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Guido Henke zu TOP 17: Wirtschaftlichkeitsnachweis von Öffentlich-Privaten-Partnerschaft-Modellen (ÖPP)

Wie in der Antragsbegründung formuliert, stehen bis zum Haushaltsjahr 2016 wichtige Projekte auf Landes- und kommunaler Ebene unter Vorbehalt eines Effizienznachweises. Mit diesem Junktim ist die Landesregierung verpflichtet, diese sich selbst auferlegten möglichen Investitionshemmnisse auf deren Folgen hin zu untersuchen. Gestatten Sie drei Vorbemerkungen.

Erstens. In der letzten Wahlperiode wurde meist von PPP-Modellen gesprochen, auch in unseren Landtagsdrucksachen. In der sechsten Wahlperiode findet die inhaltsgleiche Übersetzung als ÖPP-Vorhaben Anwendung. Das ist eine Praxis, die sich meist auch auf der Bundesebene durchgesetzt hat.

Zweitens. Im Koalitionsvertrag sind dazu eindeutige Aussagen getroffen worden, wie Sie es der Antragsbegründung entnehmen können. Ich hoffe, dass sie von beiden Koalitionsparteien gleichermaßen verstanden werden.

Drittens. Der Antrag soll nicht zu einer prinzipiellen Diskussion über ÖPP anregen. Er soll auch nicht dazu veranlassen, eine Diskussion über Schuldenbremsen zu führen und Rekommunalisierungsfragen zu erörtern.

Das sage ich nur, falls jemand wegen der Beratung zum Antrag in der Drs. 17/5776 der Fraktion DIE LINKE im Bundestag am 27. Mai 2010 Erwartungen hegt, die heute eher nicht erfüllt werden.  

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind immanenter Bestandteil des öffentlichen Auftragswesens. Das Haushaltsgrundsätzegesetz, die Landeshaushaltsordnung sowie die VOB und die VOL enthalten dazu verbindliche Angaben. Zum Beispiel wird in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB eine sparsame Haushaltsführung gefordert und es wird festgeschrieben, dass alle Gesichtspunkte wie zum Beispiel Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften sowie Betriebs- und Folgekosten zu berücksichtigen sind.

Daher war es zu begrüßen, dass in den Haushaltsplan 2010/2011 bei Einzelplan 14 - Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr - Kapitel 14 12 - Straßenbau - Titelgruppe 63 - ÖPP-Projekte im Landesstraßenbau - ein Betrag in Höhe von 100 000 € für eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu PPP im Landesstraßenbau eingestellt worden ist. Bei diesem Titel sind im vergangenen Jahr leider keine Mittel abgeflossen. Möglicherweise sind diese Mittel auf das Jahr 2011 übertragen worden. Aber wie wir der Antwort der Landesregierung in der Drs. 6/100 auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Dr. Angelika Klein entnehmen können, weiß man das bis heute noch nicht.

Zum Inhalt des Antrages. Wir benötigen ein anerkanntes Kostenvergleichsverfahren. Es gibt schon vieles, aber wer erkennt was wann von wem an? Einige Beispiele: Aktuell gibt es eine Arbeitsanleitung des BMF vom Januar 2011 zu Einführungen in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Es gibt die schon älteren Leitfäden I bis V aus dem BMVBS. In dem Leitfaden I spricht man von „Chancen und Risiken von PPP-Projekten in den neuen Bundesländern“, in Leitfaden IV von „PPP-Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“.  
Es gibt den Runderlass des Innenministeriums unseres Landes vom 28. April 2004 mit dem Titel „Behandlung von PPP-Projekten auf kommunaler Ebene“, in dem das MI den Kommunalaufsichtsbehörden und den Kommunen Hinweise zum Umgang mit entsprechenden Projekten gab. Zudem gibt es die „Handhabung öffentlich-privater Partnerschaft durch Kommunen in Sachsen-Anhalt“ vom Januar 2007, ebenfalls aus dem MI des Landes Sachsen-Anhalt.

