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André Lüderitz zu TOP 09: Erkenntnisse und Handlungsbedarf nach dem Hochwasser 2013

Gestellt wurde die Große Anfrage bereits am 21.08. 2013, damals nicht unumstritten, da die unmittelbare Bewältigung der Hochwasserfolgen im Mittelpunkt der Arbeit standen und  die personelle Decke vor allem im Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) sehr dünn war. Dafür hat die Fraktion B 90/Grüne auch ein sehr großes Zeitfenster zur Beantwortung eingeräumt. Die Antwort erreichte dann Anfang Februar das Hohe Haus. Der Analyseteil der Beantwortung ist umfassend und detailiert. Damit kann man arbeiten.

Bei der Bearbeitung der Antwort der Landesregierung fällt durchgängig  auf – es gibt ein offensichtliches zeitliches Loch zwischen Zuarbeiten des LHW und der Bearbeitung durch das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt (MLU). Das LHW hatte vermutlich Anfang Dezember seine Hausaufgaben gemacht, im Ministerium hat man das Ganze erst einmal liegen gelassen und Ende Januar seinen Anteil hinzugefügt, ohne die Zuarbeiten zu aktualisieren. Da steht mehrfach: „Entscheidung IV. Quartal 2013“, aber nicht welche. Herr Minister, das ist eine Missachtung des Hohen Hauses. Auch zeigt die Landesregierung überhaupt keine Sensibilität dafür, ihre bisherige Arbeit wenigstens in Ansätzen selbstkritisch zu hinterfragen. Bei der Vielzahl von Analysedaten könnte man das wenigstens annehmen. Wir können nur immer nachlesen, alles in bester Ordnung, sind auf einen guten Weg.

Leider ist dem nicht in jedem Fall so, ich möchte dies an mehreren Problemkreisen kurz darstellen:

1.    Auf Grund der Rahmenbedingungen (personelle und finanzielle Ausstattung der wasserwirtschaftlichen Einrichtungen des Landes) wird dem technischen Hochwasserschutz Vorrang eingeräumt.
2.    Es gibt nach wie vor keine gesetzlichen Regeln für die Schadensregulierung infolge der Inanspruchnahme von Flutungspoldern. Selbst der Staatsvertrag aus 2008 zum Havelpolder braucht immer eine Einvernehmensregelung aller beteiligten Bundesländer und das nach jeder Flutung. Die Flächeneigentümer haben aber große Skepsis gegenüber solchen Regelungen, sie wollen eine klare gesetzliche Vereinbarung. Wenn wir also mehr Polder brauchen und haben wollen, brauchen wir auch klare Entschädigungsregelungen, oder wir verschieben wie auch in den letzen Jahrzehnt den Bau von Flutungspoldern auf den Sankt Nimmerleinstag. Den Polder Mauken, auch das kann man der Antwort entnehmen, verschieben wir schon mal auf  2020.
3.    Deichrückverlegungsmaßnahmen mit Retentionsflächenzuwachs ähneln sehr der Polderproblematik.
4.    Auch hier wie eingeschätzt fehlende Flächenbereitstellung, aber in einigen Fällen sind es nicht vollständige Planungsunterlagen. Das wiederum ist nicht dem LHW, Landesverwaltungsamt und MLU anzulasten, dass ist die Widerspiegelung einer verfehlten Personalpolitik dieser Landesregierung.
Ja ich kann vieles in der Planung an Dritte vergeben, aber auch diese Unterlagen bedürfen gerade im Hochwasserschutz einer fachlichen und rechtlichen Prüfung und einer intensiven behördlichen Begleitung bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und Ausführung. Und da kann ich mich bei der Personalentwicklung im wasserwirtschaftlichen Bereich eben nicht an die demografische Entwicklung und den 1.000 Einwohnerschlüssel orientieren. Dem Wasser, das durch Sachsen-Anhalt fließt, Wasser ist es völlig egal wie viele Einwohner hier leben und da braucht es eine Personalplanung basiert auf Flusskilometer, dies gilt dann übrigens auch für die Kommunen, die bekanntermaßen für die Gewässer
II. Ordnung Verantwortung tragen. Das sieht die Koalition wohl inzwischen auch so, aber dazu kommen wir  in den nächsten TOP.
5.    Besonders  betroffen haben mich die Antworten zur Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes 2020 gemacht. Vermutet hatten wir es mehrfach, aber da es keine detailierte Finanzplanung zum Konzept gibt, war es schwer nachzuvollziehen. Zum Zeitpunkt des Hochwassers im vorigen Jahr, waren 25 % des Zeitvolumens des Konzeptes um, Mittel haben wir im Umfang von 10,7 %  eingesetzt, also ganze 51,02 Mio. € von geplanten ca. 500 Mio. €.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir mehrfach auf die EU-Mittelumschichtungen zu Ungunsten des Hochwasserschutzes aufmerksam gemacht haben, auch hier im Landtag. Die stereotype Antwort der Landesregierung lautete stets:  „Alles kein Problem, alles im Griff, wir werden alle Mittel so wie geplant umsetzen.“ Ich möchte auch erinnern, dass die Landesregierung noch im Frühjahr 2013 verkündet hat, das Hochwasserschutzkonzept zu überarbeiten mit der Zielstellung der Streckung der Maßnahmen und der Mittelreduzierung, dazu findet man in der Beantwortung kein Wort.

