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Dr. Frank Thiel zu TOP 18: Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern

Die Briefe, die wir jüngst von den Handwerkskammern Halle/Saale und Magdeburg und von der IHK Halle-Dessau und der IHK Magdeburg bekommen haben, laden förmlich zur Mitarbeit in der IHK bzw. in den Handwerkskammern ein. Jeder Unternehmer müsste freudig dabei sein, diese Aufgaben mit zu erfüllen, sei es im Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben, sei es im Bereich der Ausbildung usw. usf.

Wozu braucht man dann eine Zwangsmitgliedschaft? Das ist die Frage, über die wir hier diskutieren. Dieses Thema ist nicht neu. Das ist wie beim Handwerkerbonus: Alle Jahre kommt das Thema irgendwann wieder hoch. Wir haben es vor genau einem Jahr hier im Landtag diskutiert, als die Kollegen der GRÜNEN einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Thema „Prüfrechte des Landesrechnungshofes“ eingebracht haben. Ich kann mich sehr gut an die Diskussion erinnern, weil ich sie selbst mit geführt habe. Ich habe es auch noch einmal nachgelesen. Es gab in der ersten Lesung eine große Bereitschaft im gesamten Haus, sich diesen Fragen der Reform des Kammerwesens im Bereich der Industrie- und Handelskammern zu widmen, Anhörungen zu veranstalten, die Verbände zu hören, auch das nicht geliebte Thema Zwangsmitgliedschaft zu diskutieren. Damals waren sich alle einig.

Als aber dann zwei Stimmen fehlten, um den Gesetzentwurf zu überweisen, war man schadenfroh und hat bei der zweiten Lesung verkündet: Damit ist das Thema beendet. Also die Diskussionsprozesse gibt es. Deshalb ist unser Vorstoß, einen Anschub zu leisten, dass wir über das Kammerwesen insgesamt diskutieren. Sie haben die Dinge benannt. Ich glaube, in allen Kammern geht es um die Frage der Mitgliedschaft.

Es geht aber auch um andere Dinge. Ich will einige Beispiele nennen, die wir in unserem Antrag formuliert haben: die Ausgestaltung der Kernaufgaben der Kammern als Dienstleistungsunternehmen ihrer Mitgliedsfirmen - das ist ein sehr hehrer Anspruch. Hierbei wird ohne Zweifel auch sehr viel getan, aber nicht als wirtschaftliche Konkurrenz. Wir sagen das aus gutem Grund. Gerade das IHK-Bildungszentrum in Halle-Dessau hat eine unrühmliche Rolle gespielt, die Mitgliedsunternehmen mit bestimmten Aufträgen so zu versehen, dass sie durchaus eine echte Konkurrenz sind. Das sind die Fragen der öffentlichen Transparenz und Kontrolle. Das sind die Fragen der Zwangsmitgliedschaft. Natürlich. Ich habe das Diskussionsangebot der beiden Kammern so verstanden: Man kann darüber reden, sie haben ihre Position und ihre Auffassung. Aber wenn es darum geht, in Deutschland das einmal generell zu diskutieren, könnte man sich diesen Diskussionen stellen.

Wenn man eine Zwangsmitgliedschaft vereinbart, muss man unter Umständen akzeptieren, dass die Unternehmen, die sich dort organisieren, unterschiedliche politische Interessen vertreten. Deshalb legen wir großen Wert auf das Thema der politischen Neutralität der Kammern im Auftreten. Natürlich kann man sie als geneigte Interessenvertreter betrachten. Sie können uns auch bestimmte Hinweise geben. Aber sie haben die politische Neutralität zu wahren. Das sollte noch einmal diskutiert werden.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Interessenvertretung der Arbeitgeber. Ich habe mit Interesse das Schreiben der Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg zur Kenntnis genommen, in dem sie mit Vehemenz darauf verwiesen haben, dass es ihnen gesetzlich verboten ist, überhaupt Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen. Ich habe mir den § 1 Abs. 5 angeschaut. Es ist den Industrie- und Handelskammern nicht erlaubt, sozialpolitische oder arbeitsrechtliche Interessen zu vertreten. Das hat aber mit Mitbestimmung im Unternehmen, mit Arbeitnehmerinteressen im allgemeinen Sinn nichts zu tun. Wie man sich diesen Fragen öffnet, zeigen Beispiele. Die Arbeitnehmerkammer in Bremen oder im Saarland funktioniert auf ähnliche Art und Weise. Das sind die Dinge, über die gemeinsam einmal diskutiert werden sollte.

Auf der einen Seite organisiert man zwar bei den Unternehmerinnen und Unternehmern den Zwang, aber auf der anderen Seite sagt man bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer: Organisiert euch einmal freiwillig in Gewerkschaften. Die werden das mit euch gemeinsam diskutieren. Deshalb unser Antrag, eine Bundesratsinitiative zu starten, den Reformprozess im deutschen Kammerwesen fortzusetzen, die Rechtsetzung entsprechend zu aktualisieren. Wir werden sehen, was die anderen Länder diesbezüglich tun werden.

Es ist interessant, dass das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich Ende des Jahres in einem Anhörungsverfahren ein Grundsatzurteil fällen wird, was die Entwicklung bei den Industrie- und Handelskammern betrifft. Es wäre auch deshalb wünschenswert, weil das ursprüngliche IHK-Gesetz von 1956 immer noch den Namen „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern“ trägt. Vielleicht kann man es einmal zur endgültigen Regelung der Befugnisse der Industrie- und Handelskammern machen.