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Gerald Grünert zu TOP 23: Bericht über den Stand der Beratungen zum Antrag Runderlass über Zuweisungen aus dem Ausgleichsstock überarbeiten, Recht auf kommunale Selbstverwaltung sichern

Das Kommunalverfassungsgesetz vom 17.06.2014 war gerade mit dem Vorwort des Innenministers, dass die kommunale Selbstverwaltung durch dieses Gesetz gestärkt werde, aus der Druckerei gekommen, da erschien bereits der Runderlass des Finanzministers „Zuweisungen aus dem Ausgleichsstock nach § 17 des Finanzausgleichsgesetz“, RdErl. des MF vom 15.04.2014 – 27.10611), veröffentlicht im Ministerialblatt des Landes Sachsen-Anhalt 22/2014 vom 14.07.2014. Liest man dazu die Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes an Landkreise und kreisfreie Städte vom 13. August 2014, so wird klar, dass der neue Runderlass offensichtlich mit dem Ministerium für Inneres und Sport vor seinem Inkrafttreten abgestimmt wurde, was die Sache nicht besser macht.

Man könnte glauben, ein ganz normaler Akt. Dem ist aber nicht so. Mit diesem Erlass greift der Finanzminister selbstherrlich und ohne Berücksichtigung der entsprechenden Rechtsgrundlage erheblich in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der kommunalen Selbstverwaltung, Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz und Artikel 87 und 88 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt ein. Selbstherrlich, weil der Erlass ohne Erörterung und Rücksprache mit den kommunalen Spitzenverbänden verfasst wurde und selbstherrlich, weil er den Kurs der Landesregierung belegt, entgegen gesetzlicher Bestimmungen, ohne Beachtung gefestigter Rechtsprechung und am Parlament vorbei, agieren zu können.

Ich werde diese Aussagen Im Einzelnen untersetzen.

1.    Zum Vorwurf der Nichtbeteiligung des Parlamentes

Meine Fraktion hat bereits seit 2009 gefordert, dass die Vergabe von Mitteln aus dem Ausgleichsstock über eine gesonderte Rechtsverordnung erfolgen soll, die gewährleistet, dass diese Bedarfszuweisungen nach einheitlichen Maßstäben und eindeutig bestimmten Kriterien zur Milderung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen im Haushalt der Kommunen erbracht werden. Die Landesregierung und leider auch Sie, meine Damen und Herren der Koalition, sahen keinerlei Veranlassung dieser Forderung nachzukommen. Es ist sehr öffentlichkeitswirksam, wenn man als großer Gönner Entschuldungen, Hilfen oder Unterstützungen geben kann und gleichzeitig über einen „Notgroschen“ verfügt, den man beliebig einsetzen kann, da eine Beteiligung des Landtages oder klare Kriterien fehlen. So entscheidet der Minister ganz allein, wer sein Wohlwollen erfahren soll. Mit diesem Runderlass geht jedoch das Ministerium für Finanzen einen Schritt weiter. Es nimmt eine schärfere Unterscheidung hinsichtlich infrage kommender Funktionen bei der Ausreichung von Mitteln aus dem Ausgleichsstock vor, was zumindest noch nachvollziehbar ist.

Warum jedoch die Konditionen für die einzelnen Formen, wie Liquiditätshilfen, Bedarfszuweisungen, Zuweisungen zur Überwindung außergewöhnlicher Belastungen sowie Zuweisungen zum Ausgleich von Härten, die sich im Einzelfall beim Vollzug des FAG ergeben verschärft bzw. erstmalig eingesetzt werden, kann nur eines deutlich machen. Das Finanzministerium will entscheiden, unter welchen Bedingungen notwendige Unterstützung ausgereicht wird und er will den betroffenen Gemeinden, Städten und Landkreisen vorschreiben, was diese sich im freiwilligen und investiven Bereich noch leisten dürfen.
An die Adresse der Landesregierung richten wir heute die klare Botschaft, das Grundgesetz und die darauf fußende kommunale Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt ist zu gewährleisten, nicht auszuhöhlen und braucht keine „goldenen Zügel“. Notleidende Kommunen brauchen nicht die Kandare des Finanzministers, sondern gezielte und nachhaltige Unterstützung.

