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Angelika Hunger zu TOP 06: Zukunft der Energiepolitik – Erhalt der Braunkohleregion Mitteldeutschland / Die Energiewende verlässlich und gerecht weiter gestalten

Ich möchte mit einem Blick in die Geschichte beginnen. Mitteldeutschland hat sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu einem leistungsfähigen Industriegebiet entwickelt. Dabei nahm insbesondere die Chemie eine dominierende Rolle ein. Ich denke hierbei an Leuna, Buna und Bitterfeld. Wissenschaftler und Praktiker entwickelten neue Technologien, die zum Teil heute noch in Benutzung sind, die Ammoniaksynthese oder auch die Kohlechemie, also beispielsweise die Kohlehydrierung. Grundlage dafür war auch, dass mit der Braunkohle ein günstiger Energielieferant und ein Rohstoff vorhanden waren. In dieser Industrie entstanden hochwertige und geachtete Arbeitsplätze.

Obwohl auch damals nicht nur positive Folgen dieser Industrie zu spüren waren - Umsiedlungen, Umweltprobleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden auch damals sehr wohl wahrgenommen -, blieb doch der Stolz auf das, was diese Region leistete. Dies ist bis heute in dieser Region lebendig und es trägt vielleicht zur Erklärung bei, warum sich der Strukturwandel so schwierig gestalten lässt. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass er im Jahr 1990 eben nicht freiwillig erlebt wurde und deshalb heute noch von vielen als persönliche Bedrohung empfunden wird.

Mit den Stilllegungen der Braunkohle- und Chemieindustrie in den Jahren um 1990 hat die Region mehr als alle anderen einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen in der Bundesrepublik geleistet. Dies darf man in den Diskussionen um den Klimaschutz und die Energiewende nie außer Acht lassen. Trotzdem müssen auch bei uns die Anstrengungen zum Klimaschutz fortgesetzt werden, denn mit einem pro Kopf CO2-Ausstoß von etwa 12 t pro Jahr ist Sachsen-Anhalt noch weit von dem Ziel entfernt, die globale Erwärmung möglichst auf 2 Grad zu begrenzen.

Im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung hat sie Ende  2014 verschiedene Handlungsfelder angeführt und entsprechend dafür einzusparende CO2-Emissionen festgelegt. Daraus resultierte auch das Diskussionspapier aus dem Wirtschaftsministerium, das hier zum Aufreger wurde. Dies will eine zusätzliche Abgabe für CO2-Emissionen von älteren Kraftwerken mit besonders hohen spezifischen Emissionen. Diese Kraftwerke sollen in eigener betriebswirtschaftlicher Entscheidung und abhängig von der Marktsituation ihre Betriebsstunden einschränken und so zu einer Senkung der CO2-Emission beitragen. Das wäre im Prinzip eine Form der spezifischen nationalen Erhöhung des CO2-Emissionspreises. Wir wissen alle, dass dieser zurzeit im Keller ist.
Die Forderung nach einer sofortigen Plattmache der Braunkohleindustrie habe ich diesem Vorschlag nicht entnommen. Dieser Vorschlag führte sofort zu einer massiven Ablehnung. Alle Kritiker betonen die Notwendigkeit der Energiewende und des Klimaschutzes, aber nicht hier, nicht jetzt und nicht so. Andere Vorschläge habe ich von Ihnen nicht gehört. Dieses Papier ist als ein Diskussionspapier eingeführt worden. Inzwischen gibt es dazu Gesprächsrunden und wohl auch neue Vorschläge. Ende April sollen sich die Wirtschaftsminister wohl noch einmal mit diesem Thema beschäftigen.

Wir halten eine kategorische Ablehnung, wie Sie sie in Ihrem Antrag formuliert haben, für nicht zeitgemäß und erwarten, dass sich die Landesregierung an den Gesprächen hierzu beteiligt, denn trotz des ständig steigenden Anteils regenerativen Stroms boomt der Braunkohlestrom. Die Kraftwerke laufen mit einer hohen Betriebsstundenzahl. Die Stromexporte wachsen. Diese Entwicklung ist nur deshalb möglich, weil der Handel mit den
Emissionszertifikaten nicht wie geplant funktioniert und die CO2-Preise weit unter den erwarteten Werten liegen. Deshalb wären Aktivitäten der Landesregierung und der Bundesregierung sehr wichtig, bei der EU für einen funktionierenden Emissionshandel oder ein CO2-Mindestpreis einzutreten, so wie Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben.

Vor dem gerade beschriebenen Szenario des Braunkohlebooms scheint es schon bedenkenswert, über diesen nationalen Weg nachzudenken. Die Braunkohle ist in ihren Planungen vor einiger Zeit auch von höheren CO2-Preisen ausgegangen. Eine moderate Belastung wird sicher zu verringerten Aktivitäten führen. Eine langsame und stetige Abnahme der Rolle der Braunkohle war immer die Zielstellung der Energiewende. Dies könnte der Einstieg sein.

