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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 10: Hochwasser 2013

Wenn man die Dokumentation der Landtagsdrucksachen betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Hochwasser noch gar nicht vorbei ist. Es ist immer noch allgegenwärtig. Das ist der große Unterschied zum Jahr 2002. Es vergeht keine Sitzung des Umweltausschusses, des Verkehrsausschusses oder des zeitweiligen Ausschusses für Vernässungen, in der das Thema Hochwasser nicht auf der Tagesordnung steht. Doch damit nicht genug. Es hagelte in der jüngsten Vergangenheit Selbstbefassungsanträge über Selbstbefassungsanträge, Kleine Anfragen zur mündlichen und zur schriftlichen Beantwortung. Nicht zuletzt erreichen den Landtag noch immer Petitionen unzufriedener Bürgerinnen und Bürger. Herr Sturm von der CDU-Fraktion erkundigte sich zum Beispiel nach der Beseitigung von Flutschäden am Mobiliar. Die mündliche Anfrage von Frau Dr. Paschke am gestrigen Tag ist Ihnen noch gegenwärtig. Herr Staatsminister wirkte gestern nicht sehr überzeugend. In der Februar-Sitzung hatten außer ihr auch die Kollegen Scharf von der CDU, Czeke, Grünert, Wagner und Loos Fragen zur Hochwasserproblematik.

Oder nehmen Sie den gemeinsamen Antrag auf Selbstbefassung von der SPD- und der CDU-Fraktion zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes in der Goitzsche-Region nach dem Verkauf und den Antrag auf Selbstbefassung der SPD-Fraktion zu dem Thema „Auswertung der Ereignisse während des Juni-Hochwassers 2013 im Elbe-Saale-Winkel“. Schließlich hat der Petitionsausschuss zu einer erweiterten Sitzung in der nächsten Woche eingeladen. Auf der Tagesordnung steht die Petition 6-U/00087, die sich mit dem Dammbruch zwischen Dessau und Aken befasst.

Nun, ein Dreivierteljahr nach der Flut, kommen gleich noch vier Anträge seitens der beiden regierungstragenden Fraktionen dazu - ohne übermäßige Lobhudelei, wie es sonst üblich ist. Stattdessen fordern Sie, kurz und knapp gesagt, nur - in Anführungszeichen - noch einmal die Erfüllung von vom Landtag bereits im Juli und im Oktober 2013 gefasster Beschlüsse, eine Beschlusslage, die übrigens auf gemeinsamen Beschlussentwürfen beruht. So viel Ehrlichkeit sollte schon sein.

Teilweise werden nur Bestimmungen bekräftigt, die bereits in den Förderrichtlinien enthalten sind, wie zum Beispiel die Anrechnung von Spendenmitteln auf den Eigenanteil von Privatpersonen. Oder es wird eine Verlängerung der Antragsfristen eingefordert, die in Bayern und in Thüringen schon von Anfang an Usus war. Übrigens endet die Antragsfrist erst ein Jahr später, also am 30. Juni 2015. Es ist mitnichten eine Einladung zum Bummeln, wie Herr Staatsminister Robra salopp in der Landtagssitzung im Februar bemerkte. Schauen Sie sich doch einmal um in den ehemaligen Flutgebieten in Sachsen-Anhalt. In Breitenhagen steckt noch die Feuchtigkeit in den Grundmauern. Bevor die nicht heraus ist, können Sie weder putzen noch vielleicht eine Wärmedämmung anbringen. Übrigens ist der Deich in Breitenhagen entgegen den Versprechungen immer noch nicht repariert. Im Asphalt des Deichweges im unsanierten Deichabschnitt zwischen dem Elbdeich und dem reparierten Bereich zeigen sich ausgeprägte Längsrisse. Wir können von Glück sprechen, dass das Frühjahrhochwasser in diesem Jahr offensichtlich ausfällt.

Meine Fraktion bewertet die vier Anträge der regierungstragenden Fraktionen als eine Klatsche. Es ist so, dass die Landesregierung offensichtlich eine falsche Schwerpunktsetzung in ihrer Hochwasserpolitik hat. Herr Minister Dr. Aeikens, nicht die Bewegung ist entscheidend, sondern das Ergebnis. Bei diesem ist trotz Ihres durchaus anerkennenswerten persönlichen Engagements eben keine Neuausrichtung in Richtung verstärkter Hochwasservorsorge zu erkennen. Sie setzen wiederum nur auf den klassischen technischen Hochwasserschutz. Die 1,5 Milliarden oder 1,9 Milliarden Euro Schäden, die wir jetzt hatten, werden beim nächsten Hochwasser - das nächste Hochwasser kommt bestimmt, auch ein nächstes Extremhochwasser, bei dem es zu Deichbrüchen kommt - nur noch höher sein. Das ist eine trügerische Sicherheit, die Sie hier verbreiten.

