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Dr. Frank Thiel zu TOP 10: Untersuchungsbericht des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Es herrschte Einmütigkeit im Ausschuss, dass in der Tätigkeit der IBG und der Managementführung durch die GoodVent zum Teil gravierende Mängel aufgetreten sind, die zum Schaden des Ansehens des Landes geführt haben. Dennoch bleiben die Vergabe von Risikokapital sowie die Beteiligung an innovativen Unternehmen in der Start- und Findungsphase weiterhin wichtige Elemente in der Wirtschaftsförderung, allerdings unter erhöhter öffentlicher Kontrolle. Deshalb waren sich die Ausschussmitglieder über generelle Bewertungen der Mängel und Versäumnisse einig. Allerdings traten deutliche Unterschiede in der politischen Bewertung und den Schlussfolgerungen zutage.

Wir konnten somit zwei von drei Berichtsteilen nicht zustimmen. Zum einen, weil per Mehrheitsbeschluss Schriftstücke wie etwa beim Thema „Zinsnachlass“ aufgenommen wurden, die zu keinem Zeitpunkt als Beweismittel eingeführt worden sind. Zum anderen, weil es zum Teil grundsätzlich andere Auffassungen in der Bewertung des Handelns von Landesregierung und Landesbediensteten sowie den daraus resultierenden Schlussfolgerungen gab.

Ebenso hatten wir unterschiedliche Ansichten über die Rolle von Geschäftsführer- und Geschäftsbesorgungsverträgen, die verdeckte private Geschäfte von Beteiligungsmanagern mit Einsatz öffentlicher Mittel ermöglichen.

Nach unserer Auffassung haben die Organe der IBG, die die Geschäftsführung der IBG bzw. GoodVent hätten kontrollieren können, namentlich der Beteiligungsausschuss und der Aufsichtsrat, dies unzureichend getan. Rechtswidrig eingegangene Beteiligungen hätten durch eine aufmerksame und sorgfältige Tätigkeit in diesen Gremien vermieden werden können. Genauso hätten private Geschäfte bei sorgfältiger Überprüfung zwar nicht sofort unterbunden, aber aufgedeckt werden können.

Immer wieder sind wir auf die Nichteinhaltung der Beteiligungs-grundsätze gestoßen, egal ob es den Status als klein- und mittelständisches Unternehmen betraf oder ein fragwürdiges Verständnis, welche Innovationen für eine Risikokapitalfinanzierung eigentlich geeignet sind oder auch die mehr als 30mal vergebenen Beteiligung mit Geldern für Sachsen-Anhalt außerhalb unseres Landes.

Und dann bleiben fragwürdige Rettungsaktionen für ein einzelnes Firmenkonstrukt,  der Schlossgruppe Neugattersleben, wo selbst in den Protokollen als Entschuldigung für die Verletzung der Beteiligungsvorschriften die Worte „politische Entscheidungen“ gebraucht werden. Politik greift als Rettungsanker in die Wirtschaft ein, was hätte wir uns da anhören müssen, wenn wir das gefordert hätten. Schließlich wurden die Gelder in eine GmbH geschoben, an der das Land auch noch beteiligt war, um über verdeckte Finanzierungen Altlasten abzulösen. Diese Finanzierungen erfolgten mit Mitteln, die nicht mehr für Projekte mit tatsächlichen Förderzielen zur Verfügung standen. Wie konnte es dazu kommen?

