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Henriette Quade zu TOP 01: Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht für Polizisten und Polizistinnen des Landes Sachsen-Anhalt / Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes

Ordnungs- und Sicherheitspolitik sind eines der am kontroversesten diskutierten und sensibelsten Politikfelder und entscheiden maßgeblich darüber, in was für einer Gesellschaft wir leben.

Politik steht hier in der Verantwortung, Ängste und Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und in der politischen Debatte auf sie einzugehen, keine Frage. Es ist aber auch unsere Verantwortung, Ängste, dort wo sie objektiv unbegründet sind abzubauen, und ihnen in der sachlichen und fachlichen Debatte entgegenzutreten. 

Nicht erst seit dem 11. September 2001, aber massiv durch die schrecklichen Ereignisse dieses Tages verstärkt, erleben wir mehrheitlich jedoch das Gegenteil.
Immer neue technische Möglichkeiten verlangen in der Logik aller Gesetzgeber der letzten Jahre nach immer neuen staatlichen Befugnissen. Eine seriöse Evaluierung von Nutzen und Schaden der getroffenen Maßnahmen fehlt derweil weitgehend.

In diese - wenn man so will - Tradition stellt sich die Landesregierung mit ihrem hier zur Beschlussfassung stehenden Gesetzesentwurf.

Gehen wir ins Detail gehen und schauen uns § 41 an, also die Zwangstestung, weil, so die Neuformulierung, es zu einer Übertragung besonders gefährlicher Krankheitserreger gekommen sein kann und die Kenntnis des Untersuchungsergebnisses zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Ein massiver Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen, zudem ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Inkaufnahme der Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsmöglichkeit vor einer Testung auf HIV. HIV und Hepatitis waren im ursprünglichen Gesetzentwurf noch explizit als mögliche Verdachtsfälle aufgeführt, jetzt wie gesagt nur noch "gefährliche Krankheitserreger". Die Landesregierung behauptet hier also dringenden Regelungsbedarf im Gefahrenabwehrbereich. Nun nimmt man an, dass, wenn der Regelungsbedarf so dringlich sei, es dafür Beispielfälle gäbe. Es gibt sie nicht. Aus der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage geht hervor, dass in den letzten 5 Jahren kein einziger Fall einer HIV oder Hepatitisinfektion im Dienst gemeldet wurde. Auch beim BKA hat es in den vergangenen 10 Jahren keinen solchen Fall gegeben. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, in der die Bundesregierung ebenfalls zum Ausdruck bringt, dass sie keinen Handlungsbedarf für die Einführung solcher Zwangstests sieht, wie sie in Sachsen-Anhalt vorgesehen sind.

Soweit die Frage des Regelungsbedarfs und der Notwendigkeit. Inwieweit ist ein zwangsweise durchgeführter Test nun in der Lage, die Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person zu verringern oder abzuwehren? Eine Infektion hat stattgefunden oder sie hat nicht stattgefunden. Ein Test hat darauf keinen Einfluss. Die Expertinnen und Experten verweisen im Fall von HIV auf das diagnostische Fenster, einen Zeitraum von 3 Monaten, in dem eine Infektion vorliegen, aber noch nicht sicher diagnostiziert werden kann. Das Robert-Koch-Institut weist zudem darauf hin, dass es selbst bei positivem Testergebnis des angenommenen "Gefährders" nicht unbedingt zu einer Übertragung gekommen sein muss. Medizinische Sicherheit lässt sich also weder von der einen Seite noch von der anderen mit einem solchen Zwangstest erzielen.

Welche Tatsachen sollen es nun sein, die die Annahme rechtfertigen, dass von einer Person eine Gefahr ausgegangen ist? Ich will dazu den Sachverständigen Charles von Denkowski zitieren, Kriminologe, Polizeiwissenschaftler, Dozent an der Hessischen Hochschule der Polizei, der in seiner Stellungnahme zum SOG schrieb:
"Welche Fälle des polizeilichen Dienstalltags soll diese Vorschrift erfassen? Den hustenden Obdachlosen? Den illegal Aufhältlichen mit auffälligem Ausschlag auf dem Oberarm? Den verwahrlosten psychisch Kranken? Ein schweigende Person, bei welcher eine Spritze gefunden wurde, die aber, wie sich ex post herausstellt, einzig dem Konsum von Insulin dient, was nicht auf ansteckende Pathologien hinweist?!"
Und er beschreibt damit, wie ich finde, sehr eindrücklich die wahrscheinlichen Folgen des unkonkret definierten Anwendungsbereiches und kommt schließlich zum Fazit: "Der Wortlaut des Entwurfs der Landesregierung bewirkt eine Stigmatisierung von Bürgern ihrem äußeren Zustand nach, den Polizeibeamte bewerten dürfen."

