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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 32: Konsequenzen des Entwurfes der Europäischen Kommission zur Konzessionsvergabe für die Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt

Der Landtag von Sachsen-Anhalt kann für sich reklamieren, eher als andere Landesparlamente die Problematik der Konzessionsvergabe für die Trinkwasserversorgung auf die  Tagesordnung gesetzt zu haben. Bereits vor einem Jahr, am 24. Februar  2012, hat Herr Czeke von unserer Fraktion das Wesentliche zur Problematik der Konzessionsvergabe im Bereich Trinkwasserversorgung gesagt. Ich will das nicht wiederholen.  
 
Der Landtag beauftragte damals die Landesregierung, diese Kritik am vorliegenden Richtlinienentwurf in die Stellungnahme de s Bundesrates einfließen zu lassen. Das ist auch so geschehen. Der Bundesrat hat  den Richtlinienvorschlag eindeutig abgelehnt und damit auch bei der EU keine Wirkung erzielt.  
 
Unbeeindruckt von mehr als 750 Änderungsanträgen haben der EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat und vor vier Wochen schließlich auch der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments die Konzessionsrichtlinie angenommen. Letzterer lehnte dabei auch vier Anträge auf Herausnahme des Wassersektors aus der Richtlinie ab, beschloss aber noch einige Veränderungen, wie zum Beispiel, dass bestehende Verträge unberührt bleiben, dass es eine Übergangsfrist für kommunale
Wasserversorgungsbetriebe mit privater Beteiligung bis zum Jahr 2020 gibt und dass sie auch auf freie kommunale 100-prozentige Eigenunternehmen keine Anwendung finden soll. Auch die Schwellenwerte für den Vertragsumfang wurden angehoben.
 
Die Messen scheinen gesungen. Weshalb also heute noch einmal eine Aktuelle Debatte?

Die Begründung ist einfach: Es ist ein Novum in der Geschichte der EU, dass mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger aus sieben EU-Ländern mit ihrer Unterschrift das Europäische Parlament zwingen,  sich nochmals mit einem bestimmten Sachverhalt zu befassen. Diese Unterschriften können auch als Aufforderung an die nationale Politik verstanden werden, ihren politischen Einfluss in Brüssel geltend zu machen, um nicht einer weiteren Privatisierung der Trinkwasserversorgung in Europa Vorschub zu leisten. Diese Bewegung der Bürgerinnen und Bürger hat auch die Landespolitiker aller Bundesländer beeindruckt und nicht unerheblich zu einer parteiübergreifenden Ablehnung der Konzessionsrichtlinie beigetragen. Von den Freien Wählern, Piraten und GRÜNEN, über LINKE, SPD, bis  hin zur CDU/CSU und FDP herrschte Einmütigkeit in den Landtagen.  
 
Das hat zu einer Vielzahl parlamentarischer Initiativen geführt, unter anderem zu einigen sehr grundsätzlichen, teilweise von mehreren Fraktionen gemeinsam eingebrachten Anträgen, wie beispielsweise in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg oder im Saarland.
 
Der Landtag von Sachsen-Anhalt sollte sich mit einer aktuellen Stellungnahme, wobei die Betonung auf „aktuell“ liegt, in diesen Chorus einbringen. Wir haben uns bei der Formulierung des Antragstextes bewusst auf die der anderen Landtage gestützt. Ich freue mich, dass sich die CDU-SPD-Regierungskoalition entschlossen hat, sich mit einzureihen.
 
Es gilt, noch einmal ein Zeichen an die Parlamentarier des Europaparlaments zu senden und sie zu einem entsprechenden Votum aufzufordern. Das habe ich hiermit für meine Fraktion getan.
 
Wir brauchen in Sachsen-Anhalt diese Richtlinie nicht. Wir haben auch ohne Zutun der EU vernünftige Strukturen bei der Trinkwasserversorgung herausgebildet. Es gibt sowohl rein kommunale Wasserversorger  unterschiedlichster Rechtsform als auch rein Private sowie Wasserversorger mit privater Beteiligung.
 