Deshalb begehrt unser Antrag ein zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmtes Bewertungsverfahren, das auch von den Rechnungshöfen anerkannt wird. Es sollen also nicht zusätzliche Haushaltsmittel parallel auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden, sondern es soll ein möglichst koordiniertes Vorgehen erfolgen, welches schnelle Ergebnisse zeitigt.

Das prominenteste Beispiel von PPP aus der fünften Wahlperiode war die JVA Burg-Madel. Den Wirtschaftlichkeitsvergleich zur JVA zwischen der Eigenrealisierung des Landes und dem PPP-Modell führte in diesem Beispiel ein externes privates Beraterteam durch. Allein durch die vorbereitenden Beratungen über einen Zeitraum von drei Jahren wurden Kosten in Höhe von 1,5 Millionen € verursacht. Jenes externe Team maß das wirtschaftlichste Angebot am PSC, dem Public Sector Comparator, also an dem Vergleichswert für die Eigenrealisierung durch die öffentliche Hand als Kostenobergrenze.
Nicht überraschend ermittelten die privaten Berater einen Barwertvorteil des PPP-Modells gegenüber dem konventionellen Eigenbau und Betrieb in Höhe von etwa 12 %. Das war erst einmal eine Ansage. Im Fachausschuss LEV verstiegen sich die Vertreter der Landesregierung auf eine Präzisierung bis auf die Kommastelle und sprachen von einem Kostenvorteil von 12,1 %. Neben dieser Behauptung erlebten wir Nachteile am Beispiel JVA Burg-Madel. Sie sind bereits in der Debatte zu dem Antrag „Mehr Transparenz für öffentlich-private Partnerschaften“ in der Drs. 5/2551 am 2. Februar 2011 an dieser Stelle angemerkt worden und sollen nicht wiederholt werden. Denn das Risiko bleibt immer bei der öffentlichen Hand. Damit sind wir bei der Betrachtung dazu.  

Es ist gängige PPP-Praxis, in die Verträge eine Feinheit aufzunehmen, die Forfaitierung, also den Forderungsverkauf mit Einredeverzicht. Das heißt, der private Investor verkauft den Vertrag, den er mit dem öffentlichen Auftraggeber gemacht hat, mit den festgeschriebenen Mietverpflichtungen an eine Bank. Diese kauft die Forderungen unter der Bedingung, dass der öffentliche Auftraggeber die Miete nicht an den Investor zahlt, sondern an sie.  

Außerdem besteht der öffentliche Auftraggeber nicht auf dem sonst üblichen Recht des Mieters, bei Mängeln, Minderleistungen oder Schlechterfüllungen der vertraglichen Pflichten die Miete zu mindern. Diese Selbsteinschränkung des Auftragsgebers wird Einredeverzicht genannt, und dadurch geht er erhebliche Risiken ein. Selbst wenn der Insolvenzfall des Investors eintritt - das ist üblicherweise ein Kündigungsgrund im öffentlichen Auftragswesen -, muss der öffentliche Auftraggeber weiterhin Zahlungen in vollem Umfang an die Bank leisten. Der Investor braucht keine Garantien für die termingerechte Fertigstellung des Projektes zu geben. Die finanziellen Risiken und die Risiken der Erfüllung liegen allein beim Auftraggeber. ÖPP-Verträge werden zum Beispiel in Kommunen oft nur in nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen beraten. Die beschriebenen Regelungen unterfallen der Geheimhaltung. Damit sind wir beim Thema Nachprüfbarkeit und Transparenz.  

Die Landeshauptstadt Magdeburg verwies bei der Vorstellung des PPP-Projektes Schulen Paket I im September 2007 auf die Finanzierung von PPP-Projekten mittels kommunaler Forfaitierung. Wörtlich hieß es dazu: Das Modell der kommunalen Forfaitierung wurde gewählt, um niedrige Finanzierungskonditionen zu erzielen und den regionalen Mittelstand zu beteiligen. Das klingt gut und ist ganz im Sinne des im Antrag erwähnten Landtagbeschlusses vom Juli 2006: PPP zur Stärkung des Mittelstandes - aber mit einem Risiko für und auf Kosten der öffentlichen Hand?  

