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Gudrun Tiedge zu TOP 19 b): Bürgernah und effizient? Wohin steuert Sachsen-Anhalts Landesregierung die Polizei?

Also ganz ehrlich, ich bin mir ziemlich unschlüssig, worüber wir inhaltlich heute debattieren sollen. Zu viele Modelle und Varianten einer künftigen Polizeistrukturreform „geistern durch den Raum“, ein bürgernahes, effizientes, modernes sowie alle Umstände berücksichtigendes Konzept zur Neuausrichtung der Landespolizei existiert in Wirklichkeit nicht – nicht einmal auf dem Papier. Und um es auf den Punkt zu bringen: Es deutet vieles darauf hin, dass die erneut geplante Polizeistrukturreform ins Wasser fällt.

Wenn überhaupt, spielen bei den strukturellen Überlegungen der Landesregierung vor allem rein fiskalische Aspekte eine Rolle. Das benötigte Personal hat sich diesem Aspekt immer unterzuordnen, es ist somit zweitrangig. Und damit steuert die Landesregierung hin zu einer Polizei in Sachsen-Anhalt, die aus rein objektiven Gründen nicht mehr in der Lage sein wird, modern und vor allem bürgerfreundlich in der Öffentlichkeit agieren zu können.

Bei der jetzigen Debatte kommt man sich ein wenig vor, als befrage man eine Glaskugel oder ein Pendel. Das Problem ist nur, die Glaskugel verzerrt den Blick auf die Wirklichkeit und beim Pendel weiß man nie, wohin es ausschlägt. Obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass bei der derzeitigen Diskussion beides benutzt wurde.

Die Altmark Zeitung titelte am 6.09.2013: „ Perfektes Chaos“. Dem ist eigentlich Nichts mehr hinzuzufügen. Denn es beschreibt den aktuellen Stand bei der Diskussion um eine neue Polizeistrukturreform.

Alles begann mit dem Wunsch nach einer Reiterstaffel auch für Sachsen-Anhalt.
Aber mittlerweile hat man das Gefühl, nun ist auch das letzte Pferd tot und dem Reiter möchte man dringend anraten, nun endlich vom inzwischen toten Gaul abzusteigen.

Es vergeht doch kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird - und das alles auf den Rücken der Polizistinnen und Polizisten in diesem Land.
Würde man diese auffordern, ihr Unwort des Jahres zu kreieren, würden sie, und da bin ich mir völlig sicher, das Wort „Polizeistrukturreform“ wählen. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, nachzuzählen, wie viele Reformen oder Reförmchen (denn manche hatten den Namen Reform nicht verdient) man mittlerweile versucht hat, auf den Weg zu bringen.

Immer wieder wurden diese mit den Worten begründet, es gehe um mehr Effektivität, Wirtschaftlichkeit, bessere Qualität der Arbeit, Bürgernähe usw. Aber was kam stattdessen jedes Mal heraus? Was war letztendlich das Ergebnis? Personalabbau, Aufgabenerhöhungen, Überstunden, gesundheitliche Belastungen und damit unzufriedene Polizistinnen und Polizisten. Aber auch unzufriedene Bürgerinnen und Bürger, die zunehmend das Gefühl hatten und haben, ihre Sicherheit, ihr subjektives Sicherheitsempfinden bleiben dabei auf der Strecke.

Wir wissen alle nur zu gut, dass Polizeibeamtinnen und -beamten unter teilweise sehr schwierigen Verhältnissen ihren Dienst verrichten müssen, dass schlechte Bezahlung, eine miserable Beförderungspraxis und häufige Schichtdienste, die kaum Zeit zur Erholung lassen, Frust und Stress bei ihnen aufkommen lassen. Und wir wissen, dass sie oftmals Einsätze tätigen, die sie an die Grenzen der Belastbarkeit bringen. Der Krankenstand ist ein beredtes Zeugnis dafür. Eine neue Diskussion um eine erneute Strukturreform und folglich deren Umsetzung werden all das noch verschärfen.

Gerade zu absurd sind die derzeitigen Diskussionen um die Anzahl der Polizeidirektionen, frei nach dem Motto: Aus vier mach drei, aus drei mach vier plus eins. Denn nun soll ja auch noch ein großes zentrales Polizeiamt dazukommen. Schon bei der letzten Reform hätte die konsequente Entscheidung fallen müssen, dass für Sachsen-Anhalt zwei Direktionen völlig ausreichend sind. Das scheiterte jedoch am Veto des damaligen Ministerpräsidenten und hatte vor allem politische Gründe, und keine fachlichen.

