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Harry Czeke zu TOP 17: Tourismus in Sachsen-Anhalt ganzheitlich ausrichten

Vorweg: Wir als Fraktion wollen der Tourismuswirtschaft kein schlechtes Zeugnis ausstellen. Denn hierbei ist Entwicklung zu verzeichnen. Dennoch möchten wir den einen oder anderen Punkt als Anregung geben. Das möchten wir als positive Kritik verstanden wissen. Gestern habe ich auf dem Tourismustag in Freyburg bereits das eine oder andere Gespräch geführt. Dabei hat sich gezeigt, dass man Zahlen unterschiedlich deuten kann. Aber dazu komme ich noch.

Wie Sie unserem Antrag bereits unter Punkt 1 entnehmen konnten, stellen wir vor allem der Landesregierung als Koordinatorin und Impulsgeberin der Tourismuswirtschaft ein schlechtes Zeugnis aus. Wie bei der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wird Sachsen-Anhalt auch im Bereich der Tourismusentwicklung immer mehr von anderen, auch von ostdeutschen Bundesländern, überholt oder abgehängt. Gestern gab es die tolle These, wir könnten die Zahlen auch folgendermaßen sehen: Wenn wir einmal alle Leuchttürme, wie die Stadtstaaten und Mecklenburg-Vorpommern weglassen, dann sind wir gegenüber dem Saarland jedes Mal der Sieger. Ja, auch so kann man sich darstellen. Aber mein Großvater sagte immer, ich solle mich bitte an den Besten orientieren, das wäre gescheiter.

Wir hatten im Jahr 2013 das verheerende Hochwasser und dem geschuldet auch ein schwaches touristisches Jahr. Ja, 2014 haben wir im Vergleich zu dem äußerst schwachen Jahr 2013 einen nicht unerheblichen Zuwachs bei den Gäste- und Übernachtungszahlen zu verzeichnen gehabt. Aber die bisher vorliegenden Zahlen geben eine Fortschreibung dieser positiven Entwicklung in 2015 nicht her.

Das Sparkassen-Tourismusbarometer Ostdeutschland vom August dieses Jahres weist für Sachsen-Anhalt für das erste Halbjahr 2015 nur ein unterdurchschnittliches Wachstum bei den Übernachtungszahlen von 0,7 % im Vergleich zum Vorjahr aus. Damit liegt Sachsen-Anhalt bei der Entwicklung der Tourismuszahlen nur noch vor dem Saarland. Ich sagte es bereits, wenn wir die anderen Bundesländer weglassen, dann wird das richtig spannend. Im Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin beträgt der Zuwachs an Übernachtungszahlen im ersten Halbjahr 2015 hingegen 1,8 %. Der gesamtdeutsche Durchschnitt beträgt 3,2 %. In den Monaten Juli und August, in denen saisonal bedingt wegen der Ferien eine hohe Nachfrage besteht, beträgt die Steigerung der Übernachtungszahlen in Sachsen-Anhalt gerade einmal 2 % gegenüber diesem Zeitraum in 2014.

Aber nicht nur auf kurze Sicht können wir diese Entwicklung beobachten, sondern auch im Vergleich zu 1993. Das Tourismusbarometer macht deutlich, dass die Tourismuswirtschaft in Sachsen-Anhalt noch Nachholbedarf hat. So stiegen die Übernachtungszahlen zwar um 104 % seit 1993, sie verdoppelten sich. Man kann sagen, das sei super, was wollen Sie noch mehr, der Trend ist doch vollkommen richtig. Jedoch sank der Marktanteil der Tourismuswirtschaft Sachsen-Anhalts innerhalb Ostdeutschlands von 11,2 % im Jahr 1993 auf 9,7 % im Jahr 2014. Insofern hat sich in dieser Zeit ein Rückgang eingestellt. Vor allem bei internationalen Gästen und Veranstaltern ist Sachsen-Anhalt noch schwach aufgestellt. Der Anteil der internationalen Gäste lag im vergangenen Jahr bei knapp 8 % und bis August dieses Jahres bei 8,7 %. Seit 2009 haben sich Übernachtungen von ausländischen Touristen laut Barometer um 20 % gesteigert.

