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Guido Henk zu TOP 15: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt und zur Regelung der Zuständigkeiten für die Marktüberwachung

DIE LINKE anerkennt Notwendigkeit der Anpassung landesrechtlicher Vorschriften an die EU-Rechtslage, Lob gibt es hierfür allein noch nicht.

Trotz Unzulänglichkeiten wurden die Änderungen der letzten Novelle  im Dezember 2009 von unserer Fraktion mitgetragen, mitgetragen vor allem im Sinne der Bereitschaft und des Anerkenntnisses künftiger Überarbeitungsnotwendigkeit.

2012 waren Mittel im Einzelplan 14 zur Evaluierung der Landesbauordnung (LBO) eingestellt, eine Evaluierung wird erwähnt, aber nicht unterschieden zwischen Meinungen zur Musterbauordnung (MBO) 2012 und Erfahrungen mit der bestehenden LBO in der Fassung von 2009. In der Antwort auf meine Parlamentarische Anfrage vom Dezember 2011 (Drs. 6/688) hieß es dazu, die Evaluation solle sich mit Fragen befassen, welche von den Rechtsanwendern thematisiert werden. Welche betrafen nun die geltende LBO und welche die MBO?

Aussagen des Ministers zur Abstimmung der LBO mit Nachbarländern fehlen. Allein der Verweis auf die Zusammenarbeit in der Bauministerkonferenz zur MBO genügt uns nicht. Denn hier könnte tatsächlich Rechtssicherheit gestärkt und entbürokratisiert werden, ohne an Sicherheitsvorgaben zu sparen. Grundsätzlich begrüßten wir die Orientierung an der Muster-Bauordnung, aber einige Neuerungen erscheinen nicht nur wegen ihrer Abweichung von der MBO im Detail dringend diskussionsbedürftig.

Beispiel §49   Barrierefreies Bauen - Im neu aufgenommenen § 2 Abs. 9 wird der Begriff Barrierefreier baulicher Anlagen neu bestimmt  - gut. Aber wie und wo bitte sind die Anforderungen aus diesem neu aufgenommenen Paragraphen umgesetzt, der in seiner Legaldefinition grundsätzlich eine Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe fordert? Die bestehende Norm definiert in § 49Abs. 3 Durchgangsbreiten, Bewegungsflächen, Rampenneigungen, Handläufe oder die Rollstuhl-Eignung von Sanitärräumen. Mit seiner nun geplanten ersatzlosen Streichung kann der Formulierung im neuen § 2 Abs. 9 nicht nachgekommen werden. Zwar stand selbst das stand noch unter einem unakzeptablen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt, aber sogar diese weichen Vorgaben fehlen künftig.

Der druckfrische  Landesaktionsplan Sachsen-Anhalt zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Drs. 6/1764)  behauptet auf Seite 17 unzutreffend: „Die DIN 18024 (DIN 18024-1: Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze und DIN 18024-2: Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten) und DIN 18025 (DIN 18025-1 Wohnungen für Rollstuhlbenutzer und DIN 18025-2 Barrierefreie Wohnungen) sind in Sachsen-Anhalt mit der Liste der Technischen Baubestimmungen als Technische Baubestimmungen bauaufsichtlich eingeführt und zur Erfüllung der Grundsatzanforderungen des Bauordnungsrechts bei der Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile zu beachten.“

Das ist falsch.

Tatsächlich hat das MLV die DIN 18024 und 18025 nur zu einem sehr geringen Teil per Runderlass vom 04.07.2011 (MBl. LSA, S. 281), eingeführt,  weshalb die Probleme 2012 bei der fehlenden Umsetzung der DIN 18024-2 bei den Uni-Neubauten in Halle zynischer Weise „rechtskonform“ entstanden sind. Nach diesen Erfahrungen ist zu befürchten, dass künftig auch die neue DIN 18040 nicht vollständig verbindlich eingeführt werden wird.

Ganz aktuell wiederholt sich dieses Drama beim Neubau der Mediathek für die Burg Giebichenstein in Halle. Proteste der Wissenschaftsministerin über hier fehlende Durchfahrtsbreiten zwischen den Regalen, unzureichende Bewegungsflächen in Sanitärräumen und fehlende Möglichkeiten bei Regalunterfahrungen für Rollstuhlfahrer sind mir nicht bekannt. Also: Keine Nutzungsmöglichkeit ohne fremde Hilfe.

Der zitierte Landesaktionsplan ist vom Sozialministerium erstellt – und er ist fehlerhaft. Den genannten Runderlass verantwortet das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Die mit der Umsetzung u.a. betraute Landeshochbauverwaltung (BLSA) ist dem Finanzministerium unterstellt.
Und das beispielhaft erwähnte Bauvorhaben gehört zum Geschäftsbereich des MWW. Diese eigenartige Kompetenzverteilung klingt für mich nicht nach Unfähigkeit der Mitarbeiter, sondern eher nach politischem Kalkül.

