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Dr. Helga Paschke zu TOP 19: Beförderungspolitik ändern – Beförderungsstau abbauen

Es vergeht keine Landtagssitzung, in der wir uns nicht über Fragen der Personalentwicklung zum Teil mehrmals unterhalten. Das geschieht seit der Einbringung des ersten Personalentwicklungskonzeptes. Über dieses Thema wird stets sehr kontrovers verhandelt. Es geht dabei vor allem um den Umfang des Personalkörpers und um Strukturen. So kontrovers wir diese Diskussion auch geführt haben, so haben wir, glaube ich, doch eine Gemeinsamkeit. Wir wissen, dass wir dem Personal in den letzten Jahren Erhebliches zugemutet haben. Es gab eine drastische Reduzierung des Personalkörpers, Arbeitsverdichtung, ein tendenziell wachsendes Aufgabenspektrum und weniger Neueinstellungen. Umso wichtiger ist es unter diesen Bedingungen, Formen der Anerkennungskultur zu finden.

Dazu gehört natürlich insbesondere, dass die Bediensteten für ihre geleistete Arbeit anerkannt werden, dass sie also entsprechend ihrer Funktion bzw. ihres Dienstpostens, den sie wahrnehmen, bezahlt bzw. besoldet werden. Dazu gehört auch, dass der Bedienstete eine andere Perspektive hat, als nach fast 20 Jahren noch im Eingangsamt auf eine Beförderung zu warten.

Unser Antrag ist in zwei Teile geteilt worden. In Teil 1 haben wir unter den Punkten 1 bis 5 Bereiche aufgezählt, in denen es nach unserer Meinung im Land erhebliche Defizite gibt. Im Teil 2 haben wir einige Vorschläge für den weiteren Umgang, die weitere Beratung und vor allen Dingen eben auch die weitere Begleitung durch das Parlament gemacht.
Hinsichtlich des ersten Abschnitts möchte ich aus Zeitgründen zwei Fakten nennen. Nach der Aussage der Landesregierung sind aktuell 5 145 Beschäftige der Landesverwaltung beförderungsfähig. Da die Landesregierung die Differenz ausgerechnet hat, indem sie den Stellenplan mit dem Ist-Personal verglichen hat, gehen wir davon aus, dass es sich bei den 5.145 Beschäftigen um Menschen handelt, die Aufgaben eines höheren Dienstpostens wahrnehmen, aber nicht entsprechend diesem Dienstposten besoldet werden. So verstehen wir diese Berechnung.

Ich will nur die Spitzenreiter im negativen Sinne nennen, auf die sich die 5 .145 Beschäftigten verteilen. Der Spitzenreiter ist der Bereich Inneres und Sport. Dort sind 2.212 Bedienstete und zum Teil auch Beschäftigte, die höhergruppierungs- bzw. beförderungsfähig sind. Das sind 40 % aller Betroffenen. Auf Platz 2 folgt das Finanzministerium mit 923 Menschen, die einen höheren Dienstposten einnehmen und nicht danach bezahlt werden. Platz 3 belegt die Justiz. In diesem Ressort haben 901 Beschäftigte einen höheren Dienstposten, ohne dass sie entsprechend bezahlt werden.

Nun hört man nicht selten, dass es bei Beamten eben so ist. Aber ich frage Sie: Passt das in unsere Zeit? Können wir es den Bediensteten zumuten, dass sie teilweise über Jahrzehnte hinweg bei jeder Beförderungsrunde zu hören bekommen: Es liegt nicht an deiner Beurteilung, es fehlt am Geld. Gleichzeitig sparen wir aber alljährlich Millionen im Topf der Personalverstärkungsmittel ein. Wie passt das zusammen?

Ich habe ausgeführt, dass es fast jedes Ministerium betrifft.  Ich möchte aber am Beispiel der Polizei noch einige vertiefende Fakten bringen. Wir wissen, dass es allein bei der Polizei ca. 1.600 Nichtbeförderungsfälle gibt, dass die Kolleginnen und Kollegen an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten und dass das Reformchaos die Bediensteten nervenzerfetzend belastet.

Wie erschreckend sich die Stimmungslage in der Polizei darstellt, wurde uns durch die Reaktion vieler Bediensteter auf die Antwort des Innenministers im Rahmen der Fragestunde im Januar 2014 deutlich, als meine Kollegin Frau Hunger zur Beförderungssituation nachfragte. Der Innenminister machte damals zwei Äußerungen, die viele Polizistinnen und Polizisten auf die Palme brachten. Zum einen sprach der Innenminister von „Einzelfällen“, in denen Bedienstete, die ein Ausschreibungsverfahren zur Beförderung gewonnen haben, nicht die entsprechende Besoldung bekommen.