Deswegen lehnen wir diese Neuregelung als unnötig, als politisch falsch und auch als verfassungswidrig ab und beantragen die ersatzlose Streichung.

Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen, der in den Augen unserer Fraktion einen unzulässigen - und so wie es im Gesetzestext formuliert ist - auch unnötigen Eingriff in die Grund- und Bürgerrechte darstellt. Mit § 33 will die Landesregierung die Polizei ermächtigen, bei entsprechend eingeschätzten Gefährdungslagen, mobile Kommunikation zu unterbrechen - "örtlichen Bereich, Zeit und Umfang der Maßnahmen ordnet der Behördenleiter oder ein von ihm beauftragter an". Eine unbestimmte Vielzahl von Kommunikationsverbindungen könnte bei  "Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes" unterbrochen oder blockiert werden. Das hat weder etwas mit Bestimmtheit noch mit Verhältnismäßigkeit zu tun. Diese Regelung würde es auch erlauben, wenn die Polizei in Anbetracht einer bevorstehenden Demonstration annimmt, dass es beispielsweise zu Landfriedensbrüchen o.ä. kommen könnte, präventiv Kommunikationsverbindungen weiträumig zu blockieren. Das würde den Abhörskandal von Dresden im Jahr 2011, wo während der Demonstrationen und Kundgebungen gegen den jährlichen Naziaufmarsch im Februar, über 1 Million Verbindungsdaten erfasst und aufzeichnet wurden, darunter die von Anwälten, Abgeordneten, Journalisten und Anwohnern, noch übertreffen.

Das würde Grundrechte unverhältnismäßig einschränken. Das sind repressive Elemente und es sind Elemente der Überwachung und auf die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit bzw. Nichtzulässigkeit dieses Paragraphen wurde in der Anhörung auch eindringlich hingewiesen.

Nun sagt die Landesregierung - das meinen wir doch gar nicht, die Opposition sei hysterisch, die Experten hätten sie nicht richtig verstanden. Es müsse doch möglich sein, wenn jemand eine Bombe mit einem Handy oder ähnlichem steuern wolle, dies zu verhindern. Hier haben wir keinen Dissens. Allein: Wenn es Ihnen um diesen Fall geht, dann schreiben Sie es doch auch so ins Gesetz - wir haben einen klaren Formulierungsvorschlag dazu gemacht.

Ein dritter wesentlicher Kritikpunkt ist die Möglichkeit des Einsatzes von Späh- und Schnüffelsoftware im Gefahrenabwehrbereich, § 17 a und b. 2008 schuf das Bundesverfassungsgericht hohe Hürden für den Einsatz von Späh- und Schnüffelsoftware und entwickelte dabei quasi ein neues Grundrecht: Die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Ende 2011 deckte der Chaos Computer Club (CCC) auf, dass der so genannte »Bundestrojaner« die vom BVerfG gesetzten Grenzen deutlich sprengt: »Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware. Aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern entstehen außerdem eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten Rechnern, die auch Dritte ausnutzen können.", so die Einschätzung des CCC. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Implementierung eines in legalem Rahmen operierenden Staatstrojaners unmöglich ist, weil eine restlose Kontrolle der Software durch den Gesetzgeber nicht möglich ist.

Der Landesregierung ist das offenkundig egal. Sie schafft mit dem neuen Polizeigesetz die Rahmenbedingungen für diesen, davon sind wir überzeugt,  rechtswidrigen Einsatz von Staats- oder Bundestrojanern und anderen Ausspähprogrammen. Und auch dazu sagen wir Nein.

