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Hans-Jörg Krause zu TOP 01: Regierungserklärung des Min. für Landwirtschaft und Umwelt zum Thema „Eine Politik der Verantwortung für eine zukunftssichere Landwirtschaft“

Erneut beschäftigen wir uns heute mit dem Thema „Landwirtschaft“. Das ist gut so, denn hier geht es um nichts Geringeres als um die Sicherung der menschlichen Ernährung.

Angesichts der Tatsache, dass hier bei uns eher ein Überangebot an Nahrungsmitteln besteht, ist die Frage nach der Ernährungssicherung bei uns kaum ein Thema. Mehr noch, während bei uns bzw. in dem entwickelten Industrienationen die Menschen an den Folgen einer zu üppigen Ernährung leiden und vielleicht sogar sterben, hungern vornehmlich auf der südlichen Halbkugel unserer Erde annähernd 850 Mio. Menschen, darunter 150 Mio. Kinder, von denen wiederum 2,6 Mio. Kinder jährlich sterben. Die Schere zwischen denen, die es sich leisten können, Nahrungsmittel einfach in den Müll zu werfen, und denen, die sich am Tag kaum eine Mahlzeit leisten können, wird immer größer.

Wir wissen zwar, dass es immer noch vor allem die Armut ist, die den Menschen den Zugang zum sauberen Wasser und täglichen Essen versperrt, dennoch zeichnet es sich mit der Bevölkerungsentwicklung und dem Klimawandel auf unserer Erde deutlich ab, dass Landwirtschaft bzw. die Produktion von Nahrungsmitteln und deren Verteilung bereits heute mit größter Verantwortung wahrzunehmen sind.

Aus globaler Sicht ist die steigende Nachfrage nach Wasser und fruchtbarem Boden zu einem Megatrend des 21. Jahrhunderts geworden. In unseren Breiten  ist es vor allem  der Boden, in dessen Umgang wir stetig daran erinnert werden, dass er uns nicht grenzenlos zur Verfügung steht. Aber trotzdem zählt die Bodenversiegelung im Rahmen des Flächenverbrauchs nach wie vor  zu den Hauptbelastungsfaktoren des Ökosystems Boden.

Weltweit sind es etwa 10 Mio. Hektar Ackerfläche und in Deutschland  über 30.000 ha pro Jahr, die der Erzeugung agrarischer Rohstoffe entzogen werden und damit nicht mehr für die menschliche Ernährung zur Verfügung stehen. Unter anderem verursacht durch Siedlungsbau und Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen.
Gerade, wenn wir es ernst meinen mit „einer Politik der Verantwortung für eine zukunftssichere Landwirtschaft“, dann haben wir auch in Sachsen-Anhalt allen Grund hier genau hinzuschauen. Hinzuschauen, wie es um den Flächenfraß – sprich: um die Versieglung sowie um die Ersatz- und Ausgleichsleistungen bei Eingriffen in die Natur steht.

Veränderungen beginnen damit, dass man einen konkreten Überblick über die Lage des zu verändernden Zustandes hat oder sich ihn verschafft. Was die Regierung bzw. das Ministerium in der Vergangenheit dazu geboten hat, das war wirklich mehr als bescheiden. Ich erinnere auch an die Antwort auf meine Kleine Anfrage bezüglich der Handhabe von Ersatz- und Ausgleichsleistungen in unserem Land – über die fehlende Aussagefähigkeit war ich schon enttäuscht. Auch in Ihrer heutigen Erklärung haben Sie keine konkrete Zahl für Sachsen-Anhalt bezüglich der Versieglung benennen können. Ich finde, diese Situation lässt Handlungsbedarf erkennen.
 
Die andere Seite ist die, dass der Boden zunehmend der Gefahr ausgesetzt ist, durch Wind- und Wassererosion, durch Schadverdichtungen und durch einen schleichenden Abbau des Humusgehaltes stetig an natürlicher Bodenfruchtbarkeit zu verlieren. Hier stehen die Landwirte vor allem selbst in der Verantwortung durch eine gute fachliche Praxis –  wie Durchsetzung einer wissenschaftlichen Fruchtfolge, Einhaltung von Anbaupausen, Sicherung einer effizienten Humuswirtschaft die Bodenfruchtbarkeit schließlich auch in eigenem Interesse zu bewahren und zu mehren.

