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Gudrun Tiedge zu TOP 03: Leistungsfähigkeit der Feuerwehren in Sachsen-Anhalt langfristig sichern

Stellen Sie sich bitte einmal kurz folgendes vor: Es brennt und niemand ist da, der das Feuer löschen kann. Sie werden mit Recht sagen, dass diese Situation nie eintreten darf, und dass das heraufbeschworene Szenario auch nicht zur Realität in Sachsen-Anhalt gehört. Aber wieso geht man eigentlich stets mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, dass es immer wieder Menschen geben wird, die sich den schwierigen Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes widmen werden? Menschen, die ihre Freizeit damit verbringen, anderer Menschen Hab und Gut und Leben zu retten.

Stellen wir uns doch einmal selbst die Frage, wie viele unter uns sind, die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren sind. Ich bin der festen Überzeugung, es werden nicht viele sein.
Und ich muss an dieser Stelle eingestehen, ich bin es auch nicht. Ich habe diese Aufgabe, dieses Ehrenamt auf meinen  Sohn delegiert. Aber diese Frage muss jeder letztendlich für sich selbst beantworten. Umso mehr müssen wir die ehrenamtliche Arbeit der Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren (FFW) in unserem Land anerkennen und achten. Deshalb an dieser Stelle nochmals den Mitgliedern der Feuerwehren meinen und unseren Dank für ihre geleistete Arbeit im Rahmen des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Kameradinnen und Kameraden die besten Bedingungen für ihren schweren Dienst vorfinden. Und da gibt es noch viel zu tun.

Beginnen möchte ich mit der Nachwuchsgewinnung: Der demografische Wandel macht auch vor den Feuerwehren nicht halt. Nun wissen wir, dass im Innenministerium seit diesem Jahr eine Projektgruppe „Feuerwehr 2020“ existiert, die sich auch mit diesem Thema beschäftigen wird. Aber wir wissen auch aus jahrelangen Erfahrungen, ministerielle Projekt- oder Arbeitsgruppen allein werden die Probleme nicht lösen.
Und die Wichtigkeit des Themas gebietet es, dass das Parlament weitaus mehr als nur mittels Berichterstattungen einbezogen wird.

Aus einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Bergmann geht hervor, dass sich zwar die Anzahl der Ortsfeuerwehren nicht wesentlich verringert hat, dass aber weniger als 40% der Ortsfeuerwehren ständig einsatzbereit sind. Und das ist mehr als alarmierend. Dafür gibt es die verschiedensten Ursachen. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt für die Einsatzfähigkeit am Tage die Frage, wie viele der Kameradinnen und Kameraden berufstätig sind. Leider ist es nach wie vor gängige Praxis, dass es Arbeitgeber gibt, die nicht bereit sind, ihre Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen freizustellen, um sie zum Einsatz fahren zu lassen. Sie sollten sich aber immer vor Augen halten, dass auch sie, sollte es einmal bei ihnen selbst brennen, mit größter Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren den Brand bei ihnen vor Ort schnell und sicher löschen werden. Persönliche Betroffenheit schafft dann ihre eigenen Maßstäbe.

Versuche, Arbeitgeber zu motivieren, insbesondere auch Kameraden und Kameradinnen der FFW in ein Arbeitsverhältnis einzustellen, gab es in der Vergangenheit schon einige. Aber leider waren diese Bemühungen nie von Nachhaltigkeit geprägt. Auch bei diesem Punkt sollte die Projektgruppe unbedingt ansetzen und Lösungsansätze anbieten.
Und da ist es im Zusammenhang mit der Situation der ungenügenden bzw. sogar fehlenden Einsatzfähigkeit auch wenig hilfreich, wenn - wie geschehen - der Innenminister von Fehlinvestitionen in die Feuerwehren spricht. Diese Aussage hat zu Recht für viel Unmut bei den Kameraden und Kameradinnen geführt.
Kein Cent, der in die Sicherheit der Bevölkerung, aber auch in die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren selbst aufgewendet wurde und wird, ist  eine Fehlinvestition. Ganz im Gegenteil, es ist gut angelegtes Geld. Aber was wir vor allem tun müssen, ist dafür zu sorgen, dass solche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass sämtliche Ortsfeuerwehren auch am Tage voll einsatzfähig sind.