Ja, das klingt erst einmal gut. Setzt man das aber wieder ins Verhältnis zur Entwicklung in den anderen neuen Bundesländern - hier waren es 25 % - und in der Bundesrepublik gesamt - hier waren es 38 % -, dann sieht das Bild wieder ganz anders aus. Auch an dieser Stelle hinkt Sachsen-Anhalt der Entwicklung leider hinterher.

Erfreulich ist hingegen, dass vor allem die Altmark und der Bereich Halle-Saale-Unstrut als Tourismusregionen immer mehr von ausländischen Touristen angenommen werden. In diesen Regionen stieg die Zahl ausländischer Touristen seit 2009 um 47 % bzw. 41 %. Vor allem für ausländische Touristen wird es nötig sein, den Tourismus besser mit den Kultureinrichtungen vor Ort zu verzahnen, um ihn so attraktiv wie möglich zu machen. Eine attraktive und stimulierende Kulturlandschaft ist das A und O. Auch in diesem Fall hat die Landesregierung mit ihren massiven Kürzungen im Kulturbereich der Tourismuswirtschaft geschadet.

Ich komme nun auf die einzelnen Punkte unseres Antrages zu sprechen. Das Vorgehen der Landesregierung in Bezug auf die Luther-Dekade und das Reformationsjubiläum sowie auf 100 Jahre Bauhaus und die Händel-Festspiele ist - Sie mögen es mir nachsehen -, gelinde gesagt, unterirdisch.

Es sei einmal dahin gestellt, ob wir als Fraktion die Auswahl der zu unterstützenden Projekte gerade im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 gut finden. Natürlich kann man an dieser Stelle Differenzen zu den Vorstellungen der Landesregierung feststellen. Mit unserem heute vorgelegten Antrag wollen wir allerdings die Umsetzung dieser Projekte, die wir kritisieren, erreichen. Erst verzögert sich die Finanzierung, aus welchen Gründen auch immer, und wenn es nur, salopp gesagt, die mangelnde Entscheidungswilligkeit und -freudigkeit ist. Nun steigen die Baukosten und es wird in Aussicht gestellt, dass nicht alle Projekte umsetzbar sein werden. Vor allem gehen die zu hohen Baukosten zulasten anderer geplanter und eingereichter Projekte. Oder es muss nachgesteuert werden. Ein Miteinander der Akteure vor Ort wird somit ganz bestimmt nicht verbessert.

Wenn die Konkurrenzsituation noch zusätzlich verschärft wird und wenn sich der Bau nicht unwesentlich verzögert, so ist anzunehmen, dass die Besucher in der ersten Hälfte des Jahres 2018 beim Schlossensemble Wittenberg vielleicht doch noch auf Reste einer Baustelle treffen werden. Der Imageschaden wäre damit vorprogrammiert. Ich stelle das bewusst in der Möglichkeitsform dar. Denn schließlich haben wir auch gestern auf dem Tourismustag gelernt, dass das Jahr 2017 für das Luther-Jubiläum lediglich der Auftakt ist. Wir müssen die dann folgenden 20 bis 30 Jahre in die Sicht nehmen.

