wie ihre Geschäftsmodelle in Zukunft aussehen können. Diese wissen auch, was ich hier und heute noch einmal herausstellen muss: Es ist nicht die Aufgabe von Politik, tradierte und rein private Geschäftsmodelle künstlich am Leben zu halten.

Wenn das Gewohnheitsrecht besteht und wir alle demnächst nur einen eingeschränkten Teil der Presseerzeugnisse finden, so erkenne ich auch eine Einschränkung der Informationsfreiheit gemäß § 5 des Grundgesetzes. Das ist sehr problematisch. Aber wir können doch nicht immer auf die Gerichte warten, bis sie dem Gesetzgeber seine Grenzen aufzeigen.

Damit bin ich bei den „kleinsten Textstellen“. Noch kurz vor der Beschlussfassung im Deutschen Bundestag wurde der Entwurf dahin gehend geändert, dass „kleinste Textstellen“ vom Leistungsschutzrecht aus genommen seien. Definition: Fehlanzeige. Die nächste Rechtsunsicherheit erfolgreich von Union und FDP beschlossen. Darunter werden in der Praxis vor wiegend die Urheberinnen  und Urheber leiden.
 
Vehement fordert der Deutsche Journalistenverband den Einspruch der Länder gegen das Leistungsschutzrecht. Der Vorsitz ende, Michael Konken, hat unlängst die Ministerpräsidenten darauf hingewiesen. Aber selbst die SPD, die das Leistungsschutzrecht insgesamt ablehnt, ist heute Koautor des Alternativantrages, der das Leistungsschutzrecht nicht nur gestalten will, sondern warten will, ob die vom DJV bereits jetzt formulierten negativen  Auswirkungen dann auch noch eintreten.
 
Nun hat nicht nur der Deutsche Journalistenverband seine Ablehnung erklärt. Dass Google hier eine Kampagne fährt, ist klar. Es  geht schließlich um seinen Teich, der hier ein wenig trockener gelegt soll. Aber wer lehnt das Leistungsschutzrecht noch ab?
 
Die Jugendverbände aller im Bundestag vertretenen Parteien, somit zum Beispiel auch die Linksjugend Solid, sind  gegen das Leistungsschutzrecht. Die Bundestagsfraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sind gegen das Leistungsschutzrecht. Aus den Reihen von CDU und CSU gab es starke Bedenken. Ich zitiere den CDU-Bundestagabgeordneten Siegfried Kauder: „Das Leistungsschutzrecht steht zwar im Koalitionsvertrag verankert, aber der Bundestag kann ein solches Gesetz nur beschließen, wenn jemand klar in Worte fasst, welche Leistung dort eigentlich  geschützt werden soll. Das haben die Presseverlage bisher nicht getan.“  
 
Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco ist gegen das Leistungsschutzrecht. Ich bin jetzt gar nicht so sehr in der misslichen Lage, die CDU zu bitten, ihren Einsatz für die Marktwirtschaft wieder zu entdecken.

Morgen hat Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Geburtstag.  Frage: Schenkt die CDU ihm dann ausgerechnet das Durchwinken de s Leistungsschutzrechtes, zu dem jeder Branchenverband tituliert: Marktwirtschaft ade!  
 
Ich will die Ablehnung des Leistungsrechts  auch wirtschaftspolitisch begründen. Kleinere Anbieter von journalistischen Erzeugnissen, ab er auch kleinere Informationsbereitsteller im Netz werden in der Regel nicht die Möglichkeit haben, abzuschöpfen oder abschöpfen zu lassen. Si e werden unter Umständen nicht in die Lage versetzt, mit großen Nachrichtenaggregatoren oder Suchmaschinenbetreibern individuelle privatwirtschaftliche Verträge abzuschließen. Davon betroffen sind besonders die Startups. Der digitale Markt ist ein Innovationsmarkt. Machen Sie es den kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht noch schwerer, als sie es ohnehin schon gegen die Riesen haben.

