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Hans-Jörg Krause zu TOP 22: Mindestpreise für Milch einführen - Milchmarkt stabilisieren

Wenn nach Angaben des Milch-Industrie-Verbandes  das Jahr 2013 ein „Rekordjahr für die deutsche Milchwirtschaft“ war, sieht es in diesem Jahr für die Milchbauern völlig anders aus. Die Milchbäuerinnen und Milchbauern durchlaufen ein tiefes Tal. Sie durchleben bereits die dritte Krise innerhalb der letzten  sechs Jahre.  Um über 40 Prozent sind die Erzeugerpreise gefallen. Wenn im Dezember 2013 noch etwas mehr als 40 Cent je Kilogramm Milch gezahlt wurde, waren es im Juli dieses Jahres nur noch 26 bis 28 Cent. Demgegenüber stehen Kosten für die Milcherzeugung von ca. 38 bis 43 Cent. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) geht sogar von 50 Cent aus. Am letzten Montag erfuhren wir von Milchbauern im Mansfelder Land, dass die letzte Abrechnung nur noch 22 Cent beinhaltete. Damit sind die Kosten doppelt so hoch wie die erzielten Erlöse für Milch. Das Schlimme, es ist  nicht absehbar, wann die Preise wieder kostendeckend sein werden.

Eine Ursache ist ohne Zweifel darin  zu sehen, dass im Zuge des sich nahenden Milchquotenendes in den beiden Vorjahren es zu massiven Ausweitungen der Milchproduktion in der EU kam. 2014 betrug der Zuwachs sechs Millionen Tonnen Milch, ein Plus von 5 Prozent.  Jedoch die Binnennachfrage, der Handelsumsatz blieb  nahezu unverändert. Die  Mehrproduktion wurde vom globalen Milchmarkt nur zu einem Drittel aufgenommen.

Die Leidtragende, das sind vor allem die Milchbäuerinnen und -bauern. Im Gegensatz zu Minister Aeikens sagen wir, das vielgepriesene Sicherheitsnetz im EU-Milchmarkt reicht bei weitem nicht aus, um bei Krisen, wie wir sie jetzt haben, den Milchmarkt zu stabilisieren. Die stark schwankenden und vor allem sehr geringen Erzeugerpreise konnten damit nicht vermieden werden. Und es kommt zunehmend zur Bedrohung der Existenz von milchproduzierenden Betrieben. Und betroffen sind alle, egal ob groß oder klein. Nach Angaben des Bauernverbandes haben bereits 8 Betriebe in Sachsen-Anhalt die Milchproduktion aufgegeben. Bundesweit hat seit 1999 jeder zweite Milchviehbetrieb aufgegeben. Für uns ist dies das Ergebnis einer verfehlten Agrarpolitik, die nach wie vor auf das Prinzip „Wachsen oder Weichen“ setzt. Regionale Erfordernisse, wie auch die Stabilisierung regionaler Wirtschaftskreisläufe geraten immer mehr ins Hintertreffen. Die Schaffung von Absatzmöglichkeiten und weltweite Exporte haben nach wie vor einen Vorrang. Ein  Irrweg, der nicht zur Beendigung der Milchkrise führen wird.

Um den 480 Milchviehbetrieben im Land nicht nur in Zeiten von Milchkrisen eine Zukunftsperspektive zu geben, ist das Sicherheitsnetz für den EU-Milchmarkt unbedingt zu verbessern. Vor allem ist dabei die Marktposition der Milchviehbetriebe gegenüber den Verarbeitungsbetrieben und dem Handel zu stärken. Das krisenbedingte Risiko darf nicht einseitig zu Lasten der Erzeuger, der Milchbauern, gehen. Die bisherigen Kriseninstrumente, die Brüssel auf den Weg gebracht hat, stützen weniger die Milchbauern, sondern vor allem die Ernährungswirtschaft.

Die Politik ist gefordert, ein aktives Milchmarkt-Krisenmanagement zu betreiben.
Die Milchviehhalter und nicht nur die, die sich vor 11 Tagen an der Kundgebung in Brüssel mit über 6.000 Teilnehmern beteiligt haben, sind äußerst unzufrieden mit den Ergebnissen des  Sonderagrarrats.  Die getroffenen Entscheidungen gehen aus unserer Sicht an der eigentlichen Problematik vorbei. Sie sind völlig unzureichend, zu unbestimmt und bringen den Milchviehhaltern angesichts des Wertschöpfungsverlustes von ca. 4 Milliarden Euro  in Deutschland nicht die Entlastung, die sie jetzt so dringend benötigen, um ihre Betriebe durch die massive Krise zu retten.

Die vom Minister öffentlich bejubelten Beschlüsse des Sonderagrargipfels sind für die Milchbauern nur bloßer Aktionismus, um eine politische Reaktion auf die Krise medienwirksam nachzuweisen. Oder wie es der BDM-Vorsitzende Romuald  Schaber  formulierte:  „Der Berg kreißte und gebar eine Maus.“ und betitelte das Brüsseler Paket als eine „Provokation“ gegenüber den Milchbauern.

