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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 16: Planungsverfahren für den Schleusenkanal Tornitz (Saaleseitenkanal) abbrechen

Ich möchte eine Frage an den Finanzminister, an den Verkehrsminister und an die Wirtschaftsministerin richten: Wären Sie bereit, Mittel in Höhe von 100 Millionen € aus dem Landeshaushalt zu nehmen und den Saalekanal zu bauen, wenn sich der Bund aus der Finanzierung verabschieden würde? (Red: Finanzminister Bullerjahn: Nein.) Die Begründung, die bisher immer in Richtung Berlin geschickt wurde, lautet doch, dass die Sache für die Wirtschaft unerlässlich sei. Wenn es denn derart unerlässlich wäre, dann müssten wir darüber nachdenken, wie und woher wir die 100 Millionen € bekommen, um dieses Infrastrukturprojekt aus eigenen Mitteln zu stemmen.  

Der von Herrn Raumsauer vorgeschlagene Paradigmenwechsel läuft doch darauf hinaus, dass es in der Binnenschifffahrt ebenso aussehen wird, wie bei der Bahn. Wir haben also Bundeswasserstraßen höchster Kategorie und dann haben wir letztlich Wasserstraßen, die, wenn das Land dort Schifffahrt möchte, in Eigenregie unterhalten werden müssen.  
 
Übrigens hat Minister Daehre noch in seinen letzten Tagen als Minister in einem Brief an Frau Merkel zu dieser Thematik genau diesen Gedanken aufgegriffen und deutlich gemacht, dass das Nebenwasserstraßennetz Zubringerfunktion für die Hauptwasserstraßen hat. Das ist offensichtlich eine Erkenntnis, die er als Verkehrsminister zu Zeiten gewonnen hat, als die Nebenlinien im Bahnverkehr in Sachsen-Anhalt abbestellt wurden.  
 
Das heißt, das Herangehen von Herrn Raumsauer lehne ich auch ab. Es ist - ich möchte es jetzt einmal von der sportlichen Seite her nehmen - nicht fair, Leistungen von Sportlern zu vergleichen, die unterschiedliche Ausgangsbedingungen haben. Beim Boxen werden die Gewichtsklassen in Abständen von 1,5 kg Körpermasse festgelegt, in der Frage der Wasserstraßen werden Rhein und Donau mit Saale und Elbe auf einer Leistungsbasis verglichen. Die Ausgangsbedingungen, die hydrologischen Bedingungen sind völlig anders. Das haben wir hier schon x-mal geklärt, ich möchte das nicht weiter vertiefen.  
 
Aber dieses Herangehen seitens des Bundesverkehrsministeriums hat alte Gräben aufgerissen. Und Frau Undine Kurth hat sich Herrn Webel an die Seite gestellt, weil sie der Meinung ist, es sei nicht schicklich, den Mittellandkanal mit dem Saaleseitenkanal in einen Topf zu werfen. Damit hat sie völlig Recht. Übrigens: So schnell wird es mit der Aufhebung des Charakters der Bundeswasserstraße Saale nichts. Denn wer sich das Bundeswasserstraßengesetz einmal zu Gemüte zieht, der sieht, dass dieses ein Planfeststellungsverfahren auch für die Aufhebung einer Bundeswasserstraße vorsieht. Das kann schließlich auch 20 Jahre in Anspruch nehmen. Die Besonderheiten der Saale bedürfen auch einer besonderen Betrachtungsweise.  
 
Herr Thomas von der CDU hat vor kurzem gefordert, doch endlich dieses 80 Jahre alte Projekt abzuschließen. Ein 80 Jahre altes Projekt, das heißt, es ist eine 80 Jahre alte Technologie. Vor 80 Jahren hatten wir keine Handys, hatten wir keinen Fernseher und waren noch nicht auf dem Mond. Das heißt also, dass wir die Saale jetzt für einen Schiffstyp ausbauen wollen, der vor 80 Jahren hochmodern war. Nun haben die Schiffe die positive Seite, dass sie 60 Jahre, 70 Jahre alt werden. Das heißt, es ist nicht zu erwarten, dass die Schiffe in den nächsten 30 Jahren aussterben.
 
Ich habe mit mehreren Kapitänen von Binnenschiffen, in Sachsen-Anhalt gesprochen. Sie fragen nicht nach der Volkswirtschaftlichkeit, also dem Kostenfaktor der Investition. Sie fragen, ob sie mit ihrer Ladung in die schwarzen Zahlen fahren, das ist für sie entscheidend. Die große Sorge besteht darin: Es wird ein Saaleseitenkanal gebaut und trotzdem fährt kein Schiff. Das ist auch der Ausgangspunkt von Professor Zabel.  
 
Es gibt das Gutachten von Petschow aus dem Jahr 2008. Es enthält die gleiche Aussage über die Betriebskostenanalyse der Binnenschiffer: Sie fahren einfach nicht, weil sie 800 t Ladung haben müssen, um in die schwarzen Zahlen zu fahren.  
 