Wir wollen keinen sofortigen Abbruch. Dies haben wir immer formuliert, aber ein Einstieg muss irgendwann möglich werden.

Wenn Sie sich die Struktur dieser Kraftwerke ansehen, die dafür infrage kommen - sie sollen immer älter als 20 Jahre sein -, dann werden Sie feststellen, dass es überwiegend Kraftwerke sind, die sich gar nicht im Ostteil der Bundesrepublik befinden, sondern im rheinischen Gebiet, denn diese sind zum Teil weitaus älter.

In die Diskussion sollte man auch die Frage nach der EU-Konformität dieser Emissionspreiserhöhung einbeziehen. Diese Frage haben Sie richtig gestellt. In Großbritannien ist ein fester Preis für alle Emittenten eingeführt worden. Dies lässt mich vermuten, dass spezifische Lösungen doch von der EU geduldet werden. Es ist aber richtig, dass diese Frage mit der EU noch einmal geklärt werden kann.

Natürlich kann man noch andere Vorschläge in die Diskussion um die Senkung der CO2-Emissionen einbringen. Wichtig wäre zum Beispiel eine Stabilisierung und intensivere Unterstützung der KWK-Kraftwerke, und zwar wesentlich mehr, als es jetzt geplant ist; denn es ist noch immer ein Rückgang des Betriebs dieser Kraftwerke zu verzeichnen. Dies ist eine ganz schlimme Situation, denn gerade damit würden wir auch den Stadtwerken, also unseren regionalen Versorgern, helfen. An dieser Stelle sollte das Bundesministerium weit mehr tun, aber das muss man eben in Gesprächen klären.

Deswegen kann man nicht sagen, dass man über irgendetwas nicht diskutieren will. Man könnte sich auch an den Szenarien einer nachhaltigen Kraftwerksentwicklung aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2014 orientieren. Diese Studie hat die Möglichkeit der Stilllegung der ältesten emissionsstärksten Kraftwerke untersucht. Diese befinden überwiegend in Nordrhein- Westfalen. Hierbei wurde geprüft, ausschließlich Kraftwerke in NRW stillzulegen. Sie wissen selbst, dass dies politisch nicht durchsetzbar sein wird.

Sicherlich lassen sich auch in anderen Bausteinen der Energiewende zusätzliche Reserven für CO2-Emissionssenkungen finden, beispielhaft sind die Wärmeversorgung und die Mobilität zu nennen. Allerdings sind das Prozesse, die wir schon lange ein bisschen vor uns herschieben und bei denen wir einfach nicht so richtig aus der Knete kommen.

Leider ist die Energiewende zu sehr auf den Strom fixiert und lässt bisher auch zu wenig Stetigkeit und Konzept erkennen. Manchmal hat man den Eindruck, dass es in dieser Bundesrepublik Deutschland 16 verschiedene Energiewenden gibt. Hinzu kommt die Europäische Energieunion. Dies alles unter einen Hut zu bringen, ist schon eine ziemliche Aufgabe. An dieser Stelle würde ich mir eine stringentere Haltung, auch in der Bundesregierung wünschen.

Einige Beispiele für diese fehlende Stetigkeit: die schnellen Änderungen im EEG - auch die erneuerbaren Energien waren immer wieder von schnellen und plötzlichen Änderungen betroffen -, die abgebrochene Förderung in Bezug auf die Mobilität, wie die Förderung von Erdgaskraftwagen oder auch des Biodiesels. Dies alles sind Dinge, die man begonnen hat und bei denen es durchaus erfolgversprechende Ansätze gab, die dann aber nicht weitergeführt worden sind.

Diese Unstetigkeit erzeugt Unsicherheit und Unwillen zu Beteiligungen an Veränderungen und lässt vor allem die Akzeptanz für diesen Prozess schwinden. Akzeptanz gewinnt die Energiewende, wo ihr Nutzen für eine Region spürbar wird, wo Kommunen Mitspracherechte bekommen, beispielsweise in der Anlagen- und Netzplanung, und wo kommunale Unternehmen, wie die Stadtwerke, eine Zukunft haben.  Für DIE LINKE bleibt: Die Energiewende ist weit mehr als die Stromversorgung aus neuen Quellen. Sie greift in Industriestrukturen ein und sorgt für Ressourcenschutz; denn auch nachfolgende Generationen brauchen Rohstoffe, wie die Kohle, zum Leben. Dies ist verbunden mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Wir müssen uns dem Prozess stellen und ihn sozial begleiten. Eine Politik der Verdrängung und des Vorsichherschiebens hilft niemandem.