Eine ganz wichtige Rolle spielt deshalb die Nachwuchsgewinnung. Dabei ist es notwendig, möglichst viele Menschen aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen zu gewinnen. Und da stellt sich insbesondere auch die Frage nach der Gewinnung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die Feuerwehrarbeit. Im Jahr 2007 waren deutschlandweit 239.772 Jungen und Mädchen Mitglieder der Jugendfeuerwehren, davon waren lediglich 1.856 Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Zahlen sehen heute nicht viel anders aus. Und an dieser Stelle vergeben wir  ein großes Potential. Dazu gehört aber auch, dass Vorbehalte und Vorurteile abgebaut werden.

Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, die gefördert werden. So bietet zum Beispiel die Stiftung „MITARBEIT“ für Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Förderung an, um diese ganz gezielt für die Jugendfeuerwehren zu begeistern. Und es gibt die Integrationskampagne „Unsere Welt ist bunt“. Damit diese Kampagnen und Maßnahmen erfolgreich sind, müssen sie bekannt gemacht, ihre Attraktivität erhöht und letztendlich auch von den Jugendlichen angenommen und genutzt werden.

Um gut ausgebildete aktive Feuerwehrkameradinnen und -kameraden zu haben, bedarf es auch einer guten soliden Ausbildung bereits bei den Jugendlichen. Und da sehen wir mit Sorge die Entwicklung der Jugendbildungsstätte in Heyrothsberge. Ja, wir wissen um die Probleme, die nicht zuletzt durch den Vorstand des Landesfeuerwehrverbandes entstanden sind. Aber hier kippt man das Kind mit dem Bade aus, wenn man nunmehr die Jugendbildungsstätte an das Institut für Brand- und Katastrophenschutz angliedert.
Die Jugendbildungsstätte war und ist ein über die Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt hinaus anerkanntes Ausbildungszentrum, nicht zuletzt auch zur Erlangung der „Juleica“.
Die Juleica - Ausbildung hat nach bestimmten Grundsätzen zu erfolgen. Die Jugendfeuerwehr von Sachsen-Anhalt ist als ausbildender Träger durch die Landeszentralstelle Juleica anerkannt.

Um als ausbildender Träger anerkannt zu werden, bedarf es mehrerer Voraussetzungen:
Die Grundsätze der Juleica müssen umgesetzt und in einer eigenen Ausbildungskonzeption verankert werden. Diese Konzeption muss dem KJR vorgelegt werden. Die Ausbildungsstelle muss anerkannter freier Träger der Jugendhilfe im Sinne des § 75 SGB VIII sein. Nun will niemand bestreiten, dass das Institut für Brand- und Katastrophenschutz in Heyrothsberge nicht auch die Kompetenz zu dieser Ausbildung hätte. Aber ist sie gesetzlich dazu befugt? Diese Frage kann noch niemand beantworten.
Und die Folge ist, die Ausbildung bleibt auf der Strecke.

Die Jugendfeuerwehr hatte ursprünglich zwei Jugendbildungsreferenten. Diese wurden finanziert zu 1 und 2/3 aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales und zu 1/3 aus dem Innenministerium. Nun gibt es gegenwärtig noch einen Referenten, dieser wird finanziert durch das Ministerium für Arbeit und Soziales. Das Institut für Brand- und Katastrophenschutz soll künftig die Jugendbildungsarbeit übernehmen und die „pädagogischen“ (was immer das auch sein mag) bleiben bei der Jugendfeuerwehr. Wir haben große Befürchtungen, dass dies nun gerade nicht dazu führen wird, dass Kinder und Jugendliche für die Arbeit in der FFW begeistert werden. Da muss schnellstens eine dauerhafte Lösung her.
Und wenn ich nun schon mal bei der Ausbildung bin, bleibe ich auch bei diesem Thema.
Es geht mir um die Veränderungen rund ums Institut für Brand- und Katastrophenschutz, wie die Institution nun letztendlich heißt. Während der Haushaltsverhandlungen wurde der Name der Bildungseinrichtung so häufig verändert, dass man es schwer hatte, diesen Entwicklungen zu folgen bzw. erst recht nachzuvollziehen.

