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Dr. Frank Thiel zu TOP 02: Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) absichern

Wir reden hier heute vielleicht neben dem Thema der Innovationsfähigkeit über eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Themen, vor deren Herausforderung gerade unser Bundesland steht.

Sachsen-Anhalt, es mag wenig überraschen, liegt gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern bei der Selbständigenquote, d.h. bei der Anzahl der Selbständigen je 100 Einwohner bei gerade einmal 8,5 Prozent und damit auf dem letzten Rang aller Bundesländer. Sachsen, Brandenburg und Thüringen liegen allesamt bei 10 bis 11 Prozent.

Woran liegt es, dass in Sachsen-Anhalt weniger Menschen den Schritt in die Selbständigkeit wagen, als in anderen Regionen Deutschlands? Liegt es an der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit im Land, das Wirtschaftswachstum macht nun auch nicht gerade riesen Sprünge oder liegt es an den finanziellen Unsicherheiten, denen sich die Existenzgründerinnen und Existenzgründer ausgesetzt sehen?

Natürlich spielen beide Faktoren eine große Rolle (mit der wirtschaftlichen Lage setzen wir uns sicherlich in der nächsten Zeit noch näher auseinander). Heute allerdings setzen wir uns mit dem Thema der Finanzierung von ExistenzgründerInnen und KMU auseinander.

Und wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, mit zwei markanten, von uns gestrichenen Punkten:
Erstens die Passage zur Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Warum soll diesem Dokument der Zeitgeschichte das gesamte Parlament zustimmen, das erschließt sich uns nicht. Es sei denn den Zusammenhalt der Koalition zu festigen, aber das bedarf nicht der Stimmen der Opposition.

Zweitens haben wir den Passus zum Wagniskapital gestrichen. Liebe Freunde der geldverwaltenden Industrie, ein solches Thema lässt sich nicht nebenbei in Landespolitik einschmuggeln. Gerade gestern konnten wir uns im IBG-Untersuchungsausschuss überzeugen, wie millionenschwere Transaktionen  stattgefunden haben ohne irgendeine steuerliche Belastung. Außerdem plant die Bundesregierung derzeit ein Venture-Capital-Gesetz, lassen Sie uns dieses komplexe Thema separat diskutieren.

Mittelständische Unternehmen sind der Wachstumsmotor in Sachsen-Anhalt, mit der Mittelstandsoffensive vom November vorigen Jahres hat auch die Landesregierung neue Weichen gestellt für eine solide, zugängliche und praxisgerechte Finanzierung.
Allerdings stellte der frisch berufene IWH-Chef und Finanzexperte Gropp verwundert fest, wieso bräuchte es hier staatliche Instrumente, das wäre doch Sache der Banken. Ihm wurde eilfertig versichert, Ursache wäre „Marktversagen“ in der Marktwirtschaft. Es ist wohl mehr eine Mischung aus Markt- und Politikversagen.

Die Punkte 3-6 Ihres Antrages haben wir inhaltlich etwas angereichert, um nochmal die notwendigen Hauptlinien künftiger Förderung klar herauszuarbeiten. Momentan ist es im Wesentlichen so: die Großen bekommen Zuschüsse und die Kleinen bekommen Darlehen. Da sollte einiges geändert werden.

Wir haben uns erlaubt, zwei weitere Aufgaben hinzuzufügen:

1.    Für die Entwicklung der Erwerbstätigenquote wird auch eine entscheidende Rolle spielen, wie wir vor allem Frauen dazu ermuntern sich selbständig zu machen. Nach einer jüngst vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung veröffentlichten Studie lag der Anteil von Frauen am Gründungsgeschehen 2013/2014 deutschlandweit bei gerade einmal 4 Prozent (bezogen auf den Anteil an der 18 – 64 jährigen Bevölkerung) in Ostdeutschland sogar nur bei 2 Prozent. Hier muss die Politik dringend ihre Anstrengungen verstärken, damit sich dieser Anteil deutlich erhöht. Ein erster Ansatzpunkt wäre es, dass die Richtlinie zur Umsetzung des Programms ego.-KONZEPT der letzten Förderperiode dringend den neuen förderrechtlichen Rahmenbedingungen angepasst und in Kraft gesetzt wird.
2.    Schlagen wir vor, nach neuen Wegen zu suchen, dass ExistenzgründerInnen  vor allem auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden und besonders zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen. Hier kann die öffentliche Hand im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten einen Beitrag leisten die regionalen jungen Unternehmen zu unterstützen und damit zu stabilisieren. Jeder € Auftrag aus viel, viel mehr wert als jeder € Förderung.
Warum nicht eine Initiative starten: „Mein erster Auftrag als Jungunternehmer war, etwas für mein Land zu tun“

Zum Änderungsantrag der Bündnisgrünen: Wir gehen davon aus, die eingeforderte Richtlinie schlummert bereits in den Schreibtischen der zuständigen Ministerien. Deswegen können wir auch Ihren Änderungsantrag zustimmen, damit aus dem Hemmschuh endlich ein Schlittschuh wird.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt eingehen, den wir nicht explizit in unserem Änderungsantrag mit aufgenommen haben, weil er nicht zu dem Thema Finanzierung passt, aber dennoch für das Thema Selbständige und KMU von Bedeutung ist. Das ist das Thema Einkommen bzw. Grundsicherung und Altersvorsorge von Selbständigen. Rund 10 Prozent aller erwerbstätigen ALG-II-BezieherInnen sind Selbständige. Im August 2014 (letzte aktuelle Zahl) in Deutschland insgesamt 123.000. 2007 waren es noch 72.000 und damit knapp 50.000 weniger als heute. Diese Selbständigen in der Grundsicherung sind damit auch potentiell altersarmutsgefährdet. Auch hier ist die Politik gefordert zu Handeln und Wege zu finden. Denn diese Aussichten motivieren nicht gerade dazu sich selbständig zu machen.