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Guido Henke zu TOP 10: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt und zur Regelung der Zuständigkeiten für die Marktüberwachung / Bauordnungsrechtliche Hürden bei der Nutzung erneuerbarer Energien abbauen

Die Landesbauordnung erfasst eine unheimliche Bandbreite von Themen und damit natürlich auch von Interessengebieten. Das ist einzugestehen. Das kann nicht beschönigt werden. Für mich persönlich kann ich jedoch sagen, dass ich in meiner Abgeordnetenzeit bisher selten eine parlamentarische Beratung zu einem Gesetzentwurf erlebt habe, der so sehr auf die Diskussion und die Berücksichtigung der Argumente aus der öffentlichen Anhörung abgestellt hat. Das ist - auch mit leichter Selbstkritik - etwas, das wir uns zukünftig durchaus als Vorbild nehmen können. Dass sich die Hinweise der Ingenieure, der Planer, der Architekten und der Feuerwehrleute dann auch in den Änderungsanträgen aller Fraktionen wiederfanden, war sicherlich auch ein Grund dafür, dass es dafür eine fraktionsübergreifende Mehrheit gegeben hat.
 
Es wird Sie nicht verwundern, dass ich noch einmal auf das Thema der Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden eingehe.

Der Minister hat mir die Ehre angedeihen lassen, sich dezidiert mit unserem Antrag auseinanderzusetzen. Herr Minister, bei allem persönlichen Respekt, zu der Frage haben wir völlig unterschiedliche Auffassungen. Ich hatte bereits während der ersten Lesung gesagt, dass wir es begrüßen, dass die Begriffsbestimmungen in § 2 des hier vorliegenden Gesetzentwurfs um die Definition der Barrierefreiheit erweitert wurden. Das ist so weit konkret. Aber die ausreichende Umsetzung ist in der Diskussion letztlich nicht erfolgt. Das war der Punkt, wo sich unsere Fraktion mit ihren Änderungsanträgen leider nicht durchsetzen konnte. Uns ging es eben darum, die Barrierefreiheit grundsätzlich in allen öffentlichen Gebäuden zu fixieren.

Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Aufgabe der Bauordnung und der Bauaufsichtsbehörden natürlich in der Gefahrenabwehr besteht. So definiert es auch § 3, der überarbeitet wurde. Aber unser Änderungsvorschlag dazu fand keine Zustimmung.  
 
Anstelle der gemeinsam vom Allgemeinen Behindertenverband Sachsen-Anhalt, dem Landesbehindertenbeauftragten und dem Landesbehindertenbeirat in der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf erhobenen Forderung nach einer Anwendung und Prüfung der eingeführten technischen Baubestimmungen wurden Normen, die die Barrierefreiheit betreffen und in die Liste der technischen Baubestimmungen gehören, aus bauordnungsrechtlichen Überlegungen heraus, zum Beispiel aus Gründen der Gefahrenabwehr und eben auch zugunsten von Erleichterungen für Investoren, inhaltlich erheblich gekürzt. Unsere Fraktion beantragte daher folgerichtig, den in der Anhörung von den Behindertenverbänden vorgeschlagenen Text: „Die eingeführten technischen Regeln sind bezogen auf Barrierefreiheit
anzuwenden und zu prüfen.“ in den neuen § 3 Abs. 3 aufzunehmen. Das fand leider keine Mehrheit. Die stattdessen in das Gesetz aufgenommene Erweiterung ist weiße Salbe, die niemandem hilft. Dieser Makel bleibt am Gesetzentwurf hängen. Er bleibt auch rückblickend unentschuldbar, wir hätten dort mehr Möglichkeiten gehabt.  
 