Der Gipfel der politischen Einfältigkeit, Herr Minister Aeikens, das war Ihr Vorschlag, der auch von den Koalitionsfraktionen im vorgelegten Alternativantrag aufgegriffen wurde,  dass  die Milchbauern zur Überwindung von Liquiditätsengpässen ihr Land vorrübergehend an die Landgesellschaft verkaufen sollen, um es dann zurückzupachten und wenn sie die Krise überstanden haben, ihr Land wieder zurückkaufen. Sie glauben doch wohl nicht, dass die Bauern ernsthaft über Ihren Vorschlag nachdenken.
Herr Minister, ich habe bereits anlässlich Ihrer Regierungserklärung im Januar darauf verwiesen, dass der BDM  im Mai 2014 ein Konzept zum Umgang mit Milchkrisen vorgelegt hat und dass Sie dafür sorgen sollten, dass in der Runde der Agrarminister darüber ernsthaft nachgedacht wird.  Heute, 9 Monate später, wird es zu mindest zur Kenntnis genommen.

Mit dem „Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept“, dessen zentraler Bestandteil ein „Marktverantwortungsprogramm“ ist, soll ein dreistufiges Frühwarnsystem mit unterschiedlichen Instrumenten wie „private Lagerhaltung“, „Intervention“ oder „verbindliche Mengenreduktion“ installiert werden. In allen drei Stufen gibt es unterschiedliche Formen der Milchmengenreduzierung, um damit die Milcherzeugerpreise wieder in den Griff zu bekommen. Die Milchbauern gehen aber allerdings davon aus, dass die vorgeschlagenen Mengenreduzierungen in der Regel nicht ausreichen, um die Preise deutlich zu stabilisieren und die Krise zu beenden.
Mit unserem vorliegenden Antrag haben wir die Initiative des BDM aufgegriffen und fordern die Landesregierung auf, dazu im Bundesrat aktiv zu werden und darüber hinaus die Sicherung kostendeckender Erzeugerpreise über einen Mindestpreis für Milch und die Gewährung von steuerfreien Rücklagen zur Risikovorsorge zu thematisieren.  Um gleich kritischen Bemerkungen vorzubeugen, der Gedanke, Mindestpreise oder Einstandspreise für Milch einzuführen, stammt nicht nur von uns.

Nein, der Bundesagrarminister Horst Seehofer hatte 2005 im Magdeburger Hotel „Maritim“ unter tobendem Beifall der über 400 anwesenden  Gäste erklärt, dass er dafür sorgen wird, dass kostendeckende Einstandspreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse eingeführt werden.

Der Punkt 2 unseres Antrages dürfte über den kurzen Weg zwischen Ihnen, Herr Minister Aikens, und Ihrem Kabinettskollegen, Finanzminister Bullerjahn, unkompliziert zu lösen sein. Wenn Sie dies, meine Damen und Herren, als gängige Praxis mit Ihrem Alternativantrag darstellen, muss ich nur anmerken, dass diese Forderung erst am vergangenen Montag bei einem Gespräch mit Milchbauern und Mitgliedern des Landesbauernverbandes im Mansfelder Land an uns herangetragen wurde.

Eine letzte Anmerkung: Uns geht es nicht darum, schlicht weg die milchproduzierenden Betriebe aus der Krise herauszuhelfen, uns geht es um die Sicherung und Stabilisierung der Milchwirtschaft  als Wirtschaftszweig mit der höchsten Wertschöpfung  und den meisten Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft. Die Rinderhaltung und die Milchwirtschaft hat auch das größte Potential, um den landwirtschaftlichen Reproduktionsprozess ökologisch nachhaltig zu gestalten. Ohne Rinderhaltung würde sich die  Biodiversität noch weiter verringern, das Grünland versteppen und die erforderlichen Landschaftspflege- und Naturschutzerfordernisse den Steuerzahler immer mehr belasten. Vergessen möchte ich auch nicht, dass die Entwicklung der Bioenergie ohne Rinderhaltung so nicht denkbar gewesen wäre.

Die Statistik im Land belegt, 270 landwirtschaftliche Unternehmen erwirtschaften 65 % der Bruttowertschöpfung in der Landwirtschaft unseres Landes und die Mehrzahl davon sind milchproduzierende Betriebe. Diese Entwicklung weiter  positiv zu befördern, das muss einer unserer politischen Ansprüche sein. Der ländliche Raum braucht nicht nur rote Dächer, sondern produktive Dörfer, um die kommunale Daseinsvorsorge finanzierbarer zu gestalten. Zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen nur so viel:  Anträge zur Durchführung von Märchenstunden im Agrarausschuss haben wir doch genug.