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André Lüderitz zu TOP 18: Einhaltung europäischer Vorgaben zum ökologischen Netz Natura 2000

Auf der Februarsitzung dieses Jahres habe ich von gleicher Stelle, zwar insbesondere zum NSG „Elbaue Jerichow“, aber doch zum analogen Inhalt der Umsetzung der EU-Richtlinien wie auch bundes- und landesgesetzlicher Vorgaben vorgetragen. Die damalige Debatte führte dann zum Beschluss 6/1840, der sich unmittelbar, auf Wunsch der Koalitionsfraktionen,  auf den gesamten Natura 2000 Prozess bezog, leider wurde er nur unzureichend umgesetzt. Es wurde u.a. beschlossen, das Konzept zu überarbeiten, mit dem Ziel die Sicherung der betroffenen Gebiete zu beschleunigen und die EU-RL 1 zu 1 umzusetzen, ein doch eindeutiger Arbeitsauftrag an die Landesregierung.

Übrigens wurde seitens der Landesregierung in der damaligen Debatte und in den folgenden Ausschusssitzungen kein Wort darüber verloren, dass es eine umfängliche Berichtspflicht an das BMU gegeben hat, die uns zwischenzeitlich auf anderen Wegen erreichte. Ich erwähne das darum, weil wir dort durchaus beachtenswerte Details nachlesen können - Details, die uns dann im Landesrechnungshofbericht  wieder begegnet sind.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich beim Landesrechnungshof  (LRH) für diesen Bericht bedanken. Als Fachpolitiker aus der Opposition  heraus, hat man nicht die Chance solch ein Thema so tiefgründig zu hinterfragen. Umso mehr ist zu kritisieren, dass Sie, Herr Minister, offensichtlich uns in den Berichten im Ausschuss bzw. in der Drucksache (DS 6/2056) zur Beschlussrealisierung nur unvollständig informiert haben. Das kann jeder für sich nachvollziehen, wenn man ganz einfach  beide Berichte (Landesrechnungshof und Landesregierung) nebeneinanderlegt.
Solche Fakten wie unzureichende nationalrechtliche gesicherte Ausweisung der Natura 2000 Flächen, das drohende Vertragsverletzungsverfahren der EU, die insgesamt schleppende Umsetzung des Prozesses, die nicht unerheblichen Probleme bei der personellen Absicherung, die verspätete in Kraftsetzung der Richtlinie „Natura 2000 - Ausgleich für Forstwirtschaft“ (in der jetzigen Periode erblickte sie immerhin 2012 das Licht der Welt), die erheblichen Mittelumschichtungen zum Nachteil des Natura 2000 Prozesses, von min. 12,3 Mio. Euro, der fehlende konkreten Ablaufplan zur Umsetzung der EU- Vorgaben, all dies findet in den Berichten an den Landtag keine Beachtung. Ich finde das ist in keiner Weise hinnehmbar. Dafür, Herr Dr. Aeikens, ist zumindest eine Entschuldigung ihrerseits heute und hier angebracht.

Ich möchte heute nicht noch einmal tiefgründig den Prozess Natura 2000 erläutern, dies habe ich am 20.02. bereits ausführlich getan. Ich möchte nur kurz darstellen welche Etappe vor uns liegt und dann die Probleme, die unser Land bei der Umsetzung hat, etwas näher erläutern. Die vollständige Landesliste liegt bekanntermaßen seit 2008 vor, danach besteht die Pflichtaufgabe des Landes bis 2014 alle 297 Schutzgebiete als besondere Gebiete auf gesetzlicher Grundlage (BNatSchG)  auszuweisen, davon haben wir gegenwärtig nach öffentlich bekannten Zahlen gerade mal 15 % geschafft. Darüber hinaus haben wir uns verpflichtet, für all diese Gebiete bis zum 31.12.2013 Managementpläne zu erstellen, auch hier sind wir noch nicht einmal bei 50 %. Auch die Vorgabe 2014 für weitere 27 Gebiete Managementpläne zu erarbeiten, bringt keine wirkliche Verbesserung. Richtigerweise geht das Ministerium davon aus, dass diese Pläne wesentliche Voraussetzung für die Schutzgebietsverordnung ist. Dem schließe ich mich ausdrücklich an, aber dann bedarf es einer wesentlich höheren Schlagzahl bei der Managementplanungserarbeitung. Andere Bundesländer machen es uns eindrucksvoll vor, so haben Sachsen und Thüringen ihre Hausaufgaben gemacht, Brandenburg wird es bis 2014 schaffen, nur wir hängen mächtig hinter her. Es rächt sich die mehr als unzureichende Personalausstattung in diesem Bereich bereits seit 2005.

