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Jan Wagner zu TOP 05: Vorvertrag mit Microsoft kündigen

Nach meiner Einschätzung gibt es hier und heute nach wie vor einen breiten Konsens zwischen allen vier Fraktionen darüber, dass wir unverzüglich unsere Schulen ertüchtigen müssen, um unseren Schülerinnen und Schüler den Erwerb von Medienkompetenz auch in unseren Schulen gewähren zu können. Ich verbinde mit unserer heutigen Plenardebatte zu einem aktuellen und jenseits dieses Konsens’ doch konkreteren Anlasses die Hoffnung, dass uns dieser auch am Ende der Debatte noch eint.

Zum Ende der fünften Legislaturperiode beauftragte der Landtag die Landesregierung, Initiative zur Medienkompetenzvermittlung zu ergreifen. Daraufhin installierte das Kultusministerium eine Arbeitsgemeinschaft Medienkompetenz, die nun seit ca. vier Jahren arbeitet und bereits Maßnahmen in ihren Berichten zu Papier gebracht hat.
Vertreter aus der Arbeitsgemeinschaft, z.B. das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung, LISA, der Landesbeauftragte für den Datenschutz, LfD, sowie der Verband der IT- und Multimediawirtschaft, VITM, lassen seitdem auch kaum eine Gelegenheit aus, uns darauf hinzuweisen, dass diese auf erste Umsetzungen im Land warten. Auch DIE LINKE Landtagsfraktion wartet.

Im Februar 2012 fordert die Fraktion DIE LINKE im Rahmen eines Antrages, der drauf abzielte, den sog. Schultrojaner zu verhindern, bereits freie Bildungsmaterialien gestärkt zu fördern.

DIE LINKE hat in der letzten Zeit mit vielen Personen geredet, die in unterschiedlichen Institutionen mit dem Thema „Medienbildung“ betraut sind. Vor allem zeigt sich, dass Lehrerinnen und Lehrer Kompetenzen aufbauen müssen und Medienbildung im Unterricht mit einfließen zu lassen.

Erste Erfolge sehen wir in einer im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft erfolgten Beschlussempfehlung zur Lehrerausbildung vom Anfang des Jahres. In unserer Bemühung die Medienbildung im staatlichen Schulsystem stärker zu verankern und die Ergebnisse, die im Land Sachsen-Anhalt erarbeitet worden sind, zu nutzen, wurden wir dann, wie fast alle mit dem Thema befassten Institutionen von einer Pressemitteilung aus dem Finanzministerium während der diesjährigen CeBIT überrascht. In dieser kündigt der Beauftragte der Landesregierung für die Informationstechnik, unser CIO Herr Staatssekretär Richter, eine Vereinbarung über eine Lernoffensive zwischen dem Land und einem privaten Partner, hier Microsoft, an. Und keiner weiß von was.

Was mache  ich in diesem Falle als Abgeordneter vor lauter Schreck? Ich stelle erst einmal eine kleine Anfrage, zu der Stand jetzt die Antwort aussteht. Was machen wir als Fraktion? Wir sprechen so schnell wie möglich das Thema im Fachausschuss an und stellen fest: Sonderlich anders erfährt der Kultusminister nicht von der Maßnahme als wir. Der für Schulen zuständige Minister erfährt von einer Vereinbarung des Landes bzgl. einer Lernoffensive an unseren Schulen selbst nur aus der Presse. Was steht fest? Hier und heute wissen wir nur, dass die Landesregierung von sich aus dem privaten Dritten die Absicht bekundet, mit ihm bis zum 30.05.2015 Folgeverträge abzuschließen. Das Thema wird dadurch akut, und wir als Landtagsfraktion haben keine andere Möglichkeit, darauf wirklichen Einfluss zu nehmen, als die Aufkündigung dieser Absichtserklärung einzufordern.

DIE LINKE hält die Vereinbarung des Landes mit dem privaten Partner, den beide Letter of Intent nennen, sowohl bzgl. dessen Inhalt als auch bzgl. des Vorganges rund um diesen Vorvertrag für bedenklich.

Erstens: Wie besprechen sich in unserem Land zuständige Ministerien? Wer ist hier Koch und wer Kellner?
Mit Beginn der Legislaturperiode führt die Regierung die begrüßenswerte Position eines Landes-CIO ein, also einer Person, welche die öffentliche IT des Landes im Sinne der Regierung koordinieren und voranbringen soll. Neu am Vorgang des Vorvertrages mit Microsoft ist, dass der CIO von der Landesregierung offenbar eine solche Kompetenz verliehen bekommen hat, Absprachen mit den Fachministerien bzgl. der IT nicht mehr treffen zu müssen. Das empfinde ich als eine fatale Entwicklung. Der CIO des Landes muss von sich aus sehen, dass er über so weitreichende IT-Vorhaben, wie sie nun im Letter of Intent als Absicht der Landesregierung formuliert sind, den Fachminister konsultieren muss. Ich wünsche mir, dass eine „Absicht des Landes“ auch gegenüber wirtschaftlichen Partnern eben nicht nur die eines CIO ist, sondern eines Kabinetts in seiner Gesamtheit, dem ein CIO verpflichtet ist.