2.    Eingriff in bestehende gesetzliche Regelungen ohne Befugnis und ignorieren gesicherter Rechtsprechung

In den allgemeinen Grundsätzen des Runderlasses formuliert die Landesregierung, dass eine zwingende Voraussetzung für die Bewilligung von Bedarfszuweisungen und Liquiditätshilfen die Wahrung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Haushaltsführung (§ 98 Abs. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes) ist, andernfalls sei die Gewährung von Zuweisungen ausgeschlossen. Grundsätzlich haben die die Kommunen in Sachsen-Anhalt für ihre eigenen Aufgaben nach dem Kommunalverfassungsgesetz das Satzungsrecht. Sie entscheiden in wie weit die allgemeinen Haushaltsgrundsätze bezogen auf ihre gemeindlichen Bedingungen konkret angewendet werden. Dabei sollten sie sich auf die im Artikel 88 der Landesverfassung festgeschriebene Konnexität verlassen können.

Nachdem der Finanzminister seine Forderung nach einer Spitzabrechnung der Haushaltskonsolidierungskonzepte nicht im Kommunalverfassungsgesetz verankern konnte, versucht er nunmehr untergesetzlich, seine Option durchzusetzen.
Folgende weitere rechtliche Verstöße ergeben sich aus dem Runderlass, Liquiditätshilfen:
Die antragstellende Kommune muss alle verfügbaren Möglichkeiten zur Erhöhung der Einzahlungen und Erträge und zur Reduzierung der Auszahlungen und Aufwendungen ausschöpfen.

Spannend ist diese Aussage vor dem Hintergrund, dass über die STARK II - Entschuldung sich die teilnehmenden Kommunen verpflichten mussten, über einen Zeitraum von 10 Jahren keine neuen Kredite aufzunehmen, dieser Grundsatz wurde jedoch bei STARK III aufgehoben, wenn es sich um die energetische Sanierung von KITA und Schulen handelt. Auch hier der Versuch zentral zu entscheiden, was vor Ort nötig ist.

Nunmehr wird entgegen dem Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 03. Juni 2014 (Az.: 4 L 162/13) oder zumindest unter Nutzung eigener Interpretationen wiederum der Griff in bestehende Gebietsänderungsverträge angeordnet, Einnahmeseite:

•    Grundsteuer A und B, Hebesatz um mindestens 100 % über den gewichteten Durchschnittshebesatz der jeweiligen Gemeindegrößenklasse anzuheben,
•    Gewerbesteuer, Hebesatz um mindestens 50 % über den gewichteten Durchschnittshebesatz der jeweiligen Gemeindegrößenklasse anzuheben
•    Kostendeckungsgrad bei leitungsgebunden Einrichtungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung sowie Abfallentsorgung von 100 % zu gewährleisten (Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Satz 2 KVG LSA in Verbindung mit den Regelungen der §§ 5 und 6 KAG LSA sowie des Kreislaufwirtschafts-, Wasser- und Umweltschutzgesetzes)
•    Erhebung kostendeckender Gebühren im Bestattungswesen, bereits jetzt schon zahlen viele Städte die Kosten für sozial Schwache aus eigener Tasche.
•    Zwang zur kostendeckenden Erhebung von Verwaltungsgebühren (Egeln, für 0,90 € Bescheide per Einschreiben mit Rückantwort verschickt? Wirtschaftlichkeit?)
•    im Weiteren müssen die antragstellenden Kommunen ihre Kreativität zur Definition weiterer neuer Einnahmequellen verstärken (Parkgebühren, Sondernutzungsrechte, vielleicht auch für die Nutzung öffentlichen Luftraums? wie in Bayern?) sowie Eintrittspreise für Veranstaltungen der Kommune erheben.