Wir haben festgestellt, dass die in Aufsichtsrat und Beteiligungsausschuss entsandten Vertreter von Finanz- und Wirtschaftsministerium keine ausreichenden Kenntnisse über Beteiligung und Risikokapitalgeschäft hatten. Weiterbildungen dazu fanden kaum statt. Natürlich wurde auch nachgefragt, aber die Investmentmanager der IBG und später Goodvent hatten alle Trümpfe in der Hand, vorgeschlagene Entscheidungen auch durchzusetzen. Daneben gab es eine mangelhafte Kommunikation mit den Fachressorts und den Ministerien untereinander, die bis heute offenbar gepflegt wird – wie der uns zugestellte Schriftwechsel bei Aktenfunden in den letzten Wochen beweist. Wir sahen aber auch eine mangelhafte wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung, Evaluation und Kontrolle der Zweckerreichung durch die beiden Fachministerien. Und immer wieder wurden Hinweise des Landesrechnungshofes  nicht ausreichend ernst genommen.

In bisherigen öffentlichen Debatten wurde bei der IBG vom System „vdO, also von der Osten“ gesprochen, als über denjenigen, der dieses System geschickt aufgebaut und für sich genutzt hat. Nun, das mag wohl sein. Aber da erhebt sich die Frage, wer waren denn diejenigen, die diesen Systemaufbau überhaupt erst ermöglichten?
Herr von der Osten hat als Manager geschickt alle Facetten genutzt, um in  klar abgegrenzten Geschäftsbereichen, aber auch in Grauzonen der Vertragsgestaltung seine privaten Geschäfte zu realisieren.
Die Einwerbung von privatem Kapital an Beteiligungen war immer schon schwierig. Und auf einmal hatte das Team vdO 20 Millionen privates Kapital parat, die sich aber als Eigentum von drei Leuten erwiesen, die im IBG-Konstrukt seit Jahren verbandelt waren. Die beteiligten Rechtsanwälte im Vergabeverfahren zur Privatisierung des Managements – auch die, die im Interesse des Landes handelten, waren gut miteinander bekannt. Arbeit in Grauzonen wurde dadurch begünstigt, in dem in den Verträgen dann von marktüblichen Klauseln gesprochen wurde.

Uns war bei der Untersuchung des Vergabeverfahren 2006/2007 an das private Management auch aufgefallen, welchen Einsatz leitende Beamte leisteten, um  Herrn vdO unbedingt zu halten. So wurde von den zuständigen Beamten nicht geprüft, wer denn die Investoren seien, die keinen anderen Fondverwalter akzeptieren würden? Die Ausschreibung verlief formal ordnungsgemäß. Und Goodvent gewann.
Die Hausleitungen wurden über das Ausschreibungsverfahren  nur minimal informiert, am besten war es wohl, sie außen vor zu lassen.  In Windeseile wurde nach der Landtagswahl 2006 das so genannte Kompetenzteam gegründet. Übrigens am gleich Tag, an dem die neuen Minister Haseloff und Bullerjahn ins Amt gerufen wurden. Man wollte keine Zeit verlieren. Man hielt es auch nicht für nötig, die Hausspitzen über den Vergabeprozess zu informieren. Lediglich vor Kabinettsentscheidung wurde im Aufsichtsrat kurz darüber gesprochen, ob alles richtig gelaufen sei. Was natürlich bejaht wurde.

Aber das Ziel der Privatisierung, nämlich den Erhalt und den Ausbau des Kapitalstocks zu sichern sowie 20 Millionen privates Kapital einzusetzen, wurde nicht erreicht. Es war im Gegenteil für das Land ein teures Vergnügen mit ständiger Nachschusspflicht. Aber Geld dafür war offenbar stets vorhanden.

Die Vergabe von öffentlichen Mitteln über Beteiligungen erwies sich als ein vielschichtiges Räderwerk von privaten Interessen der Geldverwalter bzw. Geldempfänger und dem öffentlichem Geltungsbedürfnis der Geldgeber.
Der Ausschuss konnte nicht aufklären, welche persönlichen Interessen hinter Beamtenentscheidungen standen, das Management zu privatisieren. Aber eigenmächtiges Handeln bleibt festzuhalten, ob aus Ahnungslosigkeit oder Berechnung, das war nicht aufzuklären.