Ich will auf einen vierten Punkt eingehen, der wie viele andere vorgesehen Befugnisse als Maßnahme zur Eigensicherung von PolizistInnen und Polizisten gelten soll. Mit § 16 soll die Polizei ermächtigt werden, bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen im Öffentlichen Raum Videoaufzeichnungen anzufertigen, wenn anzunehmen ist das diese für die Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben der Polizeibeamten erforderlich ist. Zunächst mal ist augenscheinlich, dass eine Kamera in der Hand keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren vermag. So ist es auch folgerichtig, dass die wenigen Befürworter dieser Regelung, also die Gewerkschaften der Polizei ihre Befürwortung aus der möglichen Rolle solcher Aufzeichnung für die Beweissicherung abgeleitet haben. Das ist hochproblematisch, weil damit eine Beweissicherung vor einer möglicherweise stattfindenden Tat stattfindet.  Zugleich wird damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen, aber auch zufällig vorbei laufender Passanten oder von Mitfahrern massiv eingeschränkt.

Mögliche Einsatzsituationen sind aber eben auch  Kontrollpunkte, die die Polizei im Vorfeld von Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes einrichtet, um die Anreise zu kontrollieren. Mit der hier vorgesehenen Norm besteht die reale Gefahr einer Registratur potentieller Demonstrantinnen und Demonstranten. In Kombination mit nicht hinreichend bestimmten Löschungspflichten schränkt das das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit massiv ein. Denn wer damit rechnen muss, registriert zu werden, weil er demonstrieren will, der kann nicht frei entscheiden. Das, meine Damen und Herren, ist in einem Rechtsstaat ein unhaltbarer Zustand und deswegen werden wir, sollte er so beschlossen werden, auch gegen diesen Paragraphen vor das Landesverfassungsgericht ziehen.

Ich will abschließend auf einen wichtigen Punkt eingehen, der im SOG der Landesregierung leider, jedoch nicht überraschend, fehlt: die polizeiliche Kennzeichnungspflicht in geschlossenen Einsätzen. Die Kennzeichnungspflicht ist aus unterschiedlichen Perspektiven sinnvoll: Sie ist erstens aus einer eher theoretischen, rechtsstaatlichen Sicht erforderlich und zwar ganz unabhängig davon, ob es viele oder wenige Berichte und Vorwürfe von nicht gerechtfertigtem Verhalten der Polizei gibt. Polizistinnen und Polizisten handeln nicht als Privatpersonen, sondern sie üben staatliche Hoheitsaufgaben aus. Sie sind diejenigen, die das staatliche Gewaltmonopol ausüben, und sie haben daher - aus gutem Grund - besondere Befugnisse. Sie dürfen Zwangsmittel einsetzen, sie dürfen körperliche Gewalt einsetzen, sie haben Eingriffsbefugnisse. Diese besondere Legitimation ist an Bedingungen geknüpft, zuerst an die Gesetze, aber eben auch an die öffentliche Kontrolle, ob diese Gesetze eingehalten werden. Genau diese Kontrolle ist nur dann möglich, wenn das Hoheitshandeln auch individualisierbar ist. Denn nur so können Verstöße oder unangemessenes Agieren auch sanktionierbar sein.

Die Kennzeichnungspflicht soll Polizeihandeln in Fällen rekonstruierbar machen, in denen die Nennung der Dienstnummer, die ja gesetzlich bereits vorgesehen ist, nicht erfolgen kann oder nicht erfolgt, also in aller Regel in geschlossenen Einsätzen, z.B. bei Demonstrationen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich im Übrigen auch, dass mit Ausnahme der Gewerkschaften der Polizei, alle Expertinnen und Experten, die wir im Dezember zu diesem Komplex angehört haben, und zwar explizit auch die, die aus der Institution Polizei kommen, sich für eine solche Kennzeichnungspflicht in geschlossenen Einsätzen ausgesprochen haben.