Die Fehler, die tatsächlich schon erfolgt sind, lassen sich nicht mehr wettmachen, denn die Buchungen aus Nordamerika sind schon gelaufen, das ist alles schon in Sack und Tüten. Auch die finanziellen Kürzungen im Bereich des touristischen Marketings sprechen Bände. Wir alle sind keine Fans der Marketingkampagne der Landesregierung. Auch das war gestern Streitthema. Die Landesregierung hat sich mit dieser Kampagne eher nicht mit Ruhm bekleckert. Jedoch nützt ein großes Ereignis wie das Reformationsjubiläum wenig in Bezug auf den Tourismus, wenn es nicht auch ordentlich vermarktet wird. Natürlich geht es dabei um Geld. Natürlich ist es schön, auch hierfür eine Förderung von 2 Millionen Euro dem Förderverein Luther-Jubiläum zu überreichen. Wir sind aber der Meinung, dass dies für das Außenmarketing nicht ausreichend sein wird. Alles in allem stellt sich das gesamte Konzept der Landesregierung nicht unbedingt schlüssig dar.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Masterplan Tourismus zu sprechen kommen, wahrlich ein Meisterwerk. Dort heißt es unter dem Kapitel „Visionen und Leitsätzen“: „Wir wollen ein führendes Kulturreiseland in Deutschland werden.“

Gestern erklärte uns der Kollege, der den Bereich Nordamerika bearbeitet: Den US Amerikanern sei es relativ egal. Sie wüssten nicht, in welchem Bundesland sie sich befänden. Sie würden Heidelberg kennen, und wir hofften darauf, dass wir sie mit Luther begeistern können. Es gebe immerhin ein Potenzial von 150 Millionen Protestanten in Nordamerika.

Wir wollen, so heißt es weiter im Masterplan Tourismus, einen qualitätsorientierten Tourismus fördern und wir wollen effiziente und kooperative Organisationsstrukturen entwickeln. Ich denke, das wäre richtig, ist aber auch nicht unbedingt von Fleißaktionen gekennzeichnet. Hierbei gibt es noch einiges zu tun. Bisher ist ein tatsächliches Vorankommen nicht erkennbar. Aber wir sind gern bereit, ab dem nächsten Jahr an der Umsetzung dieser Ziele zu arbeiten. Denn in dem folgenden Punkt stimmen wir ausnahmsweise einmal mit der Landesregierung überein. Für die Zukunft der Tourismuswirtschaft wird es vor allem wichtig sein, in Qualität, Infrastruktur und Fachkräfte zu investieren.

Nun hat der Minister gestern den Schlüssel zum Erfolg gefunden, nämlich Gastfreundschaft. Ja, das ist wohl richtig. Die junge Kollegin aus der Nähe von Luzern hat uns gestern erklärt, an dieser Stelle müsse man einen Kompromiss finden. Denn ein Gast trete mir zunächst als ein Fremder gegenüber und sei nicht unbedingt im Sinne des Althergebrachten meiner Gruppe zugehörig. Freundschaft bedeute hingegen Zugehörigkeit. Ein Freund werde wesentlich freundlicher als ein Gast empfangen.

Ein Beispiel wurde gestern auch geschildert. Ein englischsprachiger Kollege war mit Gästen in Wittenberg in einer Gastronomie, die er nicht genannt hat, unterwegs und wollte auf Englisch Essen bestellen. Daraufhin wurde er recht barsch angefahren, er sei in Deutschland, hier werde Deutsch gesprochen, und damit war es fertig. Dies war sicherlich ein Ausrutscher war, der nicht zu entschuldigen ist, denn einem ausländischen Gast tritt man nach unserer Überzeugung nicht in dieser Art gegenüber.

Was Sachsen-Anhalts Tourismus braucht, ist ein gutes Image. Das bessert sich. Dies sollte vor allem durch gute Qualität und nicht durch Gigantomanie erreicht werden. Brauchen wir - ich formuliere das als Frage - aus ökologischer und ökonomischer Sicht tatsächlich Schneekanonen im Harz? Der Harz zählt zu den attraktivsten Tourismusregionen im Land. Aber hier muss endlich in vier Jahreszeiten gedacht werden. Eine künstliche Ausweitung des Winters wird sich nach meiner Überzeugung nicht rechnen, denn ökologische Schädigungen vernichten mittelfristig und als Spätfolgen die Chancen für die touristische Nutzung in den anderen drei Jahreszeiten.

