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Hans-Jörg Krause zu TOP 21: Agrarstrukturgesetz

Seit mehreren Monaten wird in landwirtschaftlichen Unternehmen, in landwirtschaftlichen Verbänden und unter der dörflichen Bevölkerung mit Besorgnis über das in der Öffentlichkeit bekannt gewordene und zum Teil auch in Veranstaltungen vorgestellte Vorhaben, ein Gesetz zur Sicherung und Verbesserung der Agrarstruktur in Sachsen-Anhalt, zu beschließen, diskutiert. Dieser hier heute von meiner Fraktion vorgelegte Antrag ist die logische Konsequenz aus der auch zum Teil sehr aufgeregten landesweiten Diskussion zu dem Vorhaben der Landesregierung, oder korrekter gesagt, des Landwirtschaftsministers Aeikens. Ich muss schon bemerken, dass ich sehr überrascht bin, dass die Koalitionsfraktionen schon vor der Beratung unseres vorliegenden Antrages unserem Drängen gefolgt sind und diese Gesetzesinitiative beerdigt haben. Dennoch möchte ich ihnen meine Anmerkungen nicht ersparen, denn was gesagt werden muss, muss gesagt werden.

Herr Minister, Sie haben in den zurückliegenden Monaten auf vielen Veranstaltungen der Kreisbauernverbände, in verschiedenen Fachkonferenzen, ich erinnere nur an die Konferenz vom 16. Dezember in der Landesvertretung von Mecklenburg-Vorpommern zum neuesten Gutachten zum Grundstücksverkehr und auch mit Ihrer Regierungserklärung vom 26. Februar diesen Jahres zu Recht die Frage nach der Verantwortung für den ländlichen Raum in den Mittelpunkt Ihrer Betrachtungen gestellt. Öffentlich wirksam hoben sie immer wieder hervor, dass eine Landwirtschaft und Landwirte die ihren Blick nur noch auf den aktuellen Stand des Bankkontos richten, wenig Interesse am langfristigen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, dem Ausbau regionaler Wirtschaftskreisläufe und einer zukunftsfähigen dörflichen Gemeinschaft haben, nicht das erklärte Ziel sein kann. Ja, wenn der Betriebsinhaber nur noch einen Briefkasten vor Ort unterhält und die Menschen im Dorf keinen Kontakt mehr zu  denen   haben, die die Flächen des Dorfes bewirtschaften, wird die Landwirtschaft anonymisiert. Durch nichtortsansässige Landwirte oder Bodeneigentümer fließen Steuern und die Wertschöpfung unserer ländlichen Räume in andere Regionen ab. Geld geht unseren Dörfern zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge verloren.

„Das Geld des Dorfes dem Dorfe“, so haben Sie das vor einem halben Jahr formuliert, Herr Minister. Was Sie aber jetzt mit dem in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Gesetzesentwurf vorhatten, ist alles andere als nichtlandwirtschaftliche Investoren, die landwirtschaftliche Flächen für sich als lukrative Geldanlagemöglichkeit entdeckt haben, vom Acker zu jagen. Mit diesem Entwurf stellen sie gewachsene und von einer breiten Dorfbevölkerung getragene und akzeptierte Betriebs- und Agrarstrukturen in Frage. Genossenschaften und andere Gemeinschaftsunternehmen sollten damit in ihrer, vom Dorf getragenen Entwicklung beschnitten werden. Unternehmen, die durch ihre landwirtschaftliche Vielfalt die höchste Wertschöpfung und die meisten Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen vorhalten. Unternehmen, die vertrauensvoll mit den vielen kleinen Grundeigentümern und Pächtern zusammenarbeiten und im dörflichen Leben integriert sind. Betriebsstrukturen, die durch ihr genossenschaftliches und gemeinschaftliches Betriebsklima beste Voraussetzungen zur Förderung der dörflichen Gemeinschaftsarbeit, von Kindergärten, Schulen und Vereinen oder anderen sozialen Projekten besitzen. Ihr Entwurf, Herr Minister, erinnert mich doch ein wenig an die erste Hälfte der 90er Jahre, an den damals herrschenden Geist derer, die bei der Konstruktion des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und bei den wiederkehrenden Novellen mit ihrem Schlachtruf gegen genossenschaftliche und andere juristische landwirtschaftliche Unternehmen nicht zum Zuge kamen.

Ein Agrarstrukturgesetz ist nicht notwendig. Gut, dass das Ihre Koalition auch erkannt hat. Mit dem bestehenden Grundstücksverkehrsgesetz hat das Land alle Möglichkeiten, die Verwerfungen auf dem Bodenmarkt im Interesse einer nachhaltigen regionalen landwirtschaftlichen Entwicklung einzudämmen. Notwendig ist der Abbau der Vollzugs- und Handlungsdefizite und damit die Stärkung der regionalen Ordnungsbehörden in unseren Landkreisen.

Alle bisherigen wiederkehrenden Versuche meiner Fraktion, diesbezüglich  landespolitische Möglichkeiten im Interesse der Landwirte, die auch in unseren Dörfern leben und arbeiten auszuloten und auszuschöpfen, fanden keine Mehrheiten im Landtag. Ich erinnere nur an unsere Anträge  zu Fragen des Landpacht- und Grundstücksverkehrs als Konsequenz aus dem vor drei Jahren vorgelegten Gutachten des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften, unsere Bemühungen von der Sonderregelung beim Flächenerwerb von BVVG-Flächen Abstand zu nehmen sowie der Forderung nach längerfristige Pachtverträge, um damit den Kaufdruck und die finanzielle Belastung für die Unternehmen zu reduzieren.  