Die Kennzeichnungspflicht ist kein zu beklagendes Misstrauensvotum, sie ist ein rechtsstaatliches Erfordernis. Und auch aus praktischer Sicht ist sie notwendig. Berichte von polizeilichen Übergriffen, die nicht gerechtfertigt waren, von unverhältnismäßiger Gewaltanwendung oder vom nicht nachvollziehbaren Einsatz von Zwangsmitteln gibt es immer wieder, und immer wieder scheitert die Aufklärung solcher Vorwürfe oder Kritik daran, dass die Beschuldigten nicht ermittelbar waren. Bei Demonstrationen oder auch bei Fußballspielen haben es die Menschen eben nicht mit dem individuell bekannten Kontaktbeamten zu tun, von dem wir in den Medien lesen konnten, sondern mit Polizistinnen und Polizisten in Schutzkleidung, mit Helm und Visier, die als anonyme Masse erscheinen müssen.

Und da sind wir bei der zweiten Ebene der praktischen Erfahrung - im Konfliktfall nach der Dienstnummer oder Namen zu fragen, und zwar genau denjenigen, mit dessen Verhalten man ein Problem hat, ist erstens nicht immer möglich und zweitens nicht besonders oft von Erfolg gekrönt. Amnesty International, die Republikanische AnwältInnenvereinigung oder auch die Neue Richtervereinigung berichten eindrücklich, dass die angebliche Dienstnummer 08/15, die in solchen Fällen, um mal ein Beispiel zu nennen, angegeben wird, eben keine Ausnahmeerscheinung, sondern häufige Fälle sind. Statistisch belegt ist, dass beispielsweise im Jahr 2010 93 % der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt bereits im Vorfeld eingestellt wurden. Expertinnen und Experten, namentlich sei hier Prof. Behr von der Hochschule der Polizei Hamburg genannt, gehen von einer Einstellungsquote von 30 % wegen Nichtidentifizierbarkeit aus. Insofern wäre auch aus dieser Sicht eine Kennzeichnungspflicht die Voraussetzung für die Überprüfbarkeit polizeilichen Handelns und gegebenenfalls notwendige Sanktionen.
Und es gibt eine dritte Ebene, die ich zumindest anreißen will: Weil immer wieder argumentiert, wird, es würde Polizistinnen und Polizisten gefährden, weil ihnen dann anhand der Kennzeichnung nachgestellt werden könnte oder ähnliches.
Eine Kennzeichnung der Polizei existiert in vielen europäischen Ländern, und auch auf nationaler Ebene, in Brandenburg und Berlin gibt es bereits praktische Erfahrungen. Was es nicht gibt, sind statistische Belege oder auch nur Indizien dafür, dass aus der Kennzeichnung einer Gefährdung entsteht. Insofern folgt meine Fraktion dem ehemaligen Polizeipräsident von Berlin, Dieter Glietsch,  der in der Anhörung sagte "es gibt kein überzeugendes Argument gegen eine Kennzeichnungspflicht".

Namens meiner Fraktion beantrage ich deshalb die namentliche Abstimmung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ein Punkt, der in der ersten Beratung des Gesetzesentwurfes hier im Hohen Hause eine wesentliche Rolle gespielt hat, ist die Möglichkeit des Alkoholverbotes im öffentlichen Raum. Die Landesregierung verfolgt hier eine - ich zitiere noch einmal Herrn von Denkowski - "rein symbolische Anti-Alkoholkonsum-Politik".

Aus Sicht meiner Fraktion wären hier ganz andere Dinge notwendig, beispielsweise Präventionsprogramme, beispielsweise Suchtberatungsstellen und die reale, also finanzielle, Chance für die Kommunen, diese aufzulegen und zu betreiben. Es ist aus unserer Sicht weder wünschenswert noch zielführend, hier derart in die Handlungsfreiheit des Einzelnen einzugreifen. Verbote verhindern weder den Konsum von Alkohol, sie verdrängen ihn lediglich aus der Verbotszone, noch verhindern sie die möglicherweise damit in Verbindung stehenden Phänomene, wie beispielsweise Rohheitsdelikte.

Die Landesregierung konstruiert hier den Begriff der Gefahrenvorsorge, ohne ihn rechtlich zu definieren. Sie will die Möglichkeit schaffen, eine von der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Verhaltensweise zu untersagen, die  für Erwachsene legal, für Jugendliche durch bereits existierende Normen beschränkt und zudem gesellschaftlich weit verbreitet ist.