Ein annähernd ganzjähriger Pflanzenbewuchs schützt die Bodenoberfläche vor Trockenheit und Verschlämmung, fördert das Bodenleben und schließlich auch die physikalische Struktur des Bodens. Das sind Verhältnisse, die einen gesunden Boden auszeichnen, der in der Lage ist, Wasser zu führen und Wasser zu speichern. Bei den extremen Witterungsverhältnissen, die wir in der Vergangenheit hatten und die wir noch zu erwarten haben, sind das ganz wichtige Voraussetzung für gute Erträge in der Land-, aber auch Forstwirtschaft. Und außerdem können wir mit einem solchen gesunden Boden wesentlich mehr im Kampf gegen den Klimawandel und dessen Auswirkungen  erreichen. Ein solcher Boden, und wie er bewirtschaftet wird, ist auch der Garant für Artenvielfalt, Biodiversität sowie für eine Kulturlandschaft, wie wir sie alle mögen. Wer im Urlaub die Einmaligkeit einer schönen Kulturlandschaft geniest, bringt diesen Genuss in den meisten Fällen kaum mit der produktiven Tätigkeit der Bauern bzw. der Landwirtschaft in Verbindung.

Auch aus diesen Zusammenhängen heraus ergibt sich die große Bedeutung und Notwendigkeit einer zukunftssicheren Landwirtschaft, die eben weit mehr ist als bloßer Produzent von Nahrungsmitteln. Darüber wird oft zu wenig nachgedacht. Das ist bedauerlich, weil es zeigt, dass der Mensch sich mehr und mehr von der Natur abnabelt.
Damit einher geht oftmals auch eine gewisse Stigmatisierung der bäuerlichen Tätigkeit schlechthin. Das ist dann nicht mehr bedauerlich, sondern besorgniserregend.
An eine Landwirtschaft, die zu einem Großteil aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, werden eben nur Erwartungen gestellt. Wer aber denkt schon über die Arbeitsbedingungen nach, unter denen diesen Erwartungen Rechnung getragen werden sollen? Bei Wind und Wetter, mit lebenden Tieren, sonn- und feiertags – da gibt es keine Auszeit. Die Tiere wollen auch am Sonntag gefüttert oder gemolken werden. Wie attraktiv sind solche Arbeitsbedingungen für junge Menschen?

Auch hier sind wir, Politikerinnen und Politiker, gefragt, wenn es um  „eine Politik der Verantwortung für eine zukunftssichere Landwirtschaft“ geht. Ich denke, Politik kann nicht nur, sie muss auch wirksam auf ein gesellschaftliches Klima Einfluss nehmen, in dem die Landwirte und die Landwirtschaft höhere Wertschätzung erfahren als bisher. Poltische Rahmenbedingungen, klare und vor allem auch kontrollierbare Rechtsverhältnisse, an denen sich übrigens nicht nur Landwirte ausrichten können, das wird von Politik erwartet.

Das Wort „Tierwohl“ hatte im letzten Jahr bei den Koalitionsfraktionen und auch bei Ihnen, Herr Minister, geradezu Konjunktur. Trotzdem diese Misere mit Straathof. Das hätten wir uns ersparen können, wenn den Worten Taten voraus gegangen wären und Sie die Stimmen der Menschen vor Ort und die Hinweise der Opposition ernst genommen und wenn Verwaltung und Behörden des Landes transparenter und entschlossen kontrolliert und gehandelt hätten.  Wenn es dafür jedoch rechtliche Hürden gegeben haben sollte, dann darf man doch davon ausgehen, dass diese jetzt schleunigst ausgeräumt werden, ohne, dass wir als Opposition immer wieder den Finger in die Wunde legen müssen.
Auch das hat mit Verantwortung für eine zukunftssichere Landwirtschaft zu tun – nämlich Schaden von der Region und Imageschaden von der Landwirtschaft abzuwenden. Ich erinnere nur an die jüngste Diskussion um unseren Antrag betreffs Einführung von Obergrenzen. Da wird mehr darüber diskutiert, warum es nicht geht, als nach Wegen zu suchen, wie das längst Überfällige umgesetzt werden kann.

Bei allen kritischen Randglossen, die uns auch zu unserem Gesetzentwurf über das Verbandsklagerecht und die Mitwirkungsrechte von Tierschutzvereinen in Sachsen-Anhalt aus der Regierungskoalition und zugegebenermaßen auch aus der Bauernschaft ereilt haben, sage ich heute: Hätten wir diese Obergrenzen und die Mitwirkungsrechte der Tierschutzvereine schon gehabt, dann wäre uns einiges erspart geblieben. Vor allem auch der Imageschaden, der die Landwirtschaft trifft.