Wir können es uns nach wie vor nicht plausibel erklären, wie man zwei so renommierte Einrichtungen wie das Institut für Feuerwehr und die Brand-und Katastrophenschutzschule in ihrem bisherigen Bestand nicht weiter existieren lässt. Aus unserer Sicht sind es einzig und allein fiskalische Gründe, die die Zusammenlegung begründen. Fachlich gibt es dafür überhaupt keine nachvollziehbare Begründung. Hier geht es einzig und allein um die sture Durchsetzung des Personalentwicklungskonzeptes, welches besagt, dass auch in diesen Einrichtungen Personal abgebaut werden muss. Wohlwissend, dass schon heute nicht mehr alle Lehrgänge angeboten werden können, die notwendig sind. Andere Bundesländer haben mit einem gewissen Neid auf diese beiden Einrichtungen geblickt, die in der Fachwelt einen ausgezeichneten Ruf genießen. Und die Absicht, dass ehemalige Institut für Feuerwehr an eine Hochschule anzudocken, ist aus unserer Sicht fachlich falsch und mehr als abenteuerlich.

Aber da, wo nur der Rotstift regiert, bleibt die Qualität auf der Strecke. Das Problematische an dieser Entscheidung ist aber, dass nicht nur die Qualität auf der Strecke bleibt, sondern mit jedem nicht angebotenen Lehrgang ebenso die Sicherheit der Kameradinnen und Kameraden der FFW. Um nur einige Beispiele zu nennen:

•    Gruppenführerlehrgänge: Im Jahr 2011 wurden noch 24 Lehrgänge angeboten, 2012 nur noch 18.
•    Atemschutzgerätewart: Im Jahr 2011 wurden 9 Lehrgänge angeboten, 2012 nur noch 6.
•    Maschinist für Drehleiter: Im Jahr 2011 wurden 11 Lehrgänge angeboten, 2012 nur noch 7.

Und so könnte ich diese „Zahlenspiele“ beliebig fortführen. Wobei noch erschwerend hinzukommt, dass Lehrgänge der Kategorie Fortbildung in ihrer Wichtigkeit abgewertet wurden und in die Kategorie VII „abgeschoben“ wurden. Das hat für das Land den „angenehmen“ Nebeneffekt, das bei diesen Lehrgängen die Reisekosten und die Verpflegung von den Gemeinden bezahlt werden müssen. Der Lehrgang für Technische Hilfe für Schwerpunkt- und Stützpunktfeuerwehren muss nunmehr in den Landkreisen vorgehalten werden. Wie das finanziert werden soll  - „Fragezeichen“.

Aus- und fortgebildete Feuerwehrkameraden und Kameradinnen können den Gefahren, denen sie in jedem Einsatz ausgesetzt sind, sicher begegnen. Es darf nicht passieren, dass Leben und Gesundheit der zu Rettenden, aber auch der Retter, vom Geldbeutel der Kommunen abhängig zu machen.