Vor über zweieinhalb Jahren haben wir uns mit dem eben genannten Gutachten des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften befasst. Dieses Gutachten gab uns eine hervorragende Analyse zum landwirtschaftlichen Bodenmarkt, zu Perspektiven und Grenzen der Weiterentwicklung des bodenpolitischen Ordnungsrahmens beim Grundstücksverkehr in die Hand. Es sind in diesem Gutachten schlussfolgernd klare Erwartungen an die Politik formuliert worden.  Hinsichtlich der Entwicklung am landwirtschaftlichen Bodenmarkt wurde klar festgestellt, dass der bestehende bodenpolitische Ordnungsrahmen, also die Vorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes, grundsätzlich geeignet sind, den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen durch Nichtlandwirte zum Zwecke von Kapitalanlage zu verhindern.

Mängel wurden vor allem bei der Definition und Anwendung von Versagungsgründen beim Flächenerwerb und der Bestimmung des Missverhältnisses von Kaufpreis und Grundstückswert festgestellt. Um das alles zu regeln  und den Grunderwerb auch für Gesellschafter und Mitglieder von Genossenschaften bzw. anderen landwirtschaftlichen Unternehmen zu ermöglichen, brauchen wir kein Agrarstrukturgesetz. Sie hätten dies, Herr Minister, unter Beachtung des Grundstücksverkehrsgesetzes schon längst  regeln können, sowie Sie seiner Zeit, oder Ihr Haus festlegte, dass ein Zahnarzt aus Bayern, der in jungen Jahren mal Landwirtschaft gelernt hat, nicht durch die Ordnungsbehörden beim Flächenerwerb ausgeschlossen werden darf.

Zwei letzte Bemerkungen.

Erstens:  Herr Minister, mit dem Bericht zum Inhalt des umstrittenen Entwurfes ihrer Kabinettsvorlage haben Sie eigentlich die Katze aus dem Sack gelassen. Es ist für mich einfach unhaltbar, mit welchen Argumenten  Sie bei Ihren Kabinettkollegen für eine Zustimmung zu Ihrem Vorhaben werben. Mit Ihrer Begründung, dass 5% der landwirtschaftlichen Direktzahlungsempfänger mehr als ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften und dies aus Ihrer Sicht eine Gefahr für die Agrarstruktur sei, wird zutiefst deutlich, wie ich bereits feststellte, dass diese Gesetzesinitiative eine klare Ansage gegen zukunftsfähige und innovative Agrargenossenschaften und andere landwirtschaftliche Gemeinschaftsunternehmen ist.

Werte Kabinettsmitglieder, Sie sollten wissen, dass Minister Aeikens mit seiner Feststellung, alle Nebenerwerbslandwirte, mehr als die Hälfte aller Direktzahlungsempfänger, die neben ihrer eigentlichen außerlandwirtschaftlichen beruflichen Tätigkeit  oder als Rentner, noch zwei, drei oder vier Hektar Land bewirtschaften und dadurch flächenprämieberechtigt sind, in einen Topf  mit landwirtschaftlichen Unternehmen geworfen hat, die vielen Menschen in den Dörfern Arbeit, Ein- und Auskommen geben.

Und zweitens: Strukturpolitik für ländliche Räume, das heißt für uns, landwirtschaftliche Unternehmen zu fördern, die auf regionale und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe  mit einer hohen Wertschöpfung setzen und  vielen Menschen Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum garantieren.  Um diesen Anspruch gerecht zu werden, ist ein Kurswechsel in der EU-Agrarpolitik längst überfällig. Statt öffentliche Mittel, wie die Direktzahlungen nach Hektar zu bemessen, sollten vielmehr diese Zahlungen gebunden sein an das Vorhalten von Arbeitsplätzen und ihrer ökologischen Leistungen.

Ich höre schon wieder, DIE LINKE lässt Agrarpolitik zur Sozialpolitik  verkommen. Bedenken Sie doch nur einmal: Zur Zeit erhält ein landwirtschaftliches Unternehmen, welches mit 3 Arbeitskräften 900 ha Marktfruchtfläche bewirtschaftet und von November bis Februar eine Winterpause einlegt, die gleichen öffentlichen Mittel, sprich Direktzahlungen,  wie ein landwirtschaftliches Unternehmen das mit einer Betriebsgröße auch von 900ha, aber darüber hinaus 500 Milchkühe mit Nachzucht, 3000 Schweine und auch Geflügel hält, eine eigene Schlachtung und Vermarktung betreibt und damit  summa summarum 42 Menschen im Dorf Arbeit und Einkommen gibt. Eigentlich müssten bei den Rechnungshöfen die Alarmglocken klingeln.

Ich kann nur noch abschließend anmerken, ein Agrarstrukturgesetzentwurf, welcher diesen eben von mir dargelegten Ansprüchen nicht gerecht wird, hat nicht nur seinen Namen nicht verdient, sondern mehr noch, solch ein Entwurf gehört schlichtweg in die Tonne. Gut ,dass sie das erkannt haben. Der Auftrag ist eigentlich erfüllt. Wir hatten das glaube ich im Plenum noch nicht. Dennoch bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, um damit  öffentlich zu bekunden, dass Sie nach einem langen Diskussionsprozess auch zu dieser Erkenntnis gekommen sind.