Die sehr große Anzahl dieser Einzelfälle, die sich daraufhin bei Frau Hunger gemeldet haben, hat das E-Mail-Fach von Frau Hunger platzen lassen. Diese Einzelfälle gibt es nahezu flächendeckend. Über das Thema wurde umfänglich im Intranet der Polizei diskutiert und der Herr Minister verfasste zur Klarstellung dieser Äußerungen einen offenen Brief an seine Bediensteten.

Zum anderen brachte eine zweite Äußerung eine große Anzahl von Bediensteten auf die Palme. Das war die Aussage des Innenministers, schuld daran sei in großen Teilen das Stellenhebungsprogramm, das im Zusammenhang mit der letzten Polizeireform durchgeführt wurde. Nun muss ich sagen: Das stimmt zum Teil, zum Teil aber auch nicht. Es stimmt, denn viele haben auch geschrieben: Ja, wir waren auch vorher schon im Beförderungsstau, das Stellenhebungsprogramm hat uns gebracht, dass wir jetzt mehr sind und dass wir mit einer Vergütung nach der Besoldungsgruppe A 10 eine Aufgabe der Besoldungsgruppe A 12 erfüllen.

Ich möchte einiges vortragen, das dabei von den Einzelfällen angeführt wurde. Die Bediensteten schilderten, wie viele Jahre sie schon auf eine Beförderung warten, dass es ihnen zwar gelang, zum Teil wiederholt eine Ausschreibung zu gewinnen und den Dienstposten zu erhalten, dass sie aber über Jahre hinweg nicht befördert wurden, sprich nicht die entsprechende Besoldung bekommen. Es wurde berichtet, dass Beamtinnen und Beamte teilweise in erheblichen Größenordnungen andere Dienstposten besetzen und dafür zum Teil zwei Stufen unter der entsprechenden Besoldungsgruppe besoldet werden. Oder sie legten dar, dass sie sich aufgrund von Ausschreibungsverfahren zum Beispiel im Jahr 2011 bewarben, dass in der Folge nichts, aber auch gar nichts passierte, und dass sie im Jahr 2013 die Nachricht erhielten: Die Ausschreibung wird für null und nichtig erklärt, weil sich das Anforderungsprofil geändert hat.

In den meisten Fällen hat sich nicht das Anforderungsprofil geändert, sondern das geschah schon in Vorbereitung der neuen Polizeistrukturreform. Denn es pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass diese Strukturreform auch dazu dient, einen ganzen Teil dieser Stellenhebungen wieder rückgängig zu machen.

Ich verlasse den Bereich der Polizei. Gleichwohl muss ich abschließend bemerken, dass das die besten Voraussetzungen sind, um eine neue Polizeistrukturreform durchzuführen.

Ich möchte noch etwas Allgemeines sagen: Es ist festzustellen, dass die Landesregierung mit Beginn der Erstellung des ersten Personalentwicklungskonzeptes ihre Beförderungspraxis schrittweise umgestellt hat. Beförderungen sind nur noch im Rahmen der jeweiligen Beförderungskonzepte möglich, was zunächst nicht pauschal kritisiert werden kann, jedoch sind diese mit den Jahren immer intransparenter geworden - sie waren einmal im Personalentwicklungskonzept ganz konkret ausgewiesen - und die eingesetzten Mittel wurden tendenziell gekürzt, das heißt halbiert.

Wenn beispielsweise das Beförderungskonzept für das Jahr 2014 erst im April 2014 das Kabinett passiert, dann ist de facto das halbe Haushaltsjahr um, bevor der Beschluss in den Häusern greifen kann.

Fazit 1: Die Beförderungspolitik ist insgesamt zu kritisieren und zu missbilligen.

Fazit 2: Weil das nicht so bleiben kann, haben wir unter Abschnitt II aufgeführt, über welche Punkte wir in den Ausschüssen mit der Landesregierung diskutieren wollen.

Ich möchte nur einige wenige davon nennen. Unter Abschnitt II Punkt 3 wird die Landesregierung aufgefordert, die Ergebnisse der Evaluation des Landesbeamtenrechts in die Berichterstattung einfließen zu lassen. Hierbei ist die Landesregierung in Zeitverzug und in der Bringepflicht. Darüber sprachen wir bereits.