Zweitens: Wie hatte die Regierung eigentlich die Einbindung des fachlich zuständigen Ausschusses für Bildung und Kultur geplant? In der vorletzten Woche tagte der Bildungsausschuss, u.a. um durch eine Selbstbefassung der CDU-Fraktion eben genau Fragen der technischen Schulausstattung zu beraten. Zu diesem Zeitpunkt, ca. 3 Wochen nachdem auch das Kultusministerium Kenntnis des Letters of Intent hatte, konnte dem Ausschuss keine konkreten Punkte genannt werden. Ich bedanke mich daher bei allen Ausschussmitgliedern, dass sich diese wegen der Dringlichkeit für diese Sitzungsperiode auf eine Sondersitzung des Bildungsausschuss’ einigen konnten.

Drittens: Wie ist der Letter of Intent zu werten? Hier steht nun seitens des CIO die Aussage im Raum, der Vorvertrag sei lediglich als unverbindliches Angebot zu verstehen.
Was für ein Unsinn. Die Vereinbarung spricht klar eine Absichtserklärung gegenüber der Firma Microsoft aus. In keinem Wort wird dem wirtschaftlichen Partner verdeutlicht, dass die Regierung die Vereinbarung im Land als Angebot verkaufen will. Es ist dreist, die Vereinbarung als Angebot klein zu reden und es ist unschicklich einem  potenziellen wirtschaftlichen Partner des Landes solche Fehleinschätzungen zu geben.
Der Letter of Intent ist sicherlich kein neutrales Angebot, um mal über was auch immer diskutieren zu können. Es ist nichts anderes als ein Schnellschuss. Der Letter of Intent enthält, je nach Ausgestaltung der tatsächlichen Folgeverträge, Kompetenzabtretungen des öffentlichen Raumes, wohl weit über die IT-Technik hinaus. Mit Software-Lizenzen und Zugriff auf Bildungsinhalte wird ein PPP-ähnliches Modell für den Bildungsbereich geschaffen, ohne dass auch nur eine relevante Instanz über diesen Schritt informiert worden ist.

Viertens: Wie hatte der CIO eigentlich vor, den Datenschutz zu gewährleisten? Aus der Vereinbarung geht hervor, dass die Personendaten von allen Lehrerinnen und Lehrern sowie allen Schülerinnen und Schülern, also ca. 200.000 Menschen im Land Sachsen-Anhalt, zentral in ein Verzeichnis bei Microsoft landen sollen. Und mir ist zunächst weniger wichtig, /wo/ die Daten gespeichert sind, sondern /wer/ über die Daten verfügt. Dass der LfD nicht einmal Bescheid wusste, geschweige denn offiziell konsultiert wurde, schlägt dabei dem Fass den Boden aus. Datenschutz muss immanenter Teil unserer Schulen bleiben, auch der digitalen Schulen. Das muss die Absicht des Landes sein und diese Absicht müssen Vertreter des Landes gegenüber potenziellen Partnern formulieren.

Fünftens: Wann soll denn die Anbindung des LISA in den Prozess erfolgen? Wir haben in Sachsen-Anhalt ein eigenes Landesinstitut, welche unter anderem den Bildungsserver betreibt und selbst Lehr-Lern-Materialien unseren Schulen zur Verfügung stellt. Mit der Umsetzung von Programmen wie STARK III werden die Schulen des Landes komplett darauf zugreifen können. Zudem ist das LISA die Institution, die sicherstellt, dass die Digitalisierung des staatlichen Bildungsbereichs eben auch unter pädagogisch sinnträchtigen Gesichtspunkten erfolgt. Digitalisierung bedeutet für Schule eben nicht nur mehr Technik. Sie muss pädagogischen Grundsätzen folgen und eine sinnvolle Erweiterung von bisherigen Unterrichtsmodellen sein. Das ist auch eine Forderung der LINKEN: Digitalisierung der Schule nutzen um mit diesen neuen Möglichkeiten die Lehr-Lern-Kultur entscheidend voranzubringen. Ausgerechnet jene Pädagogen, die sich hier seit Jahren um die Medienbildung bemühen, werde vor Abschluss der Vereinbarung nicht einmal zu Kenntnis genommen.

Sechstens: Wie erfolgt die Anbindung der AG Medienkompetenz des Kultusministeriums? Nun hat die Landesregierung der letzten Legislaturperiode nicht umsonst eine solche Arbeitsgruppe eingesetzt. Den Unmut vieler in dieser AG, dass deren Vorschläge nur ungenügend in politische und operationalisierte Programme münden und Umsetzung finden, ist sehr laut. Aber die AG hat über Jahre im Auftrag der Regierung gearbeitet. Es gibt keinen Grund sich über die eigenen Gremien so lapidar hinwegzusetzen.

