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Guido Henke zu TOP 11: Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Sachsen-Anhalt

Nach dem Rüffert-Urteil des EuGH von 2008 können die öffentlichen Auftraggeber die Einhaltung allgemeinverbindlicher oder gesetzlicher Mindestlöhne verlangen. Nicht mehr, auch nicht weniger. Der EuGH bekräftigt sogar ausdrücklich die Anwendung eines Mindestlohn-Standards. Hier widersprach er auch nicht der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das 2006 u.a. feststellte, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „Gemeinwohlziele überragende Bedeutung“ haben.

Als solche Gemeinwohlziele bezeichneten die Richter u.a. die Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbers über Lohnkosten. Daraus folgte als Konsequenz die Zulässigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns, und nicht nur von allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen, sondern auch

  • die Stützung der Ordnungsfunktion von Tarifverträgen
  • die Erhaltung als wünschenswert erachteter Sozialstandards
  • und die Entlastung der Sozialsysteme, die z.B. Lohnersatzleistungen zu finanzieren haben.


Liebe SPD-Kollegen, Sie hatten sich 2001 dafür eingesetzt, dass es hier ein gutes Gesetz gab, das den Geltungsbereich für alle öffentlichen Auftraggeber, gleich welcher Rechtsform oder Zusammenschlüsse klarstellte. Das beinhalten auch beide Entwürfe, nur verzichtet die Koalition auf die eigentlich zwingende Schlussfolgerung, auf die Festschreibung eines gesetzlichen Mindestlohns. Die öffentlichen Auftraggeber wurden stärker in die Pflicht zur Bieter- und Angebotsprüfung genommen. (Genau diese Regelungen hätten einen Fall wie bei der JVA Göttingen-Rosdorf verhindern können.) Die Tarifbindung wurde ursächlich aus der Auskömmlichkeitskontrolle jedes Angebots abgeleitet. Es ging um Nachweise, um fairen Wettbewerb und korrekten Umgang mit den Beschäftigten, es ging nicht um Ausschluss von Bietern. D.h., zuerst wurden die öffentlichen Auftraggeber in die Pflicht genommen, damit die Betriebe in die Lage versetzt wurden, überhaupt (damals tarifliche) Mindestlöhne zahlen zu können.

Dieser Maßstab aus Sachsen-Anhalt ist bis heute bundesweit unerreicht.

Die Mängel des alten Gesetzes lagen außerhalb seiner Regelungen. Es unterstellte funktionierende, d.h. mit ausreichend qualifiziertem Fachpersonal besetzte Vergabestellen. Seither ist die Lage noch schlechter geworden ich nenne als Stichworte die kommunale Finanznot und den Personalabbau auf allen Ebenen. All das verhindert zunehmend, dass auskömmliche Angebotskalkulationen, die Feststellung des wirtschaftlichsten Bieters als Risiken, wie Nachtragsforderungen, Qualitätsmängel oder Zahlungsunfähigkeit mit Einstellung der Bautätigkeit und Terminverzug erkannt und ausgeschlossen werden. Das sind dann immer auch Verteuerungen, also das Gegenteil vom „Sparen um jeden Preis“. Billig bauen wird erfahrungsgemäß immer teuer.

Umso mehr ist es heute nach den alten Erfahrungen unerlässlich, für die Angebotsprüfungen in den Vergabestellen klare Kalkulationen auf Grundlage von Mindestlöhnen zu ermöglichen und eben auch Bearbeitungshilfen anzubieten.

Eine der Erkenntnisse von 2001 ist nun einmal, dass es das damalige MW unterließ, trotz vieler Hinweise, flankierende Arbeitshilfen unverzüglich per Runderlass zu verabschieden. Diesen Vorwurf muss sich die SPD-Fraktion gefallen lassen.

Es war dann eine Ironie, dass nach Aufhebung des alten Vergabegesetzes 2002 durch die CDU/FDP-Regierung der liberale Wirtschaftsminister nicht umhin kam, solche Richtlinien zu erlassen, die dann genau eine Untersetzung der Prüfbarkeit der Bietererklärungen und Angebotskalkulationen im Sinne des Vergabegesetzes enthielten. Sie standen fünf Jahre im Anwenderhandbuch und fanden Nachfolgeregelungen bis 2011.

Das waren die Anforderungen an die Inhalte der Bewerbererklärungen samt Formularen sowie die Regelungen zur Präqualifizierung einschließlich der Handhabung von Unternehmer- und Lieferantenverzeichnissen. Das drückte die Suche besonders der Kommunen aus, Vergabefehler zu vermeiden. Mangels anderer Angebote der Landesregierung setzte man sich lieber dem Vorwurf von Hoflieferanten-Listen aus, als mit wenig Personal Fehler zu begehen.

Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr führte mehrfach, zuletzt per Runderlass vom 11.01.2011, das Vergabehandbuch des Bundes für die Landesbauverwaltung ein, auch nur eine Sammlung von Arbeitshilfen und Formularen, aber eine bewährte.

Die wiederholten Vorschläge der Bauwirtschaft, jenes anerkannte VHB auch den Kommunen nahe zu legen, um eine Vereinheitlichung, also Entbürokratisierung, zu erreichen, scheiterte regelmäßig. Bei Wirtschaftsminister Dr. Haseloff verkümmerte das trotz neuer Vergabeherausforderungen bei Präqualifikation oder e-Vergabe zum bereits erwähnten so genannten Anwenderhandbuch.

Der 1997 eingeführte Bau-Mindestlohn kann als Experiment unter Realbedingungen gesehen werden. Er ist zwar keine mangelfreie, doch aber eine Erfolgsgeschichte: Er wurde eingeführt, als der Bauumfang deutlich zurückging. Unbestritten hat er schlimmere Auswirkungen des Preis- und Lohndumpings verhindert.

Dieser Mindestlohn Ost  über inzwischen fast 10,00 Euro führte u.a. dazu, dass der tatsächlich gezahlte Baudurchschnittslohn in Sachsen-Anhalt analog zur Preisentwicklung steigen konnte und heute als Durchschnitt der Gewerke bei annährend 12,00 Euro liegt. Denn auch bei geringer Tarifbindung bewirkte der allgemeinverbindliche Mindestlohn innerbetrieblich einen Lohnabstand zwischen dem Bauwerker und dem Spezialbaufacharbeiter.

Wir können heute eine noch bessere Lösung anbieten: den für alle Branchen geltenden gesetzlichen Mindestlohn. Mit ihm wäre nebenher der größte Mangel der seit 1997 bestehenden Bau- Mindestlohn-Regelung beseitigt: Die legale Umgehungsmöglichkeit durch Betriebe, die auf der Baustelle arbeiten, offiziell und irgendwie auch korrekt Bauleistungen erbringen, aber nicht vom Geltungsbereich des Mindestlohn -Tarifvertrags Bau erfasst werden.

Auch Prüfberichte des Bundesrechnungshofes sind heranzuziehen: Danach ist diese unklare Abgrenzung zwischen den vom allgemeinverbindlichen Bau- Mindestlohn erfassten und den davon nicht erfassten Ausbaugewerken bei den Baustellenermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Hauptzollämter praktisch nicht prüfbar. Ein fehlender gesetzlicher Mindestlohn leistet also im Baustellenalltag der Schwarzarbeit Vorschub.