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Dr. Frank Thiel zu TOP 06: Perspektiven des Handwerks in Sachsen-Anhalt: Wirtschaft stärken, Fachkräfte sichern, Energiewende gestalten

Die Situation im Handwerk ist bekannt, es sind fast 30.000 Unternehmen, etwa ein Drittel aller Unternehmen, mit fast 15 % aller Beschäftigten von Sachsen-Anhalt, das ist für unser Land eine gewichtige wirtschaftspolitische Größe. Ihre wirtschaftlichen Ergebnisse sind ein wichtiger Indikator für die Lage in der Binnenkonjunktur, für Stabilität regionaler Wirtschaftsbeziehungen.

Jeder von uns kennt die Kampagne: Das Handwerk - die Wirtschaftsmacht von nebenan. Die 50 Millionen Euro teure Kampagne hat dazu beigetragen, die Wahrnehmung des Handwerks in der Bevölkerung von 36 % im Jahr 2008 auf 54 % im Jahr 2013 zu verbessern. Immerhin für 38 % der Deutschen zählen sie zu den Berufsgruppen, die am meisten geschätzt werden.

Und dennoch, das macht der Antrag deutlich, soll das Handwerk vor allem unter Fachkräftedefizit leiden. Da findet es sich durchaus im Kreis der anderen Branchen wieder. Es gibt kaum einen Bereich, wo dieses Problem nicht aufgerufen wird, ob berechtigt oder nicht, sei mal dahingestellt.
Fakt ist jedoch, Imagekampagnen bringen nicht mehr Kinder auf die Welt, die demografische Welle hat ihr Tal erreicht und damit ist umzugehen.
Wichtiger denn je, ist jede und jeden einzubeziehen und nicht von vornherein nur auf das Auswahlprinzip zu bauen.

Der vorliegende Antrag listet in 14 Punkte auf, was die Landesregierung zu tun habe. Hängt von ihr allein das Seelenheil des Handwerks ab? Oder sind nicht noch weitere Punkte aufzunehmen?

Unsere Fraktion sieht deshalb Redebedarf, der nicht mit einer 5-min-Debatte erfüllt werden kann. Haben wir nicht als Abgeordnete Diskussionsbedarf beispielsweise zum Thema "Berufsorientierung" in den Schulen, nicht nur in den genannten Sekundarschulen, sondern vor allem auch in den neuen Gemeinschaftsschulen? Berufsorientierung ist immer dann besonders nachhaltig und erfolgreich, wenn sie sich in ein praxisorientiertes Lerngeschehen einordnet. Da gibt es bereits einige Erfahrungen in unserer Schullandschaft. Notwendig ist beispielsweise das schrittweise Aufbrechen tradierter Rollenbilder wie Frauen- und Männerberufe. Oder die Verbindung zu suchen zum praktischen Erleben " sich selbst ausprobieren zu können" oder "produktives Lernen nicht nur für Abschlussgefährdete. Weitere Möglichkeiten polytechnischer Bildung sind zu erschließen, wobei bei der vorherrschenden DDR-Phobie vielleicht ein anderer Begriff zu suchen wäre. Es kommt tatsächlich drauf an, jeden anzusprechen und mögliche schulische Schwächen durch eine angepasste Ausbildung aufzufangen.
Ebenso hat das angesprochene Problem der dualen akademischen Ausbildung eine Menge von "Für" und "Wider", gerade auch deshalb diskussionswürdig, weil wir diese Studienform für einen legitimen Entwicklungsweg junger Menschen betrachten.

Positiv ist anzumerken, dass im Antrag die Einbeziehung von Auszubildenden aus dem Ausland und von Migrantinnen und Migranten angesprochen wird. Wir alle wissen aber, dass beim Thema Asylpolitik und Willkommenskultur noch zahlreiche Baustellen bestehen. Auch das gehört in die Diskussion.

Gleiches gilt für den Barrierefreien Zugang zum Handwerk. Damit ist nicht nur die Zufahrt für einen Rollstuhl gemeint, sondern vor allem die Barrierefreiheit in den Köpfen gemeint, also der vorurteilsfreie Zugang. Und, dass Nutzung der Potenziale von Menschen mit Behinderungen nicht nur für den Zeitraum staatlicher Förderung gilt.

Ein weiteres Problem ist, dass der vorliegende Antrag der Differenziertheit im Handwerk nicht gerecht wird. Die Spannbreite zwischen 130 Ausbildungsberufen und Gewerken ist ziemlich groß, die unterschiedlichen Situationen werden nicht widergespiegelt.

Nicht zu vergessen, dass noch ein paar wichtige Punkte fehlen. Das betrifft in der Ausbildung das Thema "Ja zum Meister". Und dass ist ein sehr spannendes Thema, inwieweit europäische Austauschbarkeit von Qualifikationen und das Loblied auf das deutsche Modell in Übereinstimmung gebracht werden können.

Das betrifft auch die Problemstellung der Fristeneinhaltung bei Bezahlung öffentlicher Aufträge. Immer wieder gibt es Beschwerden über verzögerte Bezahlung oder lange Abnahmeverfahren.

Das betrifft die weitere Stärkung der Arbeitnehmerrechte im Handwerk. Natürlich geht es um die Themen Ausbau der Tariftreue gegen Dumpingwettbewerb, so wie sie jetzt im Reinigungsgewerbe, im Friseurhandwerk, im KFZ-Bereich oder bei den Dachdeckern üblich sind. Wie kann hier die Landesregierung mit den Tarifparteien noch effektiver zusammenarbeiten? Oder das Thema Betriebsratswahlen im Handwerk. Seit 1.3.2014 können auch Betriebsräte bei mehr als 5 Beschäftigten gewählt werden.

Summa summarum, es gibt Redebedarf, der mit Änderungsanträgen nicht abgeholfen werden kann. Deshalb unser Antrag zur Überweisung in die Ausschüsse Wissenschaft und Wirtschaft federführend, mitberatend im Bildungsausschuss.