Ich will die Zahlen noch einmal nennen. Vom ursprünglichen Retentionsraum sind in Sachsen-Anhalt 81,7 % nicht mehr vorhanden. Das ist ein Minus von 2 340 Quadratkilometern. Da sind 100 Hektar neue Retentionsflächen nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Mittlerweile hat sich die Erkenntnis der Experten auch in der Politik durchgesetzt, dass eine wirksame Absenkung von Hochwasserscheitelabflüssen nur durch steuerbare Flutungspolder zu erreichen ist. Aber gerade mit denen geht es eben nicht voran. Ein steuerbarer Flutungspolder, der zur entscheidenden Zeit zur Hochwasserscheitelsenkung beiträgt, kann Millioneninvestitionen bei anderen technischen Hochwasserschutzanlagen einsparen. Aber dieser Zusammenhang wird wohl nicht gesehen. Mir sind jedenfalls keine Aktivitäten seitens der Landesregierung bekannt, die sich für einen Flutungspolderfonds einsetzen, in den alle Bundesländer einzahlen müssten, die als Unterlieger von den Effekten einen Nutzen ziehen.
Originalton Minister Dr. Aeikens in einem „Volksstimme“-Interview vom 14. August 2013: „Die Bauern müssen nur wissen, dass sie damit nicht rechnen können, dass sich der Staat nach dem Hochwasser jedes Mal um sie kümmert.“

Genau andersherum wird ein Schuh daraus: Die Bauern brauchen die Gewissheit, wenn sie ihre Flächen zur Verfügung stellen und diese in Anspruch genommen werden, dass dann eine Entschädigung erfolgt. Diese Sicherheit müssen sie haben. Dann sind sie auch bereit, ihre Flächen dafür zur Verfügung zu stellen.

In Halle wird die Rolle der Thüringer Saaletalsperren häufig kritisch hinterfragt. Kaum jemand weiß aber, dass Halle-Neustadt im vorigen Jahr nur deshalb nicht unterging, weil in Sachsen der Zwenkauer See, ein Tagebaurestloch, aus der Weißen Elster geflutet wurde. Gegen Speicherlamellen in ehemaligen Tagebauen sperrt sich aber die Landesregierung von Sachsen-Anhalt.

In der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit kann ich nur schlaglichtartig auf einige weitere offene Fragen eingehen. Weshalb hat zum Beispiel die nach dem Hochwasser 2002 eingerichtete Hochwasservorhersagezentrale kläglich versagt? Vom angekündigten Servicepaket blieb letztendlich nur eine Wasserstandsmeldung. Die Leiter von örtlichen Einsatzleitungen wären verlassen gewesen, wenn sie sich auf die Warnungen seitens der Hochwasservorhersagezentrale verlassen hätten. Diese gab es nämlich nicht.

In Halle windet sich der LHW wie ein Aal gegen die Einrichtung eines neuen Pegels an der Saale oberhalb der Stadt. Aber wie will er denn mit einem Pegel an der Staustufe in Trotha eine verlässliche Hochwasserprognose für die oberhalb der Stadt gelegene Aue erstellen?
Das geht so nicht länger, meine ich. Viele Schäden wären vermeidbar bzw. zumindest verminderbar gewesen, wenn rechtzeitig eine hinreichend durch bekannte Niederschlagsabflussmodellegestützte Vorsorgetätigkeit erfolgt wäre.

Oder: Warum wurde die Chance vertan, sich unmittelbar nach dem Hochwasser um Umsiedlungen zu bemühen? Die Umziehbereitschaft vieler Flutopfer ist wieder vorbei. Wie will die Landesregierung durchsetzen, dass zumindest in den unmittelbaren Hochwassergebieten angepasst gebaut wird? Die Verantwortung liegt beim Landesverwaltungsamt, bei der Genehmigung von B-Plänen: dass sie solche Dinger nicht durchgehen lassen.

Des Weiteren gehören Korrekturen von territorialen Gebietskörperschaften auf die Tagesordnung. So konnte der Bürgermeister von Barby nicht am gefährlichen Deichabschnitt in Breitenhagen sein, weil sich das Saalehochwasser dazwischen erstreckte. Die Deichbruchstelle befindet sich unglücklicherweise auch noch an der Gemarkungsgrenze zu Großrosenburg. Es gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Städten und Gemeinden, bei denen bei Hochwasser Ortsteile von den Einsatzzentralen abgeschnitten sind, zum Beispiel auch in Schönebeck. Jeder Autofahrer kennt die Verkehrsmeldung, dass die Fähre in X oder Y ihren Betrieb wegen Hochwassers eingestellt hat.

Oder: Herr Ministerpräsident, Sie haben beklagt, dass die Allianz-Versicherung die Versicherungspolicen der Elementarschadensversicherung gekündigt hat. Ja, wo ist denn die Initiative, dass die ÖSA vielleicht dort einspringt? Lassen Sie sich das doch von der ÖSA ausrechnen. Die ÖSA untersteht in der Aufsicht nämlich uns, dem Land, und nicht den entsprechenden Bundesbehörden.

Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen. Meine Fraktion wird den vorliegenden Anträgen so zustimmen, wie sie sind, und nicht dem weichspülenden Änderungsantrag der Regierungsfraktionen.