Nicht nur der Deutsche Journalistenverband, sondern auch andere aktive Urheberinnen und Urheber  haben dem Ministerpräsidenten geschrieben. Darunter befand sich auch ein Schreiben aus dem Dunstkreis des Gesprächskreises Netzpolitik und digitale Gesellschaft beim SP D-Parteivorstand. Vertraut die sachsen-anhaltische SPD ihrem Parteivorstand so wenig, dass sie heute beschließen will, im Nachgang erst noch einmal zu prüfen: „…ob die mit der Gesetzesänderung verfolgten Ziele vollständig erreicht werden können und Presseverleger vor  systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch Anbieter von Suchmaschinen und solchen Diensten, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten, wirksam geschützt werden.“ Diese Erkenntnisse liegen durch die Anhörung im Bundestag bereits vor.  

Gerade durch die breite politische und gesellschaftliche Ablehnung bietet sich das Thema an, um sehr früh im Jahr für Wahlkampf zu sorgen. Dies ist dann auch mit sehr viel Show verbunden. Das finde ich auch alles legitim. Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich entschieden, die Frage der Beurteilung des Leistungsschutzrechtes zur Chefsache zu machen. Er sprach auf der CeBIT ausnahmsweise einmal Klartext und formulierte: „Ich denke, die SPD ist gut beraten, dieses Leistungsschutzrecht im Bundesrat zu kippen.“ Er hatte Beinfreiheit gefordert. Ich finde, die SPD in Sachsen-Anhalt ist gut beraten, ihm bei diesem Thema Beinfreiheit zu gewähren.  

Nun gab es heute im Verlauf des Tages doch einige Wandlungen. Noch zuletzt gab es eine aktuelle Pressemitteilung von Peer Steinbrück, der zurückrudert und sich selbst revidiert. An und für sich ist das nicht schlimm, aber leider macht er es beim falschen Thema. Er sagt: Wir als SPD werden das erst einmal nicht stoppen, weil wir sowieso die nächste Bundestagswahl gewinnen. Dann machen wir genau dasselbe, aber dann ist es wenigstens von uns. Das ist inhaltlich eine komplette Kehrtwende. An dieser Stelle habe ich mir von der SPD doch ein wenig mehr erhofft. Aber es beweist, dass Aussagen, die in der Vergangenheit kämpferisch und klar getroffen wurden, im Grunde genommen gar nichts mehr wert sind. Deswegen bedauere ich die Meldungen, die heute im Netz zum Leistungsschutzrecht von der SPD die Runde machten.  
 
Die SPD hat nach der Wahl in Niedersachsen angekündigt, sie wolle jetzt jede Möglichkeit nutzen, Schwarz-Gelb im Bundesrat vor sich herzutreiben. Ich will jetzt nicht darauf eingehen, dass es keine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat gibt, das wissen Sie alle, denn Sie alle können rechnen. Das ist aber kein Problem, denn Brandenburg unter einer rot-roten Regierung  möchte das Leistungsschutzrecht auch kippen.  
 
Frage: Warum will die SPD wiederholt die Mehrheit im Bundesrat nicht nutzen, um gegen die Vorhaben von Union und FDP im  Bund vorzugehen, wenn die SPD der Meinung ist, dass die Instrumentarien nicht greifen und man das eigentlich alles nicht brauchte. An dieser Stelle enttäuschen Sie leider wiederholt.  

Das Leistungsschutzrecht ist untauglich, um auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu reagieren. Das Leistungsschutzrecht ist untauglich,  Urheberinnen und Urheber gerade auch gegenüber den Verwertern zu stärken. Das Leistungsschutzrecht birgt die Gefahr, dass die Informationsfreiheit eingeschränkt wird. Das Leistungsschutzrecht schafft allenfalls eine Hürde für Innovationen in der digitalen Gesellschaft und einen neuen Abmahnmarkt für darauf spezialisierte Anwälte.  
 
Die LINKE fordert daher heute: Die Landesregierung soll dem Einspruch gegen das Siebente Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes zustimmen und auf diese Weise das Leistungsschutzrecht kippen.