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Dr. Frank Thiel zu TOP 23: Die Sicherung der gesetzlich garantierten Mitbestimmung und der Arbeit der Betriebsräte in Sachsen-Anhalt

Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der Landtag mit dem Thema Mitbestimmung der Beschäftigten in den Unternehmen und Einrichtungen unseres Landes. Erst im März dieses Jahres haben wir uns hier im hohen Haus mit der Notwendigkeit und den Rechten der Arbeitnehmer zu Betriebsratswahlen diskutiert, mit Blick auf die anstehenden Betriebsratswahlen unter dem Thema, dieses als Chance für die Stärkung der Demokratie in den Unternehmen nutzen.

ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften, die diese Debatten verfolgen, fragen sich, wie ernst die politisch Verantwortlichen das eigentlich meinen. Dieses hohe Haus beschäftigt sich mit Betriebsräten und Arbeitnehmerrechten immer erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die Beispiele sind bekannt: Doppstadt, inbef, Volksstimme, Schlecker oder jüngst die Call-Center-Branche

Auch mit Enercon haben wir uns hier schon beschäftigt. Seit Bestehen des Unternehmens in Sachsen-Anhalt wehren sich die Eigentümer gegen Gewerkschaften und Betriebsräte im Unternehmen. Die Zergliederung in 16 Betriebsteile um Magdeburg ist auch ein Führungsinstrument um Arbeitnehmerrechte zu zerschlagen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.

Der eine oder andere wird sich die Frage stellen: Was geht der Einzelfall uns als Politik an? Schließlich wird ein Gericht darüber heute 11.30 Uhr beraten. Natürlich ist es Sache der Arbeitsrichter zu urteilen, wie konkrete Gesetze in der Praxis ausgelegt werden. Aber was uns als Politiker interessieren sollte, ist die Dimension, wie die vielfach beschworenen Mitbestimmungsmöglichkeiten im wirklichen Leben der sozialen Marktwirtschaft umgesetzt werden. Nils-Holger Böttger hat als Betriebsratsvorsitzender offenbar das gemacht, was von einem Betriebsratsvorsitzenden erwartet wird. Er hat sich für die Interessen der ArbeitnehmerInnen eingesetzt. Dazu gehören auch die LeiharbeitnehmerInnen  laut § 80 Betriebsverfassungsgesetz. Er hat Gespräche gesucht, auch mit der Geschäftsleitung, um Probleme zu lösen. Und als sich nichts änderte, hat er das gemacht, was manche fürchten wie der Teufel das Weihwasser: er hat den Umgang mit Beschäftigten öffentlich gemacht. Und das daraus ein Gerichtsprozess wird, ist der eigentliche Skandal und nicht das Verhalten eines Betriebsrates im Sinne der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen.

Übrigens hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen hat, dass Leiharbeiter bei der Bestimmung der Betriebsgröße mitzähle. Eine rechtliche Kehrtwende, denn damit wurde die bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Die Zuständigkeit des Betriebsrates im Entleihbetrieb für Leiharbeitnehmer/innen erstreckt sich zum Beispiel auf Fragen der Ordnung des Betriebes, Mehrarbeit, Beginn und Ende der Arbeitszeit, Beschwerderecht, Arbeitsschutz, Versetzung, etc.

Und wenn man die Kolleginnen und Kollegen bei enercon befragt, dann hört man, es geht dort der Geschäftsführung darum, Gewerkschaft im Betrieb zu verhindern und an ausgewählten Personen und bei jeder Gelegenheit ein Exempel zu statuieren.
Unbegreiflich bei der Tatsache, dass die Beschäftigten gern ihre Arbeit tun. Sie wollen eigentlich nichts anderes, als respektvoll behandelt und wertgeschätzt zu werden. Sie wollen Transparenz bei Entscheidungen und mitbestimmen können.
Da ist eine Menge zu tun, wenn man weiß, dass die IG Metall für einen solchen Tarifvertrag kämpft, mit dem ein ausgelernter Facharbeiter annähernd das gleiche bekommt wie ein Facharbeiter bei Mitbewerbern.
Dumpinglöhne – das haben zahlreiche Erfahrungen bewiesen- haben sich sowieso auf Dauer zum Nachteil der Unternehmen entwickelt, die sich damit langfristig Wettbewerbsvorteile sichern wollen.