Und auch heute steht im Mittelpunkt einer Polizeistrukturreform der vom Finanzminister geforderte Stellenabbau. Dieser ist Dreh- und Angelpunkt, alle anderen Ziele haben sich dem unterzuordnen. Damit ist auch Verzicht angesagt. So wird schon mal über einen Aufgabenverzicht bei der Polizei laut nachgedacht. Zum Beispiel gehöre der Einsatz von Polizei bei Großeinsätzen auf den Prüfstand. Und da stellt sich natürlich die Frage an die Landesregierung, wer soll dann diese Großeinsätze absichern? Die Kommunen mit privaten Sicherheitsdiensten, oder wer dann? Mehr als abenteuerliche Vorstellungen! Wir lehnen dies ausdrücklich ab! Und ich frage mich dann  ernsthaft, ob die, die so etwas vorschlagen, schon einmal live im Fußballstadion waren.

In einer Presserklärung des Innenministeriums vom 20.06.2007 heißt es zur Begründung der damaligen Strukturreform: „Mit dem gewählten Drei-Polizeidirektionenmodell werden polizeifachliche sowie Allgemeinwohlinteressen weitgehend in Ausgleich gebracht. Das Modell berücksichtigt in hohem Maße kriminalgeografische, verkehrsstrukturelle sowie einsatztaktische Aspekte und deren besondere Relevanz in Ballungsräumen, sowie die Minimierung von Schnittstellen. Gleichzeitig werden Sachsen-Anhalts Oberzentren gestärkt. Ziel der neuen Polizeistruktur ist es, die Bürgernähe und Flächenpräsenz der Polizei zu stärken. Deshalb sollen Aufgaben von der Direktionsebene auf die Reviere verlegt werden. Damit wird dem Dienstleistungsgedanken der polizeilichen Aufgabenerfüllung besonders Rechnung getragen.“

Nun kann man sich darüber streiten, ob die Reform von vor knapp fünü Jahren eine gute Entscheidung war. Aber sie sollte doch nun wenigstens erst einmal zu Ende gebracht werden. Herr Lottmann, der damalige Präsident der PD, wird in der Altmarkzeitung wie folgt zitiert: „ Eine Reform braucht mindestens zehn Jahre, bevor sie ihre volle Wirkung entfaltet.“ Und: „ Diese Reform ist eine Sünde an der Polizei. Sie trägt nicht zur Effizienzverbesserung bei und demotiviert die Beamten.“

Und dann gibt es ja noch diesen beabsichtigten Ankauf der Liegenschaft in der Max-Otten-Str. in Magdeburg. Das musste wie immer sehr schnell über die Bühne gehen. Aber hier stellt sich unweigerlich die Frage, wie sieht es denn jetzt wirklich aus. Ist die Stadt Magdeburg immer noch bereit, die in Rede stehenden Grundstücke zu verkaufen? Ich bin nun wahrlich keine Finanzexpertin. Aber ich frage mich, wie kann man eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vornehmen, ohne die Grundstückskosten zu berücksichtigen. Und ganz unglaublich wird’s dann, wenn der Erlös des Grundstücksverkaufs der Sternstraße herausgerechnet wird. Ich vermute potenzielle Käufer stehen schon Schlange, wie in vielen Städten auch, in denen z.B. die ehemaligen Amtsgerichte zum Verkauf stehen. Man „reist“ sich ja förmlich darum.
Aber zum Schönrechnen ist es natürlich gut geeignet.

Alles in allem, eine total verkorkste Diskussion. Und wir reiben uns verwundert die Augen und fragen uns: Wer ist eigentlich Regierungsfraktion und wer ist Opposition in diesem Land? Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Innenpolitiker der SPD sich eher in der Oppositionsrolle sehen und weniger in der Rolle einer die Regierung tragenden Fraktion.

Vielleicht sollten beide Koalitionsfraktionen ihren Bundestagskandidaten wohlweislich mit auf den Weg geben, wie „harmonisch“ in einer Großen Koalition Politik gemacht oder auch nicht gemacht wird. Noch ist es nicht zu spät für diese Ratschläge.

Um die Fragen der heutigen Aktuellen Debatte abschließend kurz zu beantworten:
Sachsen-Anhalt befindet sich auf einem Schlingerkurs und steuert auf eine Polizei hin, die künftig nicht mehr in der Lage sein wird, die  öffentliche Sicherheit als originären Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
Wir benötigen deshalb in Sachsen-Anhalt ein modernes Personalentwicklungskonzept bei der Polizei, dass eine angemessene Präsenz der Polizei in der Fläche sichert. Eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten ist angesagt. Wir benötigen deshalb in Sachsen-Anhalt die Optimierung polizeilicher Strukturen, um hauptsächlich die Präsenz sowie Effizienz der polizeilichen Arbeit zu sichern. Polizei muss in den Kommunen sichtbar und ansprechbar sein. Wir benötigen deshalb in Sachsen-Anhalt eine hinreichende finanzielle und sächliche Ausstattung bei der Polizei. Es wird somit Zeit, das Steuer endlich herumzureißen.