Paradebeispiel für eine gute Zusammenarbeit ist die Fernwasserversorgung.  Negative Erfahrungen haben insbesondere einige Abwasserzweckverbände machen müssen. Verwiesen sei nur auf die Kläranlage in Rollsdorf am Süßen See oder dem ehemaligen AZV Bodeniederung.
 
Probleme mit privaten Dienstleistungen ergeben sich vor allem dann, wenn Kommunen eine Rekommunalisierung anstreben. Dabei streitet man sich regelmäßig, wenn es um die Wertermittlung des Anlagevermögens geht.
 
Die neue Richtlinie erzeugt neben mehr Bürokratie für längere Zeit auch eine beträchtliche Rechtsunsicherheit. Es finden sich darin unbestimmte Rechtsbegriffe zuhauf und zahlreiche Textstellen sind rechtlich sehr dehnbar. Sind zum Beispiel Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung als eine Sparte oder als zwei Sparten anzusehen? Es können Jahre vergehen, ehe alle Aspekte höchstrichterlich ausgeurteilt worden sind. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Sachsen-Anhalt durch zwei Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofes, das sogenannte Stendal-Urteil zum ÖPNV und das Halle-Urteil aus dem Abfallbereich, bereits zu zweifelhaftem Ruhm gelangt ist. Auch dabei ging es um die Problematik der Vergabe von Aufträgen.
 
Auch wenn der zuständige EU-Kommissar Barnier sich gegen den Vorwurf wehrt, er wolle die Wasserversorgung privatisieren, untergräbt er mit dieser Richtlinie objektiv die kommunalwirtschaftliche Infrastruktur.

Wir reden die ganze Zeit nur über die Trinkwasserversorgung, doch die Richtlinie betrifft auch weite Bereiche der Daseinsvorsorge, unter anderem Bankdienstleistungen, also unsere Sparkassen, Gas-, Wärme-,Stromerzeugung sowie -versorgung, das Gewässermanagement, die Abwasserbeseitigung, ÖPNV und SPNV, Kabelnetze, Häfen, Luftlandeplätze , um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen.
 
Die Richtlinie zielt auf die multifunktionalen leistungsfähigen Stadtwerke ab. Die Kommunen und die Bürger werden vor die Alternative gestellt, entweder rein öffentliche, auf die Kommune beschränkte  Wasserversorgung, ohne jegliche weitere Geschäftsfelder zu betreiben, oder Konzessionen zu vergeben. Ich kann Ihnen aus langjähriger Erfahrung aus den Aufsichtsgremien der Halleschen Stadtwerke prophezeien, dass die Richtlinie trotz der vom Regionalausschuss vorgenommenen Korrekturen den Bestand der Stadtwerke infrage stellt. Das ist kein Horrorszenario.
 
Wird das auf der EU-Ebene billigend in Kauf genommen oder ist es sogar gewollt? Dazu der zuständige EU-Kommissar Barnier, nachzulesen in der „Volksstimme“ vom 15. Februar 2013: „Außerdem besteht auf mittlere Sicht die Notwendigkeit, multifunktionale Stadtwerke, die auf anderen offenen Märkten im Wettbewerb stehen, zu restrukturieren, damit der Wettbewerb bei einer direkten Konzessionsvergabe an diese Stadtwerke nicht verzerrt wird.“
 
Während die Konzernstrukturen, zum Bespiel von Veolia, niemand hinterfragt, werden kommunale Mehrspartenstadtwerke zur Umstrukturierung gezwungen. Alle diese Vorteile, wie steuerlicher Querverbund und wirtschaftliche Synergien, fallen weg. Eine zweifelhafte Wiederauferstehung von Eigenbetrieben wäre die Folge. Mit Transparenz und Fairness hat das alles nichts mehr zu tun. Aus diesen Gründen habe auch ich persönlich  den Aufruf der Bürgerinitiative unterschrieben. Auch Sie können das noch tun. Im Internet ist das möglich.