Der Bezirksleiter der IG Metall für Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, Hartmut Meine,  sagte, besonders empörend ist Verhalten deshalb, da der Windkraftanlagenbauer Enercon seit Jahren von öffentlichen Steuergeldern profitiert und den Firmengründer, Aloys Wobben, zum reichsten Niedersachsen gemacht hat.

Wenn Enercon so weitermacht, muss man sich nicht wundern, wenn das Thema Akzeptanz von Windenergie unter der Bevölkerung auch in einer neuen Dimension betrachtet wird. Wir erwarten, dass Unternehmen bei Behinderung von Betriebsratswahlen und der Umsetzung von Betriebsverfassungsrechten nach Betriebsverfassungsgesetz zur Verantwortung gezogen werden. Und außerdem, Unternehmen, die den Beschäftigten keine tariflichen Leistungen zahlen, dürfen auch nicht aus Steuerleistungen finanziell bevorzugt werden.

Damit sind wir  heute in der Aktuellen Debatte ei dem Punkt angelangt, wie Landespolitik noch drängender auf die Umsetzung von Gesetzen einwirken kann.
Wo bleibt eigentlich die regelmäßige Anregung, den Tarifpartner Arbeitgeberverband sich diesen Fragen der Arbeit von Betriebsräten in allen Unternehmen mit mehr als 5 Beschäftigten zu stellen?
Wo bleibt die offensive Diskussion zu diesem Thema in den Industrie- und Handelskammern mit ihrem Mitgliedsunternehmen, sich diesen Anforderungen zu öffnen?

Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern in den Vorständen oder der allgemeine Aufruf  reicht sicherlich nicht aus. Es ist doch kein Geheimnis, dass Unternehmen bei uns, die über eine organsierte Mitbestimmung verfügen, produktiver sind und bessere Ergebnisse erzielen. Engagierte Mitarbeiter tragen für ein besseres Betriebsklima bei. Es ist nicht gut für ein Unternehmen, wenn sich das Management von den Kolleg/innen im Betrieb abkoppelt und sich zwei Welten bilden, die dann nichts mehr miteinander zu tun haben. Ein Geschäftsführer der spanischen Kooperative Mondragón – das ist eines der größten Unternehmens Spaniens und die weltgrößte Genossenschaft – sagte einmal, er will nach der Arbeit gemeinsam mit den Kolleg/innen in einer Kneipe einen Wein trinken können. Ein guter Chef ist an der Arbeit, den Ideen und der Lebensweise seiner Mitarbeiter interessiert – und lernt bestenfalls von ihnen.

Und es reicht eben nicht aus, wenn der Sozialminister gemeinsam mit dem DGB zur Wahl von Betriebsräten aufruft, aber in anderen Ministerien bei der Ausreichung von Fördermitteln die Fragestellung bei der Antragsbearbeitung, und -wie wird damit „Gute Arbeit“ gefördert, nicht stattfindet? Und das ist nicht nur eine Frage der Lohnhöhe. Wie oft haben wir gefordert, in die Antragsformulare für GA oder europäische Strukturfondmittel die Unterschrift eines Betriebs- oder ggf. eines Personalrates mit aufzunehmen. Das könnte schon eine andere Atmosphäre für das Thema betrieblicher Mitbestimmung schaffen und sollte nicht einfach als vergabefremdes Kriterium herabgewürdigt werden. Ich möchte Kollegen Bischoff nicht zu nahe treten; aber es wird zukünftig notwendig sein, dass im Wirtschaftsministerium wieder mehr mitgedacht wird, dass Wirtschaftsförderung nicht nur Investitionen in Anlagen bedeutet, sondern auch in gute Arbeit für Beschäftigte in all ihre Facetten.

Eine innovative Förderstrategie vereinbart sich nicht mit der Akzeptanz hinterwäldlerischer Mitbestimmungsdefinitionen nach der Maßgabe „als Chef weiß ich schon immer am besten, was für meine Untergebenen gut ist.“

Aber solange die Landesregierung duldet, dass in den Präsentationsunterlagen der landeseigenen Marketinggesellschaft bis heute der Standortvorteil  „Flexibilität hiesiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ auch mit der Tatsache beschrieben wird, dass 75% der Unternehmen nicht an Tarifverträge gebunden sind, dann braucht man sich über den Zustand der Wirtschaftsdemokratie im Land nicht zu wundern.