Wir teilen aber die Einschätzung des Landesrechnungshofes, dass das  Wirtschafts- und Finanzministerium mit verantwortlich waren für das „kollektive Versagen der IBG“.  Rahmenbedingungen für unzulässige Fördermittelvergaben oder unzulässigen privaten Geschäften konnten nicht festgestellt werden, aber mangelnde Kontrolle zur Unterbindung dieser Aktivitäten schon. Für uns ist das ein Beispiel über die nachlässige und wenig zielgerichtete Verwendung öffentlicher Mittel. Und da schließt sich unserer Meinung nach der Kreis zu den Ergebnissen des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, was die Fraktionen im Ergebnis der Ausschussarbeit als Schlussfolgerungen empfehlen, stichpunktartig seien genannt:

  1. Risikokapital sollte Instrument der Wirtschaftsförderung bleiben.
  2. Intensivere öffentliche Kontrolle zum Einsatz der Mittel über Richtlinien zur Veräußerung und Kündigung von Beteiligungen, vor allem dann, wenn Ziele nicht erreicht wurden.
  3. Die Neudefinition von Aufgaben eines IBG-Geschäftsführers. Die Besetzung ist ja mittlerweile erfolgt. Schade eigentlich, dass ein Profi wie der ehemalige Rechnungshofpräsident nur die dritte Wahl war und dafür ein junger Nachwuchskader aus dem Wirtschaftsministerium berufen wurde, der bisher vor allem im Bereich des Wissenschaftsmarketing tätig war.
  4. Die Arbeit von Aufsichtsrat und Beteiligungsausschuss  ist zu professionalisieren, auch die deren Kontrolle gegenüber dem Geschäftsbesorger.
  5. Es bleibt festzuhalten, das Beteiligungsmanagement ist nicht nur privat möglich, sondern kann auch mit öffentlicher Mehrheitsbeteiligung erfolgen.
  6. Über die bessere Wahrnahme von Verantwortung seitens der Landesregierung war schon die Rede.


Einen Tag vor der letzten Ausschusssitzung taucht unvermittelt ein Schreiben über einen Aktenfund auf. Nach Aussagen des Beauftragten der Landesregierung am nächsten Tag gäbe es keine Defizite, alles, was den Ausschuss interessierte, wäre übergeben worden. Eine Ortsbesichtigung und Erläuterung zum Fund (nur noch 1 Einkaufswagen da) brachten folgende Erkenntnisse: alle Akten, die der PUA erhielt, wurden von jeweiligen Investmentbetreuern durchgesehen und entschieden, was wir bekommen und was nicht, offenbar streng an Aktenvorlageersuchen orientiert. Was war vorlagepflichtig und was nicht, das haben die Betroffenen entschieden. Aus Zeitgründen war auch keine umfassende Prüfung möglich. Ist es da nicht verständlich, dass ein gewisses Misstrauen bleibt?

Aus unserer Sicht ist es unerlässlich, die Vorgänge um das Beteiligungsmanagement bis hin zur aktuellen Neuvergabe in einem erneuten PUA in der 7. Legislatur zu analysieren. Aus Zeitgründen waren Mehrfachbefragungen von Zeugen kaum möglich. Das Vergabeverfahren 2014/2015 ist in die Untersuchungen einzubeziehen.
Zu prüfen ist auch, ob Teile der neu aufgetauchten Aktenbestände Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen bieten. Mögliche wirtschaftliche Schädigungen von Unternehme durch Beteiligungen über IBG-Fonds, wurden nur ansatzweise untersucht, aber wenn von 160 Beteiligungen fast 1/3 insolvent wurden, ist nach Hintergründen zu fragen.

Als Gemeinsamkeit bleibt aus unserer Sicht festzuhalten, dass im Untersuchungsausschuss eine kollegiale und offene Arbeitsatmosphäre herrschte, was im parlamentarischen Raum bei solch schwierigen Themen keine Selbstverständlichkeit ist.