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Dr. Uwe-Volkmar Köck zu TOP 07: Entwurf eines Landesentwicklungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

364 Tage sind für die Landesentwicklung kein langer Zeitraum, für ein Gesetzgebungsverfahren aber schon. Nach der Anhörung im Mai 2014 war bis zum Januar nämlich Koalitionsmikado angesagt. Das heißt, wer sich zuerst bewegte, der hatte verloren. Hinter den Kulissen wurde bis in den Koalitionsausschuss hinein um alle Formulierungen die Windenergie und das Repowering betreffend gerungen. Was lange währt, wird gut, heißt es in einem deutschen Sprichwort. Ob das auch auf den dabei gefundenen Kompromiss zutrifft, wird sich erst noch zeigen. Die Gerichtsfestigkeit steht in den Sternen.

Ich möchte mich in meinen heutigen Ausführungen auf unseren Änderungsantrag konzentrieren, landesplanerisch keine Grundzentren mehr auszuweisen. Im Ergebnis der Gemeindegebietsreform sind nur noch 128 hauptamtlich verwaltete kommunale Gebietskörperschaften übrig geblieben. Sie bestehen aus bis zu 50 Ortsteilen. Gardelegen und Möckern sind flächenmäßig die größten Gemeinden der Bundesrepublik. Zum Beispiel erreicht die Stadt Gardelegen die Größe des ehemaligen gleichnamigen Landkreises.

Das Konzept des grundzentralen Versorgungsraumes ist in mehrfacher Hinsicht innovativ. Diese geschilderten Großgemeinden würden dadurch mit größeren Handlungsspielräumen ausgestattet werden. Ortsübergreifend gewählte Gemeindevertreter sollen gegebenenfalls gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber entscheiden können, welche, wo und wie viel Infrastruktur vorgehalten wird bzw. wie die Daseinsvorsorge räumlich organisiert wird.

Grundzentraler Versorgungsraum würde heißen: mehr Eigenverantwortung, größeres Vertrauen und weniger Bürokratie. Grundzentraler Versorgungsraum würde auch heißen: größere Gestaltungsspielräume für die Gemeinden, mehr Raum für unkonventionelle Lösungen und innovative Ansätze und auch für bürgerschaftliches Engagement. Hilfreich wären in diesem Zusammenhang eine Prüfung technischer Standards und Normen für die Infrastruktur, geringere bürokratische Hürden und vor allem Mündigkeit im Bereich der Kommunalfinanzen.

Die raumplanerische Kategorie des Grundzentrums, die dem Gesetzestext zugrunde liegt, steuert nicht mehr, sondern erweist sich als dirigistische Fessel. Die Kategorie des Grundzentrums dient vor allem als Mittel zur Begründung der Ausdünnung der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge. So sollen sich Strukturen der Daseinsvorsorge am zentralörtlichen System orientieren bzw. soll im Falle von notwendigen Anpassungen die Schrumpfung in Richtung der Zentralorte erfolgen.

Im Landentwicklungsplan 2010 werden auch Aufstellungsmerkmale für Grundzentren definiert. Allerdings sucht man einen verbindlichen Aufstellungskatalog vergebens. 21 Ziele und 30 Grundsätze der Raumordnung befassen sich mit den verschiedenen Sektoren. Adressaten dieser Regeln sind mal ein anonymes „man“, mal die zentralen Orte, mal das Sozial- und Gesundheitswesen. Die Normen sind sowohl als Soll- und Ist-Norm gefasst als auch als Ziel oder Grundsatz.

Häufig finden sich entscheidende Aussagen nur in den Begründungen zu den Zielen oder den Grundsätzen. Von Mindeststandards der Daseinsvorsorge ist im Gesetzestext zwar die Rede, aber man sucht sie vergebens. Im Landesentwicklungsplan ebenso.

Legt man die genannten Kriterien dem Landesentwicklungsplan zugrunde, ergibt sich, dass zwei Drittel aller Gemeinden Sachsen-Anhalts keinen Ortsteil aufweisen, der die landesplanerischen Kriterien eines Grundzentrums erfüllt. Potenziell 70 von 128 Gemeinden droht dadurch die Beschränkung auf eine Entwicklung in den Grenzen des von der Bevölkerungsentwicklung abhängigen Eigenbedarfs bzw. der Wegfall von Einrichtungen der Daseinsvorsorge; denn diese sollen - das ist ein landesplanerisches Ziel - auf die Grundzentren konzentriert werden. Aber auch in diesen dünn besiedelten Räumen leben Menschen. Der Rückbau der Infrastruktur der Daseinsvorsorge trifft insbesondere alleinerziehende Frauen, Familien mit Kindern, Jugendliche und vor allem Seniorinnen und Senioren sowie Personen mit Mobilitätseinschränkungen. Es wird also höchste Zeit, um auch hierbei einen innovativen Schritt zu tun. Ich werbe noch einmal dafür, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.