Siebentes: Wie soll die Anbindung der Schulträger erfolgen? Die Vereinbarung mit Microsoft spricht davon, Lizenzen bereitzustellen – soweit, so OK – und allen Schulen mit den Zugängen auszustatten, die auch Lehr-Lern-Inhalte betreffen. Die Schulträger sind aber die Kommunen. Und die Frage der Lehrmittelfreiheit ist offen. Wollte die Regierung wieder über die Kommunen hinweg entscheiden. Ich bin dafür Vereinheitlichung durch Digitalisierung zu schaffen. Eine eindeutige Meinung, wie Lehrmittelfreiheit in Zeiten der Vernetzung und eines Bildungsservers aussieht. Aber ich hege den Wunsch, nicht einfach über solche Fallstricke hinweg zu entscheiden und auch die Schulträger zu den Landesabsichten zu befragen. Kommunikation ist ja wohl das mindeste.

Achtens: Wie geschieht die Anbindung der Wirtschaft? Gut, die wusste offensichtlich Bescheid.

Neuntens: Gab es nicht auch Absichten den öffentlichen Dienstleisters Dataport mit IT-Ausstattung zu betrauen? Ich weiß nicht, inwiefern Dataport sich zurzeit zu seiner Möglichkeit geäußert hat, in Sachsen-Anhalts Schullandschaft IT-Beschaffung zu tätigen. Dataport solle ja dem Land günstiger kommen und auch der einheimischen Wirtschaft Anschlussaufträge bereitstellen. Microsoft hat meines Wissens nach keine Niederlassung in Sachsen-Anhalt. Und mit dem zentralen Dienstleister sollen doch finanzielle Synergien drin sein. Zwar hat das Finanzministerium im Einzelplan 19 eigene Mittel zur IT-Ausstattung der Schulen. Doch gerade auch dieser Bereich ist ja nicht Kern der Vereinbarung, die nun auf der CeBIT vorgestellt worden ist. Kämen die Aussagen zur Finanzierung dieses Vorhabens in dieser oder einer ähnliche Situation von uns, wir wären von Ihnen bereits als regierungsunfähig attribuiert worden. Und dann auch mal ausnahmsweise zurecht.

Zehntens: Wie informieren Sie die Öffentlichkeit? Wie unsere Schüler, Lehrer und Eltern?
Natürlich werden sich Eltern fragen, ob sie ein Widerspruchsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben. Natürlich wird die Öffentlichkeit genau hinschauen, welche Nichtabsprachen in Sachsen-Anhalt kabinettsintern stattfinden. Natürlich werden viele Schülerinnen und Schüler es nicht wollen, dass ihre Aktionen in den Cloud-Anwendungen bei einem wirtschaftlichen Partner als Datenpunkte anfallen und sich anhäufen. Ich erkenne nicht, dass die Öffentlichkeit bei einer solch sensiblen Maßnahme durch die Regierung in einer angemessenen Form informiert worden ist. Und auch das ist ja wohl nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit.

Was sollen und was können wir also tun?

Die erste Maßnahme, die wir heute diskutieren ist die Kündigung des Letters of Intent seitens des Landes. Es ist die einzige Möglichkeit für uns als Landtag – nicht nur als Opposition – einen verbindlichen Auftrag zu diesem Schnellschuss der Regierung entgegenzusetzen.

Doch es muss weitere Folgen geben. Dies ist nicht unser letzter Antrag zur Medienbildung in unserem Land, den wir in dieser Legislaturperiode noch stellen. Wir wollen Medienbildung sicherstellen, indem Schülerinnen und Schüler mit der gegebenen Vielfalt von IT-Technologie vertraut gemacht wird und somit in der Anwendung von Techniken die entsprechende Kompetenz erwerben.

Bei den Lehr-Lern-Materialien wollen wir uns auch den Open Educational Ressources, OER, öffnen. Sie können Teil eines vielfältigen Bildungsangebotes sein. Sogar in der KMK beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit diesem Thema.

Mittelfristig wollen wir eine erfolgreiche Medienbildung in Sachsen-Anhalt realisieren. Das geht nur wenn die Regierung, die Personen und Institutionen im Land anhört, statt sie zu verprellen und lernt, dass die digitale Schule ein Raum der Pädagogik bleibt.

DIE LINKE will, dass die Digitalisierung vor der Schule nicht haltmachen darf. Als Ort hochwertiger Bildung muss die Digitalisierung in den Schulen mit den richtigen pädagogischen Mitteln als Herausforderung verstanden werden. Digitalisierung ist eben nicht nur mehr Technik, sondern eine höhere Nutzung digitaler Technik zu einem höheren Zweck: der Sicherstellung des Bildungsniveaus in unserer digitalen Schulen.