Seit dem 26. März 2009 gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention. Es war damit höchste Zeit, dieses auch in diesem Bundesland geltende Recht konkret in der Landesbauordnung umzusetzen. Dieser Chance und dieser Aufforderung sind wir nicht gefolgt und haben versagt. Denn es gilt aus unserer Sicht, der eingeschränkten Nutzbarkeit wirkungsvoll vorzubeugen und dafür Sorge zu tragen, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt wird. Es gilt, die Barrierefreiheit in allen öffentlich zugänglichen Einrichtungen zu gewährleisten, egal ob in Einrichtungen im Kulturbereich, im Bildungswesen oder in Sport- oder Freizeitstätten, in Einrichtungen des Gesundheitswesens oder im von mir schon bemühten Hochschulbau.
 
Auch das Grundgesetz schreibt eindeutig vor, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Hierbei liegt eine Form von Benachteiligung vor, wenn wir meinen, uns sehenden Auges hinter wirtschaftlichen Erwägungen verstecken zu können, und sagen, dass braucht nicht zu erfolgen. Denn andere Regelungen, die seit Langem akzeptiert sind, schränken das Eigentum auch ein. Wir haben das in der Landesbauordnung zum Beispiel beim privaten Wohnungsbau, dort gibt es Auflagen hinsichtlich der Barrierefreiheit. Wir haben die energetischen Vorgaben zur Umsetzung der Energiewende, dort gibt es Vorgaben für den Neubau und die Sanierung, ohne Rücksicht auf Mehrkosten und Refinanzierbarkeit. Der Änderungsantrag der Koalition verankert die Duldungspflicht für Eigentümer bei Abständen von Windenergieanlagen, Stichwort Baulast. Auch dazu sprach der Minister ganz klar und deutlich.  
 
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der Allgemeine Behindertenverband Sachsen-Anhalt in der Anhörung eine Analogie dazu herstellt. Dies ist zulässig wie auch nachvollziehbar, denn die grundlegende Regelungssystematik bei Vorgaben zur energetischen Sanierung oder für Abstandsflächen bei Windenergieanlagen beinhaltet Eingriffe in fremdes Eigentum und wird akzeptiert. Warum darf das nicht auf grundsätzlich bei Auflagen zur Durchsetzung der Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden gelten? Wir wollen dieses Regelungsprinzip auch hier durchsetzen. Daher haben wir einen Änderungsantrag zu § 3 und zu § 49 gestellt, der Ihnen in der Drs. 6/2187 vorliegt.
 
Bitte bedenken Sie, dass nach den Regelungen des § 66 der Landesbauordnung, der unverändert blieb, jeder Bauherr in begründeten Fällen Abweichungen von den Regelungen erwirken kann, die dann aber detailliert zu begründen sind, um als Ausnahme anerkannt zu werden. Diese Möglichkeit besteht nach wie vor. Genau dorthin wollen wir. Der Grundsatz muss sein, dass die Barrierefreiheit uneingeschränkt zu gewährleisten ist. Wenn es dann tatsächlich irgendwelche nachvollziehen Gründe gibt, dann bilden diese die Ausnahme. Jetzt haben wir es genau umgekehrt. Jetzt haben wir den Zustand, dass Barrierefreiheit grundsätzlich nicht zu gewährleisten ist. Das ist etwas, das nicht akzeptabel ist.  
 
Von der Notwendigkeit einer Einzelfallbegründung bei eventuellen Abweichungen von grundsätzlich normierten Vorgaben zur Durchsetzung der Barrierefreiheit bleibt dieser Gesetzentwurf weit entfernt, systematisch wie auch inhaltlich. Deshalb wird unsere Fraktion dem Gesetzentwurf trotz aller konstruktiven Zusammenarbeit und trotz des weitgehend nicht so heftigen Streits während der Beratungen nicht zustimmen.
 
Ich möchte sagen, dass wir als Fraktion DIE LINKE etwas traurig darüber sind, dass eine sehr qualitätsvolle Beratungsreihe, die wir uns im Ausschuss geleistet haben, hier nicht zu dem Ergebnis geführt hat, das durchaus erreichbar gewesen wäre. Aber wenn wir die Bauordnung ohnehin wieder anfassen, haben wir noch einmal eine Chance.