Das Wichtigste in diesem Abschnitt ist jedoch der Prüfauftrag. Es geht um die Prüfung, inwieweit wir, um den Beförderungsstau etwas zu kompensieren, wieder auf eine Verwendungszulage zurückgreifen. Ich bitte Sie, nicht gleich die Arme hochzureißen, denn diese Art von Verwendungszulage war so lange, wie das Bundesrecht für alle galt, Gesetz. Es war § 46 Abs. 1 im Bundesrecht. Wir hatten ihn übernommen. Dann wurden zahlreiche Klagen getätigt, die auch erfolgreich waren, sodass im Ergebnis herauskam: Wenn ein Bediensteter 18 Monate lang ein Amt wahrnimmt und nicht entsprechend besoldet wird, dann ist ihm eine bestimmte Differenz zu zahlen.

Als auch Sachsen-Anhalt die Klagewelle erreichte und die ersten Klagen erfolgreich waren, haben wir im Jahr 2007 innerhalb von vier Wochen die Beratung zu einem Gesetz durchgeführt, mit dem wir diese Verwendungszulage ruckzuck gestrichen haben, und zwar ohne Anhörung, ohne alles. Ich kann mich noch genau daran erinnern, denn weil wir das in einem derartigen Schnellverfahren machen mussten, hatten sich die FDP und auch wir der Abstimmung verweigert. Aber warum sollte man nicht prüfen, ob man für bestimmte Besoldungsgruppen, für bestimmte Personengruppen so etwas wieder einführt? Wir sind diesbezüglich offen. Weil wir im Föderalismussystem sind, sind wir offen in der Entscheidung, wo wir diesbezüglich die Grenzen setzen. Ich denke, darüber sollte wirklich diskutiert werden.

Eine wichtige Frage, die im Antrag keine besondere Berücksichtigung fand, sollte unbedingt in den Ausschüssen erörtert werden, und zwar die der Geschlechtergerechtigkeit. Ich gebe zu, ich hatte das Anliegen als Punkt 6 aufgenommen, doch als wir dann Gespräche mit allen möglichen Bediensteten geführt haben, haben diese gesagt: Das ist nicht so sehr unser Problem. Frau Ministerin Kolb hat in der letzten Woche in der Enquete-Kommission Ausführungen gemacht und hat unter anderem zu dieser Problematik berichtet, dass sie in der Funktion der Ministerin, die für diesen Bereich zuständig ist, einmal die Beurteilungen aller Richterinnen und Richtern miteinander verglichen hat. Dabei ist herausgekommen, dass die Richterinnen sozusagen flächendeckend signifikant schlechter beurteilt wurden als ihre männlichen Kollegen. Auch darüber müssten wir weiter diskutieren. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das nur ein Problem bei Richterinnen und Richtern sein soll.

Deshalb steht in unserem Antrag, dass wir besonders auf die Beurteilungspraxis schauen. Wir wissen, dass vor etwa vier Jahren alles umgestellt worden ist. Es ist leider vorher nicht evaluiert worden, was das andere Beurteilungssystem gebracht hat. Wir wissen, dass die Ministerin auch an dem Thema dran ist und dass es diesbezüglich Weiterbildungen geben kann. Aber wir können es uns auf Dauer nicht erlauben, dass weibliche Bedienstete schlechter beurteilt werden als ihre männlichen Kollegen. Denn ich gehe davon aus, dass sie mindestens genau so gut sind wie ihre männlichen Kollegen.

Abschließend eine sehr wichtige Bemerkung: Natürlich kosten Beförderungen und Höhergruppierungen vor allem Geld. Wenn alle Beförderungsmöglichkeiten umgesetzt werden würden, dann müssten nach Berechnungen der Landesregierung Mittel in Höhe von 20,5 Millionen Euro eingesetzt werden, und das natürlich nicht nur einmalig. Aber wir sollten uns - das haben wir unter Punkt 2 ausgeführt - nicht damit herausreden: Wir haben das Geld nicht, also ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Ende der Diskussion. Wenn wir immer mehr Leistung abverlangen, dann muss es uns auch schrittweise gelingen, den Beförderungsstau weiter abzubauen. Bisher jedenfalls blieb er trotz einzelner Maßnahmen auf annähend konstantem Niveau, und das bei drastischer Personalreduzierung. Das ist niemandem zu vermitteln. Es ist zum Beispiel auch der Beamtin in der Finanzverwaltung mit der Besoldungsgruppe A 6 nicht zu vermitteln, dass sie nach zwölf Jahren noch immer mit 2 000 Euro nach Hause geht.