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Dr. Frank Thiel zu TOP 27: Kollektives Versagen bei der Aufsicht über die IBG

Seit einigen Tagen ist die Diskussion um die landeseigene Beteiligungsgesellschaft IBG und deren Verwaltung in der Vergangenheit in neuer Dimension entbrannt. Ausgangspunkt war die aktuelle Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes zu aktuellen Entwicklungen bei der IBG. Schon vor Wochen wurde darüber diskutiert, nachdem der ehemalige Präsident Seibicke im 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der öffentlichen Zeugenvernehmung bereits wesentliche Aussagen getroffen hatte. Umso verwunderlicher war für mich, dass Ministerpräsident Haseloff in seiner Aussage vorgestern vor dem Ausschuss ankündigte, er freue sich auf den heutigen Tag, weil Minister Möllring endlich die Gelegenheit hätte, die Erfolgsgeschichte IBG vorzustellen. Das erhöhte natürlich auch bei mir die Vorfreude, solches zu hören. Allerdings nährten mich Zweifel, ob sich denn unsere Bewertung von 2013 mit neuartigen Kenntnissen verändert haben könnte.

Die obersten Kassenprüfer im Land haben sich mehrfach mit dem Beteiligungsmanagement beschäftigt, s. Jahresbericht 2003/2004, 2006/2007, Jahresbericht 2013, Prüfmitteilung 2015. Immer wieder wurden fortlaufender Kapitalverzehr, Mängel in der Nachweisführung und mangelnde Kontrollfunktionen kritisiert. So seien bis zum Jahr 2012 bereits 96,5 % des vom Land im Zeitraum 2008 bis 2012 eingezahlten Kapitals verbraucht.  Wir reden hier von fast 69 Millionen Euro. Auch wenn es kaufmännische Abschreibungen gewesen sein sollen, die die hohen Verluste ausmachen – es bleiben die Fragen nach den Ursachen für „schwarze Löcher“ in der Fördermittelvergabe. Denn das Geld ist ja nicht weg, es hat offensichtlich ein anderer.
Der Landesrechnungshof kommt 2013 zu dem Schluss: „Das mit der Umstrukturierung verfolgte Ziel der Professionalisierung des Beteiligungsmanagements hat sich weder in der Ertragslage noch in den Jahresergebnissen der IBG-Gruppe niedergeschlagen.
Der Landesrechnungshof hält es für erforderlich, das Geschäftsmodell der IBG und die praktizierte Verfahrensweise im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Beteiligung und der Verwaltung der Beteiligungen zu evaluieren.“ Diese Evakuationsphase mündete vor zwei Jahren in die Einsetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Am Montag gab Rechnungshofpräsident Barthel bekannt, dass die Beteiligungsgesellschaft allein zwischen 2007 und 2013 einen Fehlbetrag von 80 Millionen Euro zu verzeichnen hatte. Selbstverständlich sind in diesem Geschäft Risiken nicht vermeidbar und einzukalkulieren. Jedoch sind nach unseren Recherchen von den 160 Firmen, an denen es bisher bekannt gewordene Beteiligungen gab, fast ein Drittel, nämlich 52, in die Insolvenz gegangen bzw. haben sich aufgelöst. Das ist eine ziemlich hohe Quote. Warum dann fortlaufend immer noch von einem Erfolgsmodell gesprochen wird, entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen. Außerdem fanden sich fast 30 Beteiligungen außerhalb Sachsen-Anhalts wieder, auch waren die Konzentrationen auf eine Unternehmensgruppe auffällig.

Natürlich erhebt sich die Frage, wie weiter mit Risikokapital, welches das Land bereit stellt. Um es klar und deutlich zu formulieren, wenn wir Forschung und Entwicklung als Hauptproblem bei unseren KMU sehen, dann benötigen wir auch die dafür erforderlichen Förderinstrumente. Das gilt in besonderem Maße auch für ein solches Wagniskapital. Aber gerade, weil im Management der Fonds so viele Ungereimtheiten auftraten, ist doch die Frage einer Diskussion darüber mehr als notwendig. Warum nicht gleichberechtigt, auch diesen kleinen innovativen Unternehmen verlorene Zuschüsse zu vergeben. Wir reden hier über den seed und startup-Bereich.
Ist es nicht häufig Praxis bei der Fördermittelvergabe, dass kleine Unternehmen Darlehen aufnehmen müssen und große Subventionen erhalten? Klar wird in der Perspektive der Fördermittelstrom immer weniger werden. Darauf gilt es sich langfristig einzustellen. Da können revolvierende Fonds, auch staatliche Risikokapitalfonds, auf Dauer Instrumente bleiben. Allerdings stellt sich deutlich die Frage, warum immer nur zuschusspflichtig, nur mit Verlusten arbeitend. Jeder private Fond wäre so nicht existenzfähig. Dazu gibt es erheblichen Diskussionsbedarf.