Der Themenkomplex  Katastrophenschutz  wird natürlich auch umfänglich hinterfragt. Ja auch meine Fraktion schließt sich der  Einschätzung an, die Leistungen der Menschen vor Ort sind nicht hoch genug einzuschätzen, es war überwältigend wie die Menschen zusammenstanden um Schlimmeres zu verhindern. Und das Zusammenwirken der Rettungskräfte funktionierte  bis auf wenige Ausnahmen sehr gut. Zwei Dinge möchte ich aus der Analyse herausnehmen.

Erstens ist es wichtig, die Zeitabfolge/ den Rhythmus  der Hochwasserübungen auf
dem Prüfstand zu stellen und zweitens muss der LHW möglichst schnell die Sonderpläne Hochwasser gemeinsam mit den Kommunen überarbeiten. Kritisch ist mir die Formulierung aufgefallen, bei der es um die Einsatztechnik der Kommunen geht, die da lautet: Die Haushaltsmittel werden auch zukünftig als ausreichend betrachtet. Das sehen viele betroffene Regionen völlig anders.

Als 6. und letzten Punkt: die rechtlichen Änderungsbedarfe. Die sind nach Auffassung der Landesregierung nicht erforderlich. Wer sich die Mühe macht, die Anlagen 9 und 10 anzuschauen, kann sehr schnell den Handlungsbedarf erkennen. Es ist immer noch zu hinterfragen, wie ich mit Bauen in Überschwemmungsgebieten umgehe, ich meine, für Neubauten und grundhafte Sanierungen sollte es keinen Ermessenspielraum geben. Auch wenn das kurz vor der Kommunalwahl unpopulär ist, bin ich diesbezüglich für eine nicht wegwägbare Entscheidung im Wassergesetz und in der Landesbauordnung. Und die Problematik der Versicherungspflicht hat man gekonnt umschifft,  obwohl die Justizministerin diesbezüglich aktiv geworden ist, aber hier sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen.

Die Beantwortung macht deutlich, wir können es uns nicht noch einmal leisten, bei der Umsetzung von Hochwasserschutzkonzepten aus fiskalischen oder anderen Gründen, Maßnahmen zu schieben und zu strecken. Politik hat hier die Haushalts- und gesetzlichen Rahmen so vorzugeben, dass es nicht zur Hochwasserdemenz kommt, wie es manche Betroffene befürchten. Wir werden auch zukünftig dieses nicht aus den Augen verlieren, und hier wie auch vor Ort diesen Prozess aktiv begleiten.