Und auch mit dieser vorgesehen Befugnis stellt die Landesregierung den Gesetzesentwurf in die Traditionslinie konservativer Sicherheits- und Gesellschaftspolitik. Der Staat soll maßgeblich darüber entscheiden, wie die Menschen ihr Leben führen. Sie folgt dem Trend zur Raumorientierung von sozialer Kontrolle, indem nicht bestimmte Verhaltensweisen grundsätzlich, wohl aber an bestimmten, offenbar als gefährlich geltenden, Orten verboten werden.

Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass sich gesellschaftliche Probleme wie Alkoholmissbrauch oder daraus folgende Problem eben nicht ordnungspolitisch lösen lassen und der Staat nicht die Befugnis haben sollte, in dieser Weise über die Lebensführung des Einzelnen zu entscheiden und deswegen beantragen wir auch diesen Punkt zu streichen.

Es ist in der hier zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, auf alle Kritikpunkte einzugehen, die wir an diesem Polizeigesetz haben.

Ich will noch einmal etwas zur grundsätzlichen Einschätzung des vorgelegten Gesetzesentwurfs sagen. Es mag vielleicht eine Flüchtigkeit sein, wenn Herr Kolze in der öffentlichen Anhörung die Sachverständigen die auf massive und nicht gerechtfertigte Grundrechtseingriffe hinweisen, fragt ob denn nur die Täter Grundrechte hätten und feststellt, dass das Opfer einer Vergewaltigung doch eine Möglichkeit haben müsse, zu erfahren, ob eine HIV-Infektion durch den Vergewaltiger übertragen worden sein könnte. Genau das ist ein Sachverhalt, der strafprozessual längst geregelt ist, natürlich ist das möglich. Es mag eine Flüchtigkeit sein, genau diese Herangehensweise ist aber typisch für den gesamten SOG-Entwurf der Landesregierung. Sie beschreiben angeblich dringende Regelungsbedarfe, die längst geregelt sind, sie behaupten das Fehlen dringend notwendiger Kompetenzen der Polizei, die bei wohl gemerkt konkreter Gefahr im Verzuge ebenfalls längst gegeben sind und suggerieren so Sicherheitsrisiken und Sicherheitslücken, die es in Sachsen-Anhalt schlichtweg nicht gibt. Das alte konservative Mantra Opferschutz statt Täterschutz vor sich her tragend, weiten Sie dabei polizeiliche Befugnisse im Bereich der Gefahrenabwehr massiv aus und opfern dabei elementare Grund- und Bürgerrechte einem überaus fragwürdigen Sicherheitsbegriff. Einem Sicherheitsbegriff nämlich, der die Unschuldsvermutung als rechtsstaatliches Prinzip in weiten Teilen des Polizeirechts schlichtweg ignoriert und aushebelt.

Das von der Landesregierung vorgelegte SOG ist ein Sammelsurium an unnötigen Kompetenzerweiterungen und -verlagerungen in den Gefahrenabwehrbereich, der sich weder aus der faktischen Sicherheitslage rechtfertigen lässt, noch rechtspolitisch sinnvoll oder wünschenswert wäre.

Polizeiliche Eingriffsbefugnisse werden hier nun auch auf Landesebene weiter und weiter vorverlagert und stellen sie damit letztlich in das Ermessen der einzelnen handelnden Polizistinnen und Polizisten. Und es hat entgegen der Behauptungen der Koalitionsfraktionen nichts mit Misstrauen gegenüber der Institution Polizei zu tun, wenn meine Fraktion dazu Nein sagt. Es entspricht vielmehr den Vorgaben, die die Verfassung dieses Landes, das Grundgesetz und auch das Bundesverfassungsgericht für jede Einschränkung von Grundrechten machen: Sie muss erstens verhältnismäßig sein (also der Eingriff durch die reale abzuwehrende Gefahr gerechtfertigt ) und zweitens müssen die Bedingungen für wesentliche Eingriffe in Grundrechte vom Gesetzgeber klar und für jeden ersichtlich definiert werden und dürfen eben nicht dem Ermessen der Exekutive überlassen werden.

Diesen beiden Prämissen- Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit trägt die Landesregierung in weiten Teilen des SOG nicht Rechnung, und deswegen wird meine Faktion das hier vorgelegte SOG ablehnen. Wir beantragen die namentliche Abstimmung des Gesetzentwurfes.