In wie weit zukünftig kommunale Mandatsträger zur Durchführung ihrer Ratssitzungen und Ausschusssitzungen Eintritt bezahlen müssen, scheint nach Ansicht des Finanzministers offensichtlich nur eine Frage der Kreativität der Verwaltung.
Im Übrigen reiht sich in diesen Kanon zentralistischer Ausprägung auch der gestern eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften ein, wo der Versuch unternommen werden soll, entgegen dem Grundsatz des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 05. März 2013 noch bis 31.12.2015 nach mehr als 15 Jahren widerrechtlich Satzungen zu erlassen, um unterlassene Verwaltungstätigkeit und fehlende kommunalaufsichtliche Kontrolle in Euro und Cent von den Bürgern einzutreiben.

Nun zu den Einsparungen:

•    Wen verwundert es, wenn Herr Minister in erster Linie Personalkosten in den Blick nimmt. Anders als auf Landesebene, wo man erhebliche Aufwendungen für so genannte Organisationsuntersuchungen getätigt hatte, sieht das Ministerium schon die Einsparungen natürlich im Verzicht auf „unnötige“ freiwillige Aufgaben. Ist dies nicht ausreichend, dann soll dies durch den Einsatz von Technik (ist die vielleicht kostenfrei?) bzw. durch kommunale Gemeinschaftsarbeit ausgeschöpft werden. Wenn diese Erkenntnis jetzt schon gereift ist, warum wurde der Kreis- und Gemeindegebietsreform bis heute kein schlüssiges Konzept/Gesetz zur Funktionalreform zu Grunde gelegt? Welche Aufgabenbestände sind es denn, die über das GKG LSA noch nicht geregelt wurden, die nicht in die Zuständigkeit der Regelungen des KVG zur Einheitsgemeinde und Verbandsgemeinde gefasst sind?
•    Bei der Festsetzung des Personals für Bauhöfe von 1VbE/1000 EW wird wiederum der örtliche Bezug ausgeblendet und offensichtlich ein Einheitswert nach welchem internen Benchmark auch immer bestimmt? Auch hier wiederum ein unzulässiger Eingriff in die Satzungs- Personal- und Finanzhoheit der Kommunen.
•    Wie man auf die Umlagen für Zweckverbände Einfluss nehmen kann, um diese zu vermeiden oder zu reduzieren erschließt sich überhaupt nicht. Eine Vermeidung würde nur möglich sein, wenn der Zweckverband aufgelöst wird, das steht im Widerspruch zur Ziffer2.1.1. des Erlasses, die vollständige Abwälzung steht im Widerspruch zu den §§ 5 und 6 KAG LSA, Art und Weise der Inanspruchnahme und § 99 KVG LSA.
•    Eine Reduzierung des Anteils auf 2% der Einzahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit der betroffenen Haushaltsjahres steht im Widerspruch zum Artikel 28 GG und führt einseitig und damit rechtswidrig auf eine Fokussierung nur noch auf die pflichtigen freiwillige Aufgaben.
•    Bei den Regelungen zu den Investitionen im pflichtigen eigenen Wirkungskreises wird der Bock zum Gärtner gemacht. Diese Festsetzung entspricht faktisch dem Verzicht auf alle anderen Investitionen im Zeitraum der Haushaltskonsolidierung, mit Ausnahme der Ziele im STARK III –Programm. Mit dieser Regelung wird die Kommune gezwungen, gegen die Regelungen der §§ 112 und 113 KVG LSA zu verstoßen und gleichzeitig der Werteverzehr kommunalen Eigentums billigend in Kauf genommen. Aber auch dafür bietet der Runderlass eine weitere Regelung, nämlich die unverzügliche Veräußerung von Immobilien. Auch hier verkennt das Finanzministerium die Regelungen des KVG, § 115, Abs. 1. Was mit dieser Regelung betrieben wird ist die bewusste „Verschleuderung“ öffentlichen Eigentums, die langfristige nachhaltige Reduzierung der Kreditfähigkeit der Kommunen, durch Verkäufe unter Wert.
•    Ein besonderes „Schmankerl“ hält der Runderlass bezogen auf die Aufwandsentschädigungen. Sie wären an der unteren Grenze (Mindestbetrag mit möglicher Unterschreitung) der im Runderlass des MI über die Aufwandsentschädigungen vom 16.06.2014 (MBl. LSA S. 264) festzumachen. Zum einen gibt es nur für ehrenamtliche Bürgermeister, Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher einen festgesetzten Mindestbetrag, folglich wäre die Untergrenze bei allen anderen Ehrenamtlichen gleich 0, die jedoch noch unterschritten werden soll. Zum anderen verstößt diese Vorschrift gegen § 35 Abs. 2 Satz 4 KVG. Dort heißt es: „Aufwandsentschädigungen unterliegen nicht den Zwecken der Haushaltskonsolidierung.“ Sollte man diesem Grundsatz auch auf Landesebene folgen, dann müssten die Diäten und die zusätzlichen Einnahmen von Ministern in Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit in Aufsichtsräten, Gesellschaftsversammlungen, Institutionen oder Stiftungen ebenfalls an diesen Kriterien gemessen werden.
•    Ja, ich weiß, das Land kann sich ja aus dem kommunalen Bereich im FAG seine Deckungsquellen erschließen, folglich wird es nach dem Willen von Landesregierung und Koalition keine Haushaltskonsolidierung im Land selbst, sondern bei den Kommunen geben.
•     Mit dem Runderlass überträgt das Finanzministerium den Kommunen weitere Verwaltungsaufgaben, wie das aktive Forderungsmanagement, die detaillierte Liquiditätsübersicht, die Rückzahlungsbedingungen  (Zeitpunkt und Höhe) usw.

