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Dr. Frank Thiel zu TOP 20: Die Vorgänge um die Fördermittelvergabe lückenlos aufklären – personelle Konsequenzen ziehen

Es gibt den weit verbreiteten Irrtum, man könne in Ruhe unbequeme Dinge aussitzen, es reiche aus, sich bei unliebsamen Ereignissen in den Schildkrötenpanzer zurückzuziehen,  sich weg zu ducken und auszuharren, denn die Zeit werden schon Gras über die Dinge wachsen lassen. Dies gilt aktuell und in besonderer Weise für die Vorgänge um die Jahn-Halle Wolmirstedt. Deshalb haben wir erneut eine aktuelle Debatte im Landtag beantragt, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und ähnlich wie beim Untersuchungsausschuss IBG verbinden wir damit die Hoffnung, dass sich wirklich alle Fraktionen an der Aufklärung der Vorgänge beteiligen wollen. Auch der eine oder andere Kollege, der den konkreten Projektablauf gut kennt.

Im Sommer dieses Jahres legte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, genannt OLAF, seinen Abschlussbericht zu den Vorgängen um die Förderung der Jahnhalle in Wolmirstedt vor. Auf meine Nachfrage im September haben Sie, Herr Minister Webel, lediglich bekundet, Sie wären noch nicht in der Lage Schlussfolgerungen aus dem Bericht zu ziehen, weil Ihnen die Anlagen fehlten. Das war nach heutiger Kenntnis, seit gestern liegt dem Landtag der Bericht vor, mindestens ein Kaschieren der Wahrheit. Denn mit keinem Wort wurde der Landtag über die darin enthaltenen Bewertungen informiert. Denn der Abschlussbericht von OLAF spricht eine deutlich andere  Sprache gegenüber dem, was uns als Abgeordnete bisher offiziell übermittelt wurde.

In der „Volksstimme“ vom 18. Oktober wurde der Öffentlichkeit die Brisanz des Berichtes sichtbar gemacht: Behörden hätten schlampig gearbeitet, die Prüfer halten Parteienfilz für wahrscheinlich. Und sofort stellten sich Fragen nach Verantwortung, nach Kenntnis von Unregelmäßigkeiten, nach Kaschieren der Wahrheit, also nach konkreten Personen.
Zitat aus dem Bericht: „Es ist nicht Aufgabe von OLAF, politische Untersuchungen zu führen. Jedoch drängt sich im vorliegenden Fall der Eindruck auf, dass das gesamte Projekt Jahnsporthalle von Anfang bis Ende nur aufgrund politischer Konstellationen so gehandhabt wurde, wie in diesem Bericht dargestellt.“ (Zitatende). Und dann werden die handelnden Personen benannt: von der Personalunion Vereinsvorsitzender-Stadtratsvorsitzender-Landesbeamter, über den Landrat des Bördekreises bis hin zu den verantwortlichen Personen im Landesverwaltungsamt und den Ministern. Interessant ist auch die Bemerkung, dass die Behandlung der Akte Jahnhalle nicht unbedingt von den für die Stadt und deren Bevölkerung besten Erwägungen geleistet wurde, sondern womöglich parteipolitische Überlegungen im Vordergrund standen.
Gerade im Bereich der Interessenkonflikte machen die Ermittler von OLAF darauf aufmerksam, dass die gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes den Begriff Korruption klar definieren. Korruption im Sinne der Vorschrift ist der Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandates zugunsten eines anderen, begangen auf dessen Veranlassung oder aus eigener Initiative zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einem Dritten.
Und im vorliegenden Fall kommt OLAF zu dem Schluss, ich zitiere: „… dass der Einsatz von EFRE-Mitteln für den realisierten  Endzweck unzulässig ist, da der Zuwendungsempfänger selbst vor der Fördermittelbeantragung ein öffentliches Interesse an der Nutzung der Halle negierte. Die Erstellung eines endgültigen Zuwendungsbescheides seitens des Landesverwaltungsamtes hätte aufgrund fehlender Belege und des dadurch unmöglich gewordenen Nachweises der Beachtung von §6 LHO nicht erfolgen dürfen“ (Zitatende).

Wir begrüßen in diesem Kontext ausdrücklich, dass sich auch der Landesrechnungshof der Vorgänge angenommen hat und hoffen, dass die Ergebnisse baldigst vorgelegt werden können. Das würde auch die weitere Aufklärung in den Fachausschüssen erleichtern, wo wir vorschlagen, mit größtmöglicher Transparenz zu agieren, damit verlorenes Vertrauen in der Öffentlichkeit wiedergewonnen werden kann.
Vor allem auch deshalb, weil das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises Börde sowohl 2010, als auch 2011 und 2013 bestätigte, dass es keine ordnungsgemäße Nachweisführung aufgrund unvollständiger Projektunterlagen inklusive des vollständigen Vorhandenseins von Originalbelegen gab.

Das haben Sie, Herr Minister Webel und ehemaliger Landrat alles nicht gewusst? Gab es keine Vorlagepflichten bei festgestellten Unregelmäßigkeiten? Woher kommt Ihre Motivation, im Stadtrat von Wolmirstedt die eigenen Reihen fest zu schließen, aber in Dessau-Roßlau unliebsamen Mitgliedern, die sich gegen Fördermittelbetrug wehren, zum Schweigen zu bringen?