Auch die PPP-Beispiele zur Sanierung von Schulen und Kitas in Halle erwecken kaum mehr Vertrauen. Hier sprach im September 2008 der zuständige Ressortleiter Jörg Baus von Effizienzvorteilen bei den Schulen von 19 % und bei den Kitas von 11 %. Wörtlich sagte er gegenüber dpa: Auch für PPP braucht man Geld, aber man spart auch. - Aber nach welcher Vergleichsberechnung wurde das durch wen so präzise festgestellt?  
Auf der Internetseite Halleforum.de gab es am 31. Mai 2010 einen Artikel über einen kritischen Bericht des Landesrechnungshofs über eben jene PPP-Projekte in Halle. Das Prüfergebnis des Landesrechnungshofes ist wie bei früheren Untersuchungen annähernd ernüchternd. Typisch war die Reaktion der Betreiber in Halle: Die Projektgesellschaft hat mitgeteilt, dass einer Veröffentlichung des Jahresberichtes nicht zugestimmt werden kann, da es sich hierbei um interne Planbilanzen des Unternehmens handelt. - Das ist auch von anderen PPP-Projekten bekannt; was unangenehm werden könnte, wird zur Geheimsache erklärt. Laut Halleforum.de kritisierten die Rechungsprüfer, dass die PPP-Projekte die Finanzprobleme der Stadt Halle nicht lösten und dass es vielmehr zu einer Verlagerung der finanziellen Belastung in die Zukunft komme. Der Landesrechnungshof formulierte damit wieder einmal deutlich, dass diese Form der Privatisierung insgesamt in den meisten Fällen schlicht eine Verlagerung der Kosten auf die Allgemeinheit darstellt, und von nachgewiesenen Kostenvorteilen findet sich keine Spur.

Diese Geheimniskrämerei um die Verwendung öffentlicher Gelder zugunsten privater Unternehmen gab es nicht nur in Halle, sondern auch unter unserer letzten Landesregierung. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz merkt in seinem achten Tätigkeitsbericht in der Drs. 5/715 unter der Überschrift „Datenschutz und ein großes Investitionsprojekt: PPP-Burg“ kritisch an, dass er einer Antwort des MJ auf eine Anfrage hin, ihn über datenschutzrechtlich bedeutsame Aspekte zu informieren, lange harrte. Er sollte eine Schweigeverpflichtungserklärung abgeben, obwohl ihm die Zusendung aller erforderlichen Aussagen vorab zugesagt worden war. In der Stellungnahme der Landesregierung zu seinem Bericht in der Drs. 5/1097 heißt es dazu: „Die Landesregierung ist der Auffassung, dass auch in diesem Fall öffentlichrechtliche Grundsätze gelten und damit grundsätzlich die Kontrollzuständigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz besteht. Deshalb ist der Zeitpunkt der späten Übermittlung den einschlägigen vergaberechtlichen Vorschriften geschuldet, die anderenfalls ein Verfahren zur Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung notwendig gemacht hätten.“
Das Problem der Intransparenz bleibt bestehen.

Wirtschaftlichkeit ist  das wesentliche  Vergabekriterium. In der öffentlichen Anhörung am 7. Februar 2007 erklärte der Präsident des Landesrechnungshofs Folgendes: „PPP-Projekte sind zunächst eine wertneutrale Variante zu allen anderen Finanzierungsformen … Sie werden jedoch häufig als Ausweg aus der finanziellen Notlage der Gebietskörperschaften angesehen, mit dem Investitionsstaus aufgelöst und neue Wachstumsimpulse gesetzt werden können. Der wichtigste … Punkt ist: PPP-Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leisten.“

Bezüglich des Verfahrens wies er auf folgende fünf Punkte hin: 

  • erstens die Feststellung der Notwendigkeit und langfristigen Finanzierbarkeit,  
  • zweitens die Wirtschaftlichkeit eines Projektes über die gesamte Laufzeit hinweg, die nachzuweisen ist,
  • drittens müsse es zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Partner eine angemessene und wirtschaftliche Risikoverteilung geben,  
  • viertens mahnte er das Risiko der komplexen PPP-Verträge an und  
  • fünftens sind „PPP-Projekte über ihre gesamte Vertragslaufzeit im Haushalt klar darzustellen, um die Belastung künftiger Haushalte eindeutig zu regeln“.