Letztendlich, und dabei möchte ich es erst einmal bewenden lassen, gewährt das Finanzministerium den Gemeinden die Möglichkeit, dass die Kreisumlage für ein Jahr gestundet wird. Wie gnädig. Wer zahlt den Kreisen dann den Ausfall? Sollen diese über weitere Kassen- Entschuldigung- es heißt ja jetzt Liquiditätskredite dieses Defizit ausgleichen. Doch wie soll dies geschehen, da der Landkreis selbst sich in Haushaltskonsolidierung befindet? Soll er im Gegenzug dann die Abfallentsorgung privatisieren? Seine Umlagen an die einzelnen Verbände auf null reduzieren oder kostendeckende Gebühren/Entgelte für den ÖPNV verlangen? Welche Unterhaltungen oder Veräußerungen kämen noch in Betracht? Die Privatisierung der Immobilien Brücken, Straßen oder Tunnel?

3.    Zum letzten Bereich, das Parlament

Repräsentative Demokratie heißt nicht Abwesenheit von Demokratie, auch wenn satte Mehrheiten oftmals der Versuchung unterliegen, sich die Realität zu Recht biegen zu wollen. Die Städte und Gemeinden haben in ihrer über 2000 jährigen Entwicklung nachgewiesen, dass sie sehr wohl ohne das Land, eine Landesregierung oder einen Fürsten auskommen können. Den Beweis dass ein Land ohne Kommunen auskommen kann, gibt es nicht. Nicht auf Landesebene widerspiegeln sich die Lebensinteressen, sozialen Bindungen, die Lebensgrundlagen der Bürger, nein zu allererst in ihren Städten und Gemeinden. Das die Kommunen auch zukünftig ihren Aufgaben gerecht werden, Entwicklungsperspektiven aufbauen sowie zukünftigen Generationen eine Heimstatt bieten können, für diese Bedingungen trägt der Landtag Verantwortung. Er muss sich diesen Herausforderungen stellen und hat die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen.

Wir fordern die Landesregierung auf, den besagten Runderlass zurück zu nehmen und umgehend zu überarbeiten. Im Rahmen der Neugestaltung des FAG soll eine Verordnungsermächtigung eingefügt, die Bedingungen zur Nutzung des Ausgleichsstocks verbindlich und abschließend geregelt sowie quartalsweise der Landtag zum Antrags- und Gewährungsstand informiert werden. Gleichzeitig sind die gesetzlichen Normen und Regelungen einzuhalten und nicht über Erlassregelungen, die keinerlei Rechtssetzungskompetenz haben, auszuhebeln.