Ich möchte auch an den Beginn unserer Debatte dazu im Landtag erinnern. In der Fragestunde am 14. November 2013 hat Minister Webel mit großen Worten die Prüfberichte seiner Behörden gewürdigt, die keine Missstände festgestellt hätten. Punkt für Punkt haben Sie, Herr Minister Webel, aus dem Prüfbericht des Landesverwaltungsamtes vom 6. Dezember 2011 hier vorgetragen. Punkt für Punkt sollte Ihre Aussage stützen, dass es keinerlei Unregelmäßigkeiten gab. Punkt für Punkt aus einem Prüfberichte, dessen Zustandekommen die Ermittler von OLAF aufgrund gravierender Dokumentationsmängel nicht nur für nicht nachvollziehbar halten sondern in keinster Weise hinsichtlich seiner Auswirkungen auf den EU-Haushalt akzeptieren können. Ihre Worte vor einem Jahr dazu waren: „Mehr kann man gar nicht prüfen“. Doch, man konnte, wenn man gewollt hätte!

Vor allem ist aber auch die Frage interessant, wie mit dem kommunalen Rechnungsprüfungsamt in Wechselwirkung mit dem Landesverwaltungsamt umgegangen worden ist. OLAF schreibt in seinem Bericht, ich zitiere: „Dem Rechnungsprüfungsamt des Landkreises Börde ist bei untersuchungsrelevantem Fördermitteleinsatz als einziger Stelle eine korrekte Prüfungsleistung zu bescheinigen.“ (Zitatende)

Eine umfassende Bewertung hat OLAF auch für das Handeln der EU-Verwaltungsbehörde und des Landesverwaltungsamtes vorgenommen. Kurz gefasst: mangelhafte Aufsicht, von kritischer Neutralität und gebotener Professionalität kann keine Rede sein. Festgestellt wurde unter anderem, dass unterschiedliche Kontrollvermerke zum gleichen Sachverhalt hergestellt wurden, so beispielsweise über Vor-Ort-Kontrollen von Verwendungsnachweisen. Diese Unterschiede wurden dann durch Mitarbeiter des LVA (Zitat) „mit der Bemerkung liquidiert, eine direkte Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse könne nicht hergestellt werden“ (Zitatende). Unklar blieb auch die Erklärung der zweimaligen Verlängerung des Bewilligungszeitraums bis 2011 durch LVA und EU-Verwaltungsbehörde, obwohl der Bau 2009 übergeben und genutzt wurde. Das dokumentarische Chaos konnte bis zur Vor-Ort-Kontrolle von OLAF 2013 nicht beseitigt werden. Wohl aber wurde bestätigt, dass das Projekt von höchster politischer Seite (Ministeriumsebene) unterstützt worden sei.

Mit erfolgter Akteneinsicht werden wir auch Klarheit bekommen, wer hat welche Schreiben zur einvernehmlichen Entlastung gefasst, welche Dokumente wurden bisher unter Verschluss gehalten und auf welche Anweisung erfolgt dieses.
Die Untersuchungsbehörde stellte zusammenfassend fest, es gab keinen Fördermittelanspruch für die diese Sporthalle, die Kontrolle der Mittelverwendung war mangelhaft und nicht neutral gehandhabt und es gab einen durchgehenden Interessenkonflikt von Beginn bis Ende des Projektes beim Nutznießer der Förderung.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich natürlich Fragen, vor allem an Herrn Minister Webel: Haben Sie nicht gesehen, dass die Halle vorwiegend als kommerzielles Fitnessstudio genutzt wurde? Welche Probleme waren Ihnen persönlich bekannt und wo verließen Sie sich auf Zuarbeiten Ihrer Mitarbeiter?  Das betrifft Ihre Tätigkeit als ehemaliger Landrat genauso wie die als Minister. Wir sehen da keinen Unterschied in dieser Angelegenheit, zumal Sie von Anfang an in das Projekt Jahnhalle einbezogen waren!
Welche Informationen sind Ihnen zugänglich geworden, nachdem OLAF im September 2013 vor Ort-Gespräche durchgeführt hat und Sie dennoch im November 2013 hier im Landtag das Zeugnis ausstellten, die Prüfungen wären so was von in Ordnung, Sie verstünden die ganze Aufregung nicht?

Wir sind auch sehr gespannt auf die Vorlage der Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes zum OLAF-Bericht, die nach Medienberichten darüber meinen, das Papier enthalte „ausschließlich Mutmaßungen, Annahmen, Unterstellungen, Behauptungen und emotional geleitete Anschuldigungen gegen die Landesbehörden“.
Über mögliche strafrechtliche Belange hat OLAF die Strafverfolgungsbehörden informiert. Wir sind gespannt, welche Reaktionen hier kommen werden. Wenn sich jedoch die Vorwürfe von unrechtmäßigem Handeln nach Anhörungen in unseren Ausschüssen bestätigen und zwar egal auf welcher Ebene,  auf der kommunalen Ebene, im Landesverwaltungsamt oder im Ministerium, dann sind personelle Konsequenzen unumgänglich.

Aus Gesprächen mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen weiß ich, dass auch sie mit Fördermittelverschwendung und Begünstigungen aller Art nicht einverstanden sind. Jedoch wird durch die politischen Spitzen oft genug mit der Begründung „Einzelfälle“ oder „Unschuldsvermutung“ der Deckel auf den Topf gedrückt. Aber Wolmirstedt, Dessau, Magdeburg, Stendal, Bad Kösen sind offenbar öfters anzutreffen als es den Anschein hat. Manche meinen, sich alles erlauben zu können mit der Begründung „es gehe doch schließlich ums Allgemeinwohl“, aber die eigenen Interessen hat man dabei fest im Blick. Es ist an der Zeit, die Zuflüsse für solche Sümpfe auszutrocknen.