Aus diesen Darlegungen des Landesrechnungshofs ergibt sich eigentlich die Notwendigkeit, eines Prüf-, Vergleichs- oder Berechnungssystem zwischen ÖPP und Eigenbaulösung.

Der konventionelle Vergleichswert, der Public Sector Comparator, beinhaltet geschätzte, im Rahmen kameralistischer Haushaltsführung unvollständige Werte. Hierzu haben Sie, Herr Minister, mir schon einmal gesagt, das seien alles Schätzungen. Beim PSC müssen dem privatrechtlichen Angebot die bei der öffentlichen Körperschaft verbleibenden einzelfallspezifischen Kosten hinzugerechnet werden. Aber bei einer kameralistischen Haushaltsführung ist dies mangels eigener Kostenstellen, Kostenträger oder Kostenartenrechnung unmöglich. PSC ist als Maßstab der Bewertung privatrechtlicher Angebote zur Entscheidung pro PPP nur bedingt verwendbar. Und PSC betrachtet keine Risiken, wie zum Beispiel Leistungsunfähigkeit durch Insolvenz, Mängel in der Ausführung oder nicht gehaltene Termine.  

Anders sieht es bei der Kosten-Nutzen-Betrachtung aus. Sie ist im Vergleich dazu die umfassendere Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Sie berücksichtigt alle Wirkungen, insbesondere deshalb, weil sie sowohl direkte als auch indirekte geldwerte Vorteile und darüber hinaus monetär schwer oder nicht bewertbare Kriterien, zum Beispiel städtebauliche, ökologische oder soziologische Wirkungen, als auch Auswirkungen auf die regionale und raumordnerische Entwicklung berücksichtigt. Die Kosten-Nutzen-Betrachtung beinhaltet im Unterschied zu PSC tatsächlich anfallende Kosten, welche im Rahmen kameralistischer Haushaltsführung praktisch nicht ermittelt werden können. Sie liefert zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten umfassende Aussagen, welche weit über die eigentlichen Kalkulationsmaßstäbe hinausgehen. Nur durch diesen umfassenden volkswirtschaftlichen, mindestens wertanalytischen Ansatz liefert die Kosten-Nutzen-Betrachtung einen objektiven Maßstab. Nur sie legt alle Chancen
und Risiken von ÖPP offen und kann daher als Grundlage für die Feststellung von Effizienzvorteilen dienen.  

Wir sollten die Erfahrungen anderer nutzen. Zum Beispiel hat der Rechnungshof des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2009 eine Wirtschaftlichkeitsanalyse von ÖPP-Projekten der ersten und zweiten Generation bei Hochbaumaßnahmen des Landes vorgelegt und festgestellt, dass die behaupteten Effizienzrenditen von 11 % bis 19 % auf Dauer nicht zu halten sind. Die meisten der untersuchten Fälle ergaben im Durchschnitt einen Kostenvorteil von etwas über 2 %. Dabei ist ein Vergleich anhand konkreter Angebote für beide Varianten erforderlich.  

„Schätzungen sind hypothetisch, Marktpreise real“ - dies führte der Präsident des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg aus. Insbesondere bei ÖPP-Projekten der zweiten Generation, die neben der Planung, der Finanzierung und dem Bau auch den Betrieb umfassen, vergleichbar der JVA Burg-Madel, sei es wegen der Kosten für die Risikovorsorge und den langen Vertragslaufzeiten schwierig, Vergleiche mit einer Eigenrealisierung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit anzustellen. Es müsse ein sorgfältiger Vergleich auf der Basis von Marktpreisen für alle Realisierungsvarianten erfolgen.