Weiter: Es gibt noch mehr Änderungsbedarf im § 49. Wie sind z.B. die einzelnen Bereiche einer Hochschule zu definieren? Die geplante Neufassung für § 49 Abs. 2 Satz 1sagt: „Bauliche Anlagen die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein.“ Sind Seminargebäude, Hörsaalgebäude, Institutsgebäude, eine Mediathek, öffentlich? Dienen sie dem allgemeinen Besucherverkehr? Ist ein Laborgebäude öffentlich? Teilweise öffentlich? Gar nicht öffentlich? Weshalb gibt es diese Einschränkung von „den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen“? Barrierefreiheit hat überall gewährleistet zu sein, Menschen mit handikap dürfen nicht per Gesetz ausgegrenzt werden, wie am Beispiel der Hochschulbauten dargestellt.

Entsprechendes gilt für die Runderlasse als Wege der teilweisen bauaufsichtlichen Einführung. Wir wollen keine Ausnahmen, sondern die vollständige Umsetzung der DIN zur Barrierefreiheit.

Ein weiteres Problem:  § 59 Abs. 3 Vorrang anderer Gestattungsverfahren. Wenn größere Bauvorhaben durch die unteren Bauaufsichtsbehörden betreut werden, erfolgt in der Regel eine unkompliziert vorangestellte Ämterbeteiligung und auch eine fachkompetente nachfolgende Projektbetreuung. Das durch ständige Praxis auch örtliche Kompetenzen gleichzeitig mit herangezogen werden, wie z.B. die Beteiligung der Wirtschaftförderung oder Dritter (z.B. Prüfstatiker) ergibt eine Bearbeitung aus einer Hand. Oft sind Vorhaben- und Erschließungspläne mit städtebaulichem Vertrag oder Befreiungen zu B-Plänen erforderlich. Das sind alles kommunale Leistungen.  Aber bei größeren Verfahren können entsprechend hohe Gebühren geltend gemacht werden, die vorrangig nicht den Kommunen zugutekommen, obwohl diese den Hauptteil der Leistungen erbringen. Ein finanzieller Ausgleich bei großen Vorhaben soll nun per Gesetz zulasten der Kommunen auf ein Drittel beschränkt werden. Warum?

Hier weicht der Gesetzentwurf von der MBO kommentarlos ab. Dort heißt es: „Die Bauaufsichtsbehörde erhält für ihre Leistungen im Rahmen dieser Beteiligung entsprechend den tatsächlich erbrachten Leistungen eine Gebühr“ … gem. … Gebührenordnung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungskostengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt.

Hier verweise ich auf die Kritik unserer Fraktion von 2009: Der Landkreistag verwies am 15.05.2009 in der Anhörung zum EP 14 in der Enquetekommission auf die Probleme seit Einführung des z.Zt. noch geltenden § 59 BauO. Nach Berechnungen des Verbandes entgehen den Landkreisen jährlich rd. 3 Mio. € Baugebühren. Ein schönes Beispiel für den aktuellen Umgang des Landes mit kommunalen Finanzen und der Finanzierung einer aufgabengerechten Personalausstattung.

Zur möglichen Verringerung der Abstandsflächen (§ 6) schließe ich mich der kritischen Stellungnahme der Ingenieurkammer und deren Änderungsvorschlägen an.

Bei der nun geplanten Gleichstellung von motorisierten und nichtmotorisierten Abstellmöglichkeiten im § 48 Abs. 1 übernimmt der Regierungsentwurf genau jenen Text aus dem Änderungs-antrag unserer Fraktion von 2009, den sie damals noch geschlossen im Fachausschuss abgelehnt hat.

Im Vorjahr zitierte ich bereits an dieser Stelle zur Drs. 6/1146 die Kritik am Entwurf der MBO, die nun leider hier zu wiederholen ist. Die Stellungnahme der Bundesarchitektenkammer zur MBO spricht diese Lebenswirklichkeit und Erfahrungen aus der Umsetzungspraxis an. Genehmigungsfreiheit bedeutet nicht Verfahrensfreiheit, was vom Laien oft unerkannt bleibt.
„Eine baurechtliche Prüfung durch den vom Bauherren beauftragten qualifizierten Planer findet oftmals nicht statt, so dass Bauherren vielfach in Unkenntnis verfahrensfreie Objekte entgegen öffentlich rechtlichen Bauvorschriften mit den entsprechenden Rechtsfolgen errichten…“
„Unzulässige Maßnahmen werden in Unkenntnis rechtlicher Anforderungen von Bauherren an ausführende Firmen vergeben und von diesen ohne weitere Überprüfung der Rechtskonformität ausgeführt. Dies führt regelmäßig zu Konflikten … und stellt eine Überforderung der Bauherren, der Nachbarn und der übrigen am Bau Beteiligten dar.“

Denn am Ende des § 60 verweisen die unveränderten Absätze 5 und 6 auf weiterhin geltende Vorschriften und Genehmigungsvorbehalte. Für einen Laien undurchschaubar und künftig eher eine Auftragsgarantie für Juristen als für Handwerker und alternative Energieerzeuger:
„(5)  Verfahrensfreie Baumaßnahmen müssen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.
(6)  Die Verfahrensfreiheit lässt § 85 und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, nach denen eine Genehmigung, Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich ist, unberührt.“
Bislang fand ich keine Argumentation, die meine diesbezüglichen Befürchtungen entkräftete.

Die Streichung des Wärmeschutzes (§ 65) aus der Nachweispflicht nach diesem Gesetz halte ich für falsch, die Argumente der Ingenieurkammer sollten hier unbedingt noch einmal geprüft werden.