Wie die Synergieeffekte im Harz nicht funktionieren sollten, haben wir im Bereich des Kur- bzw. Wellnesstourismus gesehen. Ich könnte mich lange über die fehlgeleitete Steuerung in Bezug auf Thale und Bad Suderode auslassen, aber ich lasse es lieber. Natürlich muss man in allen Regionen Sachsen-Anhalts mit den angrenzenden Bundesländern an einer gemeinsamen Strategie arbeiten. Ein Gegeneinander bringt uns auf lange Sicht nicht weiter. Kooperation und Dialog müssen gestärkt werden.

Ich habe gestern mit den Vertreterinnen der IMG ausführlich gesprochen. Ich habe
es im Fachausschuss schon einmal gesagt: In Thüringen wird an der A 9 das Schild, das für Cranach werben soll, einfach aufgestellt. Wir stellen den Antrag an die Bundesebene und es wird uns gesagt, wir hätten bereits zwei Schilder an der A 9 auf unserem Territorium, die für Luther werben würden, und wir müssten eines mit Cranach umtapezieren. Hierzu sage ich: Man hat ein Ministerium, das sich mit Wirtschaft und Verkehr beschäftigt, losschicken müssen, das muss möglich sein. Wenn es in Thüringen möglich ist, ein solches Schild aufzustellen, dann muss das auch in Sachsen-Anhalt möglich sein. In Kooperation wäre es wahrscheinlich noch besser gelaufen.

Natürlich sind 155 000 Besucher bei der Cranach-Ausstellung ein absoluter Erfolg. Daran ist tatsächlich keine Kritik zu üben. Zum Thema Fachkräftemangel. Wenn wir uns die Statistiken zum Beispiel im Bereich der unbesetzten Ausbildungsstellen ansehen, dann können wir feststellen, dass der Gastronomie- und der Hoteleriebereich davon nicht unwesentlich betroffen sind. Der Druck, neue Fachkräfte zu finden, wird sich in Zukunft sicherlich noch erhöhen. Aus unserer Sicht sind dabei vor allem zwei Dinge entscheidend: Die Gestaltung der Arbeitszeiten und vor allem auch die des Lohnes spielen eine ganz wesentliche Rolle bei der Entscheidung eines jungen Menschen für diesen oder jenen Beruf. Wenn beides nicht sehr attraktiv ist, wird es schwierig, tatsächlich ausreichend und vor allen Dingen qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Hier muss die Branche dringend etwas tun. Ich könnte mir vorstellen, dass sie das auch erkannt hat. Zumindest von den Jahrestagungen weiß ich, dass das jedes Mal im Jahresbericht als Problemstellung auftaucht.

Nach Ansicht unserer Fraktion bedarf es außerdem einer Neuausrichtung der Strategie für das Land Sachsen-Anhalt. Das bedeutet eben auch, dass die IMG im Bereich Marketing mehr machen kann und machen muss. Das bedeutet auch, dass man sie wahrscheinlich finanziell bzw. personell noch besser ausstatten muss. An dieser Stelle hat das Land die Chance, vorwegzugehen und mit einer ganzheitlichen Ausrichtung des Tourismus tatsächlich sozial gerecht, ökologisch verantwortbar, mit regionalen Wertschöpfungsketten und selbstverständlich auch barrierefrei Vorreiter zu werden. Ich könnte mir vorstellen, dass dem einen oder anderen Leuchtturm Paroli geboten werden könnte.

Minister Möllring strahlt natürlich auch die statische Ruhe eines Denkmals aus. Fakt ist aber auch - ich erinnere an Ihren Amtsvorgänger, den jetzigen Ministerpräsidenten. Dieser hat in seiner Fachministerzeit tatsächlich im Hohen Haus einmal über die Bedeutung der Funde im Klo Luthers gesprochen. In diesem Moment sprühte er tatsächlich Funken. Tourismus ist einfach ein Geschäft, das mit Emotionen rübergebracht werden muss an die Gäste. Das vermisse ich hier jedoch. Das mit Thüringen habe ich bereits gesagt.