Mit Blick darauf ist es eben wichtig, dass die Saale zwar jetzt schon eine Abladetiefe von 2,50 m hat, dass aber die Elbe den Standard haben soll, der eine ganzjährige Abladetiefe von mindestens 1,60 m und eine Abladetiefe von mehr als 1,60 m an 150 Tagen im Jahr garantieren soll. Das heißt also - das wird immer bestritten -, in der Hälfte der Zeit können die Schiffe, selbst wenn sie in der Saale voll abladen könnten, nicht abladen, weil sie auf der Elbe kein Wasser unter dem Kiel haben.
 
Ein Logistiker hat mit Blick auf die Wasserstraße sehr klug gesagt: Wenn man einen Lkw mit 27 t Tragfähigkeit hat, dann lässt man den auch nicht mit 3 t Ladung fahren. Genau so ist es. Das heißt also, wenn wir uns nicht von dem Paradigma verabschieden, dass man dort mit dem herkömmlichen Schiffstyp wirtschaftlich fahren können muss, dann haben wir keine Chance, weil die Schiffe, die jetzt fahren, mit der Rhein- und Donauschiene im Wettbewerb stehen. Dort werden die Preise gemacht.  
 
Wir müssen letztlich auf die Schubverbände setzen, weil diese bei einer Wassertiefe von 1,60 m wesentlich besser abgeladen fahren können. Sie müssen bis zum Mittellandkanal fahren, dort müssen Koppelverbände zusammengestellt werden. Koppelverbände mit einer Ladekapazität von bis zu 2 000 t sind möglich; dafür ist der Mittellandkanal zugelassen. Deshalb muss der Mittellandkanal eben nicht nur bis Haldensleben in einer vorrangigen Stufe des Wasserstraßennetzes eingestuft sein, sondern es muss bis Magdeburg gehen. Der Chef des Hafens in Haldensleben ist der Einzige, der schon vor Jahren gesagt hat: Den Saaleseitenkanal brauchen wir nicht.

Jetzt komme ich noch einmal zu den Rahmenbedingungen. Die Prognosen des Bundes für die Saale gehen von einem jährlichen Frachtaufkommen von - das ist unterschiedlich; im Jahr 1989 waren es noch 2,9 Millionen t - maximal 1,7 Millionen t aus. Der Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt geht von 2,5 Millionen t aus. Und ganz über Nacht ist in dem Brief, den wir als Reaktion auf die Ankündigung des Bundes, dieses Wasserstraßensystem zu verändern, erhalten haben, auf der letzten Seite von einem potenziellen Binnenschifffahrtsanteil von 3,625 Millionen t im Einzugsgebiet der Saale die Rede. Das sind mehr als 3 Millionen t - und mehr als 3 Millionen t heißt nach dem Ramsauer’schen Konzept, dass man dann schon in dem Nebennetz landen würde.  
 
Lobbyismus ist ja gut, aber irgendwo gibt es eine Grenze. Man sieht auch, dass von den 3,6 Millionen t der Hafen in Halle allein 1,65 Millionen t beisteuern soll. Wenn wir den abziehen, dann sind es 2 Millionen t.  
 
Und komischerweise gab es vor zwei Tagen folgenden O-Ton im „Wochenspiegel“ vom Mittwoch, dem 11. Mai 2011: Auf Schiffe nie verlassen - ein Bericht aus dem Hafen Halle -; wenn man auch noch Schiffe in Halle abfertigen könnte, wäre das ein „nettes Zubrot“ - steht hier. Ein nettes Zubrot aus 1,65 Millionen t.
 
Ich möchte damit sagen, dass diese Zahlen nicht seriös sind. Die Investitionskosten in Höhe von 500 Millionen €, die Herr Minister Webel hier ins Feld geführt hat, sind genau die 500 Millionen €, von denen auch in diesem Brief die Rede ist. Das heißt also, dass das in den ganzen Jahren vorher propagierte Güterverkehrsaufkommen von 2,5 Millionen t pro Jahr vielleicht möglich wäre, aber eben nicht gesichert ist.
 
Diese Luftbuchungen fallen uns auf der anderen Sache erneut auf die Füße; denn die 3,625 Millionen t gibt es schon jetzt. Die werden jetzt gefahren. Durch wen? Jedenfalls nicht durch Schiffe auf der Saale. Also werden sie durch Lkw und die Bahn gefahren. Es gibt Analysen, nach denen im Saale-Einzugsgebiet 90 % des Güteraufkommens mit dem Lkw gefahren werden.

Das heißt, das Binnenschiff müsste diese Güter erst von der Straße zurückgewinnen. Zahlen der Binnenschifffahrt zufolge müssen die Preise erst um 10 % günstiger sein, bevor ein Unternehmen daran denkt, den Verkehrsträger zu wechseln. Damit möchte ich es bewenden lassen.  
 
Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir die Gelegenheit nutzen und uns vielleicht doch alle zusammenraufen. Ich hatte einmal den Vorschlag gemacht, ein Zukunftsforum „Binnenschifffahrt“ ins Leben zu rufen, bei dem man wirklich alle Zahlen vorurteilsfrei auf den Tisch legt, um zu überlegen, wie man unter den Bedingungen der jetzigen Zeit mit der Konkurrenz im Westen für das
Elbestromgebiet eine wirtschaftliche Binnenschifffahrt hinbekommt.