Hinzu kommt: Geld war offenbar genügend da. Das bestätigte auch der Ex-Manager von der Osten am letzten Mittwoch im Ausschuss. Es sei schwer gewesen, bei der Fülle des Geldes genügend attraktive Beteiligungen zu finden. Er verglich die Wirtschaftskraft Sachsen-Anhalts mit der Stadt Köln. Und er meinte, wenn man 300 Millionen Euro über Köln ausschütte, gäbe es auch Probleme. Da war es offenbar ein leichtes, einem 1-Mann-Unternehmen 1 Million Euro zu geben, das bis heute außer dem Geschäftsführer keinen einzigen Arbeitsplatz geschaffen hat.

Das erinnert ein wenig an den 13. Untersuchungsausschuss zum anderen Fördermittelskandal. Da war 2006-2008 auch viel Geld unterwegs, was einen nachhaltigen Einsatz suchte. Und es bot reichlich Ansatz für Missbrauch. Aber das ist schon ein weiteres Kapitel.

Herr Kollege Fraktionsvorsitzender Schröder beklagte diese Woche, dass wir heute über die IBG reden, obwohl der Untersuchungsausschuss noch gar nicht zu Ende ist. Nun, die Klage ist zu 50% berechtigt, da im Abschlussbericht sicher eine Menge interessanter Probleme aufgelistet werden, wie in den letzten Jahren mit den IBG-Fonds umgegangen worden ist und worin das Versagen aller Kontrollgremien begründet werden kann. Ohne öffentliche Kenntnis der Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes und der Ergebnisse der Zeugenbefragungen fällt ein umfassendes Urteil schwer. Obwohl Präsident Barthel vom kollektiven Versagen bei der IBG sprach und damit fehlendes Regelwerk bei Arbeit, Controlling und Nachweisführung meinte. Selbst Sanktionsmöglichkeiten bei der Missachtung von Beteiligungsgrundsätzen und weiterer förderrechtlicher Vorgaben durch die Managementfirma goodvent waren im Geschäftsbesorgungsvertrag nicht geregelt, so Ex-Präsident Seibicke im Januar.

Obwohl Ministerpräsident Haseloff am Mittwoch meinte, die IBG wäre ein Erfolgsmodell und er würde alles wieder so machen, denn schließlich gab es nur Einzelfälle, wo etwas nicht in Ordnung war. Da war selbst ich für einen Moment sprachlos.
Zumindest die Insider räumen die Mängel ein. Staatssekretärin Zieschang sprach vorsichtig von Entscheidungen, die nicht im Einklang mit den Beteiligungsgrundsätzen standen.  

Aber 50 % von Andre Schröders Klage sind nicht berechtigt. Denn im Untersuchungsauftrag steht, dass die jeweiligen Verträge der IBG und der GoodVent GmbH & Co. KG mit ihren leitenden Angestellten untersucht werden sollen. Dabei steht im Fokus der Untersuchungen, ob diese Verträge eventuell so gestaltet wurden, dass hierdurch möglichen unrechtmäßigen Fördermittelvergaben oder möglichen unrechtmäßigen privaten Geschäften von Angestellten der genannten Gesellschaften Vorschub geleistet wurde. Deshalb gibt es die Gelegenheit, in dieser aktuellen Debatte das Problem aufzuwerfen, dass in der übernächsten Woche die Ausschüsse für Finanzen sowie Wissenschaft und Wirtschaft bereden werden. Nämlich, dass die erneute Privatisierung des Managements der IBG zu Ende gebracht wird, ohne dass die Schlussfolgerungen aus dem PUA vorlagen.
Und dieses Problem hat einen breiten Raum in den Zeugenbefragungen eingenommen: Wer kannte wem, wer hatte besondere Interessen, wie lief das Verfahren ab, wie wurden Verträge formuliert, welche Bedingungen standen in den Geschäftsführerverträgen, die zu festgestellten Verwerfungen und Ungereimtheiten führten, schlussendlich im Versagen der Aufsichtsgremien.

Bereits bei der Debatte zum Einsetzungsbeschluss des Ausschusses haben wir auf den Mangel einer kurzfristigen Vergabe des Managements hingewiesen. Man wird uns bestimmt erklären, Brüssel hätte auf Tempo gedrückt. Denn im Jahr 2013 lagen bereits eine Reihe von Vorwürfen zum Umgang mit Mittel der Europäischen Union in Sachsen-Anhalt auf Brüsseler Schreibtischen: Dessauer Fördermittelskandal, Jahnhalle Wolmirstedt. Im Sommer 2014 kam das Schreiben zur Zahlungsunterbrechung von 258 Millionen Euro wegen weiterer beanstandeter Förderprojekte hinzu. Ebenso wurde bei vor-Ort-Kontrollen gefunden, dass für 2 Beteiligungsfälle der IBG die Förderkriterien von EFRE nicht mehr erfüllt werden.

Alles in allem eine ziemliche Fülle von Ungereimtheiten in Sachsen-Anhalt. Deshalb wollte man offenbar Brüssel nicht weiter auffallen, wenn sich die Vergabe des Beteiligungsmanagements doch weiter hinauszögern sollte, über den bereits mehrfach gesetzten Übergangstermin hinaus. Sie können sich also auf kritische Nachfragen im Ausschuss freuen.