In der nächsten Ausschussberatung werden wir ja darüber nun endlich beraten. Ich bin gespannt, wie die Diskussion und vor allem die Entscheidungen ausfallen werden.
An dieser Stelle möchte ich wiederholen, was ich schon bei vorangegangenen Debatten gesagt habe. Im Fokus des Verbandsklagegesetzes steht, wenn überhaupt,  nicht in erster Linie die breite Masse der Landwirte, sondern das Handeln von Regierungseinrichtungen und Landesbehörden. Transparentes Handeln, Kontrolltätigkeit, Entscheidungsfreudigkeit, wo konkrete Entscheidungen nach Norm, Gesetz oder Vorschrift zu entscheiden wären, wurde einfach nur nach Ermessen entschieden. Das, meine Damen und Herren, ist nicht korrekt.

Nun einige Gedanken zum Thema Grundstücksverkehr. Wie ja gerade in den Letzten Tage verfolgt werden konnte, stößt die Handhabe des Grundstücksverkehrsgesetzes im Allgemeinen und die Privatisierung der ehemals volkseigenen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen auf eine breite Kritik in der Bevölkerung und insbesondere bei den Landwirten in den neuen Bundesländern. In diesem Jahr geht es in Sachsen-Anhalt  um den Verkauf von 4.600 ha. Auch die verbleibenden rd. 40.000 ha, die bis 2025 veräußert werden sollen, lassen ein „gutes Geschäft“ erwarten, wie Herr von Arnim am Dienstag verlauten ließ. Es wird erneut „Millionen“ in die Kassen des Bundes spülen.
Natürlich bestimmen die Bieter bzw. „die Kunden  der BVVG“ – wie Herr von Arnim sagt - mit ihren Geboten den Preis. Mit der Akzeptanz von Höchstangeboten öffnet man allerdings für Kapitalanleger und Bodenspekulanten Freiräume für Wucherpreise.
Das ließ den Hektarpreis im letzten Jahr  schnell um 21 % um 4.000  auf über 23.000 EURO ansteigen.

Für unsere Fraktion ist dieser Ausverkauf der Flächen einfach inakzeptabel. Umso mehr, da er die agrarstrukturellen Erfordernisse unseres Landes total konterkariert und insbesondere auch eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes gefährdet und blockiert. Boden- und Pachtpreise, die nicht mehr durch landwirtschaftliche Arbeit refinanzierbar sind, kann sich der praktizierende bzw. ortsansässige Landwirt nicht leisten. Er ist von einer Teilhabe am Grundstücksverkehr ausgeschlossen.

Hinzu kommt, dass mit den so genannten Bodenfonds und anderen außenstehenden Neueigentümern sukzessiv Kapital aus dem ländlichen Raum abgezogen wird.  
Diese Gefahr muss verhindert und solche Praxis  gestoppt werden. Lange genug ist über dieses Thema debattiert worden; die Problemlage ist bekannt! Der Dauerbrenner Grundstücksverkehr stand in den letzten beiden Legislaturperioden mehrfach auf der Tagesordnung in diesem Haus. Woran, das werden Sie zugeben müssen, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, gerade auch unsere Fraktion einen wesentlichen Anteil hatte.

Wie oft haben wir/ habe ich die Regierung / den Minister aufgefordert nicht nur in den Ausschussberatungen und vor diesem Plenum Krokodilstränen zu vergießen, nicht nur die Situation zu beklagen, sondern endlich zu handeln. Bedauerlicherweise hat sich auch die regierende Mehrheit in diesem Plenarsaal immer nur mit Berichterstattungen zufrieden gegeben und die konkreten Forderungen aus unseren Anträge mit entsprechenden Alternativ- oder Änderungsanträgen „entschärft“ und damit die Lösung des Problems auf die lange Bank geschoben.

Wir bleiben dabei, die rechtlichen bzw. landespolitischen Möglichkeiten, die uns das Grundstücksverkehrsgesetz geboten hat, wurden im Interesse einer nachhaltigen Agrarstruktur längst nicht ausgeschöpft.  In dem vor zwei Jahren vorgelegten Gutachten des Bundesverbandes der Landgesellschaften haben das anerkannte Juristen, Wissenschaftler und Verwaltungsexperten unmissverständlich herausgearbeitet. Dieses Gutachten kam einer Empfehlung  an die Politik gleich. Die Botschaft lautete: Abkehr von der primärfiskalpolitischen Privatisierungsstrategie hin zu einer stärkeren Berücksichtigung agrarstruktureller Belange mit dem Ziel der Entlastung der Betriebe durch Reduzierung des Kaufdrucks, so wie  wir es auch immer gefordert haben. Das heißt, mindestens Streckung des Privatisierungszeitraums durch langfristige Pachtverträge.

