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Gudrun Tiedge zu TOP 12: Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Als der Ministerpräsident von Norwegen, Jens Stoltenberg, gefragt wurde, wie sein Land, wie die Politik mit den unvorstellbaren Verbrechen des Anders Behring Breivik vom 22. Juli 2011 umgehen wird, antwortete er folgendes: „Norwegen wird diesen Angriff beantworten mit noch mehr Demokratie, mit noch mehr Offenheit.“ Ein sehr mutiger und zukunftsweisender Satz, der von der großen Mehrheit der norwegischen Bevölkerung und auch den PolitikerInnen, egal welcher politischen Ausrichtung, akzeptiert und folglich mitgetragen wird. Und ich habe mir letztendlich die Frage gestellt, ob dieser Satz, diese Position, aber vor allem die alltägliche Umsetzung, auch in der Bundesrepublik Deutschland möglich wäre.

Meine Antwort an dieser Stelle: Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr ist zu vermuten, dass der schon oft praktizierte Ruf nach härteren Strafen, nach verschärften Sanktionen und den damit verbundenen Einschränkungen der demokratischen Grund- und Freiheitsrechte der BürgerInnen wieder laut ertönt. Und das diese Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt die lange Geschichte des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG), welche verbunden war und ist mit zahlreichen Novellierungen und Änderungen über die Legislaturperioden hinweg. Änderungen, die jedoch in der Regel nicht dazu beitrugen, Bürger- und Freiheitsrechte zu stärken, sondern im Gegenteil, unter dem Deckmantel einer latenten Bedrohung von innen wie auch von außen wurden diese zum teil massiv eingeschränkt. So fand ich im Protokoll der Plenarsitzung vom 4. Mai 1994 die Äußerungen des damaligen Abgeordneten der CDU-Fraktion, Herrn Koch, die ich hiermit zitieren möchte: „So erschreckten die gewalttätigen Ausschreitungen die Bürger zutiefst, und der Ruf nach mehr Schutz und mehr Staat wurde laut. Daneben waren die Polizisten vor Ort überfordert, weil das rechtliche Instrumentarium nicht ausreichend war. Um nun beiden gerecht zu werden, entwarf das Ministerium den Gesetzestext.“

Diese Sätze liegen nun inzwischen 18 Jahre zurück, aber bei allen bisherigen Änderungen des SOG zieht sich die Forderung nach mehr Staat und mehr rechtlichen Instrumentarien wie ein roter Faden durch alle Diskussionen. Und ich sage Ihnen nochmals mit aller Deutlichkeit, das kann nicht der richtige Weg sein, dieser führt letztendlich in eine Sackgasse. Hier ist unbedingt ein Umdenken gefordert. Polizeiliche Eingriffsbefugnisse gehören im Interesse der Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten auf den Prüfstand.
Und das betrifft auch die Regelungen der nunmehr vorliegenden Gesetzesänderung zum SOG.

Es darf nicht um die innere Sicherheit eines starken Staates, sondern es muss um die persönliche und öffentliche Sicherheit von Menschen - ohne dabei ihre individuellen Rechte unzulässig einzuschränken - gehen. Wer Kriminalität wirksam bekämpfen will, darf sich nicht auf polizeiliche Arbeit beschränken. Es wird immer noch so getan, als sei Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung ganz allein Angelegenheit der Polizei.
Das hat für viele, insbesondere auch für die Politik, den scheinbaren Vorteil, dass man schnell einen Schuldigen gefunden hat, wenn es Schwierigkeiten und Probleme gibt.
Ob es um die soziale Umgestaltung des Wohnumfeldes, um eine bürgerfreundliche Umgestaltung des ÖPNV oder um vermeintlich kleine Maßnahmen - wie Frauennachttaxis oder Taxis für jungendliche Nachtschwärmer oder um eine bessere Straßenbeleuchtung geht, immer sind es auch wirksame Maßnahmen für einen konkret erlebbaren angstfreien Umgang im öffentlichen Raum.

Nun noch einige konkrete Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Vieles, was neu geregelt wurde, sind notwendige Anpassungen an landesrechtliche Änderungen oder rechtsförmliche Klarstellungen infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Darüber wird überwiegend nicht zu diskutieren sein.

Diskutiert werden muss aber insbesondere - und ich greife an dieser Stelle nur ein Problem heraus - über die Neuregelungen hinsichtlich des Verbotes von Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen. Das reiht sich in etwa ein in das derzeitige Vorhaben der Bundesfamilienministerin zur Eindämmung des Alkoholkonsums Jugendlicher.
Wir halten das für eine Entmündigung von Bürgerinnen und Bürger. Erfahrungen aus anderen Ländern belegen doch ganz klar, dass jede Art von einem generellen oder auch partiellen Verbot von Alkoholkonsum nichts, aber auch gar nichts bringt.

Und wieder wird der Kommune eine zusätzliche Aufgabe übergeholfen. Und es stellt sich die Frage, wer kontrolliert deren Umsetzung? Weder Kommune noch die Polizei können aufgrund der prekären Personalsituation eine effektive Kontrolle durchführen. Aber was bringt ein Verbot ohne wirksame Kontrolle? Rein gar nichts.

Wer will denn z.B. kontrollieren, ob eine Person ein Glasgetränkebehältnis mit sich führen darf. Denn das darf man nämlich nur in einem geschlossenen Behältnis. Und ein solches Behältnis ist ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde. Ich hoffe, Sie haben das jetzt verstanden. Oder wer will oder kann kontrollieren, dass die Bierflasche auf dem Weg nach Hause auch wirklich original verschlossen ist und bleibt und man sich nicht schon `mal auf dem Weg ein Schlückchen gönnt.
Warum fällt Politik bei den unterschiedlichsten Problemen immer nur eine Lösung ein - mit Verboten zu reagieren? Aber das ist nicht der Lösungsweg.

Wir werden sicher im Ausschuss trefflich darüber und über alle anderen Regelungen, die die Befugnisse der Polizei Sachsen-Anhalt erweitern, streiten.