Der Umweltausschuss hatte auf seiner letzten Beratung im Landesamt für Umweltschutz (LAU) Halle eine Lehrvorführung in der Frage Personalmissmanagement der Landesregierung  erhalten. Das LAU zeichnet in unserem Land verantwortlich für das Monitoring und die Vorbereitung der Berichtspflichten an Bund + EU, teilweise auch für Hilfe bei der Managementplanung. Es müssen Daten für 51 Raumtypen und 205 Tier- und Pflanzenarten ermittelt und aufbereitet werden. Nur leider unterliegt die Personalausstattung auch dem von der Landesregierung  so geliebten PEK (Personalentwicklungskonzept. Also wird Personal nicht nach Aufgaben oder wie in diesem Fall nach Fläche berechnet, sondern nach Bevölkerung. Das führt im LAU dazu, dass übertragene Pflichtaufgaben der EU  und  Bund zukünftig  nicht mehr erbracht werden können.

Damit schließt sich der Kreis in diesem Fall: EU - Vertragsverletzungsverfahren, noch weniger EU-Geld (auch technische Hilfe), noch weniger Gestaltungsmöglichkeit, noch weniger Menschen die bleiben können. Konkret sind im LAU, für den Bereich Waldlebensraumtypen von  5 Vbe nur noch 3,6 besetzt, im wissenschaftlichen Umsetzungsbereich sind es 2014 von derzeit 12 Vbe nur noch 8. Tendenz bis 2018 weiter sinkend.

Noch interessanter liest der LRH-Bericht, hier finden wir einen bemerkenswerten Satz: „Das Landesverwaltungsamt schätzte bereits im September 2009 in einem Bericht an das MLU ein, dass mit dem vorhandenen Personalbestand im Landesverwaltungsamt und dem Landesamt für Umweltschutz die
nationalrechtliche Sicherung der Natura 2000 Gebiete voraussichtlich erst im Jahr 2054 abgeschlossen werden könne.“

Zitatende und ich habe mich nicht versprochen, 2054. Wir können uns zumindest trösten. Keiner von uns wird wohl dann in Verantwortung sein. Ich finde das ist ein Skandal.

Herr Dr. Aeikens, da helfen auch noch so schöne Papiere zum Erhalt der biologischen Vielfalt, Klimakonzepte und andere schöne Konzepte, Berichte und Worte nicht - wenn wir nicht endlich umsteuern und die praktische Umsetzung des Naturschutzes  nicht zu einer SP-Aufgabe in ihrem Haus machen, dabei schließe ich die personelle und finanzielle Ausstattung der Ämter und Behörden, wie auch die schnelle und handhabbare Erstellung von Förderrichtlinien in diesem Segment ein. Das übrigens hat auch der LRH angemerkt und ich meine sehr zu Recht. Indem der Haushaltstitel Natura 2000 als Steinbruch genutzt wird, um sich andere Wünsche im Haushalt zu erfüllen, zeigt wie ernst es die Koalition mit der Finanzausstattung nimmt. Ich finde dies skandalös, anstatt dafür Sorge zu tragen, dass Ministerium und Behörden in die Lage versetzt werden so zeitnah wie möglich diese Pflichtaufgabe zu erfüllen, glaubt man hier auf Zeit spielen zu können. Es geht ja nur um Naturschutz, dass kostet nur und ist nur hinderlich. Da ist der A 14 viel wichtiger, da kann man mal so eben 38 Stellen am Haushalt vorbei zusätzlich aufbringen. So kann man natürlich herangehen, aber jeder kann täglich in unseren modernen Medienwelt verfolgen, Verzicht auf Naturerhalt führt zu Katastrophen, zu menschlichen Leid und volkswirtschaftlichen Krisen, es bedroht vor allem die zukünftigen Generationen. Aber eine A 14 ermöglicht den schnellen Wegzug aus dann gefährdeten Regionen.  Nachhaltig und zukunftsfähig ist diese Handlungsweise der Koalition und Landesregierung nicht.

Um wieder in die richtige Spur zurück zu finden und der Natur langfristig eine Chance zu geben, schließen wir uns der Forderung des LRH an und fordern die LR auf noch im I. Quartal 2014, einen konkreten Ablaufplan zur Umsetzung des Natura 2000 Prozesses vorzulegen. Es geht uns dabei nicht um die verbale Absichtserklärung, so wie im Strategiepapier zur biologischen Vielfalt oder in der bisherigen Berichterstattung, sondern wir wollen wissen was bis wann konkret erfolgt: Planung, Monitoring, Ausweisung, Berichterstattung etc.

Welche finanziellen und personellen Mittel sind dafür erforderlich, was kann ich durch Dritte machen lassen, was ist gegenüber der EU vorgesehen, um das drohende Vertragsverletzungsverfahren zu umgehen? Und bitte, diesmal ohne Weglassen misslicher Themen und Inhalte.