Die Rechtsexperten haben auf die Verfassungskonformität des Grundstücksverkehrsgesetz verwiesen und festgestellt, dass es in keiner Weise verfassungsrechtliche Schranken im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gibt.
Fazit: Unser Standpunkt, dass es mit dem Grundstücksverkehrsgesetz weit mehr Möglichkeiten gab, als Sie es uns immer weiß machen wollten, Herr Minister, hat sich bestätigt. Statt den Ordnungsbehörden in den Landkreisen klare Entscheidungskriterien vorzugeben, ihnen zu gestatten oder sie zu ermuntern, diesen Rechtsrahmen auszuschöpfen, geben Sie ein weiteres Gutachten zur Problemstellung von Anteilsverkäufen in Auftrag. Nun liegt auch das vor, mit dem Ergebnis, das wir schon vor zwei Jahren hatten.  Wieder Zeitverlust. Jetzt machen Sie sich daran, wieder zeitschindend, agrarstrukturelle Leitlinien bzw. ein Agrarstrukturgesetz zu erarbeiten.  Noch liegt uns der Entwurf nicht vor. Wenn es hilft – gut!  Auch möchte ich Ihren Fleiß nicht bremsen, aber man kann das Eine auch tun, ohne das Andere zu vernachlässigen!

Noch ein Wort zur Tierhaltung. Nutztiere nehmen nicht nur einen wichtigen Platz im landwirtschaftlichen Wirtschaftskreislauf ein, sie sind auch Voraussetzung, um im ländlichen Raum Wertschöpfung und damit den Menschen in unseren Dörfern Arbeit und Einkommen zu ermöglichen. Eine Voraussetzung, um auch die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum finanzieren zu können. Die regionale Verteilung der Tierproduktion und Verarbeitung sind daher konsequent in den  Mittelpunkt agrarstruktureller Fragen zu stellen.

In den jetzt stattfindenden Kreisbauernverbandstagungen ist immer wieder zu  der am 1. April auslaufenden Milchquote kritisch Stellung bezogen worden.
Die Mehrzahl der Bauern spricht von einer Entlassung in die pure Marktwirtschaft!
Die Mehrzahl der regierungsverantwortlichen Politiker verweist auf mehr unternehmerische Eigenverantwortung.  Die Spreu wird vom Weizen getrennt, die Milch wird zum besten Milchwirt wandern. Hier und da werde es auch zur Aufgabe der Milchproduktion kommen. Was aus der Sicht dieser Politiker so einfach erscheint, bringt viele Milchbauern zur Weißglut.

Auf dem vor zwei Tagen in Karow durchgeführten Milchforum des Bundesverbandes  Deutscher Milchproduzenten habe ich mich davon überzeugen können.  Die Landwirte, auch Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt, haben deutlich gemacht, dass sie von der Politik mehr erwarten, als nur einen Hinweis auf die Selbstheilungskräfte des Marktes.
Intensiv sind wir dabei, über manch unhaltbare Zustände in der Schweinehaltung zu diskutieren und verbinden diese Diskussion mit Tierbestandsobergrenzen, mit Fragen des Tierschutzes, mit regionaler Bodengebundenheit usw. -  das ist auch gut so.
Jetzt dürfen wir allerdings nicht den Anschluss bei den Milchbauern verpassen. Diese schauen jedenfalls ihrer neuen Marktfreiheit mit gemischten Gefühlen entgegen. Ich hoffe, die Regierung wartet nicht nur ab, sondern macht sich inzwischen über die dann neue Situation und über die Auswirkungen auf unsere Agrarstruktur Gedanken.

Seitens der Milchproduzenten gibt es gegenüber der Politik ein Angebot zur Verbesserung der Markposition der Milchbauer gegenüber Molkereien und Handel. Herr Minister, ich hoffe, dieses Angebot wird von Ihnen ernst genommen. Sie wissen wie ich, es geht nicht nur um die Milch schlechthin, sondern um den Bereich in der Landwirtschaft, der die meisten Arbeitsplätze vorhält und auch die höchste Wertschöpfung  realisiert.  Es geht darum, die Potenziale des ländlichen Raumes nachhaltig nutzbar zu machen – letztlich auch für die dort lebenden Menschen.