Und da sind wir dann auch schon bei der Verteilung der Feuerschutzsteuer. Wieder wird den Gemeinden eine zusätzliche Aufgabe übergeholfen, ohne Zuweisung größerer zusätzlicher Mittel. Und ob das Geld, das für jede Gemeinde entsprechend aufgeschlüsselt gezahlt wird, ausreicht, bezweifeln wir. Was wird passieren, wenn eine Gemeinde ihren zugewiesenen finanziellen Anteil ausgegeben hat, aber weiterhin zwingend Aus- und Fortbildungsbedarf besteht, weil z.B. eine größere Anzahl von Kameraden und Kameradinnen aus der Jugendfeuerwehr in die „Aktive“ wechselt, was letzt endlich zu einem höheren Ausbildungsbedarf führt. Müssen diese Ausbildungsmaßnahmen dann aufs nächste Jahr verschoben werden? Dürfen die Feuerwehrkameradinnen und Kameraden dann nicht ausrücken und müssen während des Einsatzes das Gerätehaus bewachen? Und bis gestern waren die Mittel noch nicht ausgereicht, und wir haben schon Ende April. Dies soll nun in der nächsten Woche passieren. Na warten wir es ab.

Kommen wir jetzt zur Frage der zentralen Beschaffung. Sicher ist es legitim, darüber nachzudenken, wie man auch bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen Geld sparen kann. Die Frage ist nur, wie dann auf die speziellen Bedürfnisse und Anforderungen von einzelnen Wehren eingegangen werden kann. So z.B. von Feuerwehren, die für Autobahnabschnitte zuständig sind, oder für Bahnlinien, Tunnel, Brücken u.Ä.. Wie ist es mit Wartungskosten, welche anfallen, und der Sitz des Herstellers ist weit entfernt? Gibt es z.B. ein Rettungskonzept mit der Deutschen Bahn? Insbesondere die schrecklichen Ereignisse in Hordorf haben uns gezeigt, dass so ein Konzept unter Einbeziehung der FFW unbedingt notwendig ist.

Ein weiteres Problem ist das Löschwassernetz. Die Leitungsquerschnitte werden immer kleiner, da der Verbrauch von Trinkwasser zurückgeht. Das hat aber wiederum zur Folge, dass die Hydrantennetze nicht mehr ausreichen, um ausreichend Löschwasser zur Verfügung zu stellen. Ich lass diese Fakten einfach mal so im Raum stehen.

Ein weiteres „Lieblingsthema“ bei den FFW ist der Digitalfunk. Neben vielen anderen Problemen und Kritikpunkten (hierzu komme ich gleich noch), ist auch die Einführung des Digitalfunks wieder mit einem erheblichen Kostenfaktor für die Kommunen verbunden. So muss pro Einwohner für die Netzbetreibung 1 € von den Kommunen bezahlt werden.

Weitere Kritikpunkte sind: Probebetrieb noch nicht flächendeckend möglich, da die Infrastruktur noch nicht vorhanden ist. Zusatzausbildung Digitalfunk ist noch nicht möglich, da die Struktur noch nicht existiert. Wenn die Struktur endlich steht, sind sicherlich die Endgeräte schon wieder veraltet. Die Geräte sind bedienungsunfreundlich, vor allem mit Handschuhen. Die Sicherheitskarte kann verloren gehen. Bei einem Modell muss der Akku separat aufgeladen werden. Ein anderes wäre in der Anschaffung teurer gewesen, denn es ist explosionsgeschützt, was ja nicht ganz unwichtig im Einsatz ist. Aber das Modell wurde wohl nicht genommen und angeschafft. Es wird sich sicherlich bewahrheiten, wer billig kauft, kauft zweimal.

Ein weiterer, ganz wichtiger Punkt besteht für uns darin, darüber zu entscheiden, dass die Jahre der Zugehörigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr rentenrechtlich berücksichtigt werden. Das wäre endlich ein Signal an die vielen Aktiven in den Feuerwehren, um ihren täglichen Einsatz für unsere tägliche Sicherheit entsprechend zu honorieren. Stimmen Sie einer Überweisung in den Innenausschuss zu, damit wir dort über alle angesprochenen Probleme in aller Ausführlichkeit reden können und gemeinsam an Lösungsansätzen arbeiten können.