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„Rassismus als institutionelles Problem wird verleugnet“

In unserer dritten Begleitveranstaltung zur Ausstellung ging es im neuen theater in Halle um verschiedene Erscheinungsformen von Rassismus. Unsere Sprecherin für Strategien gegen Neonazismus Henriette Quade machte zum Auftakt deutlich, dass „Rassismus eine Leerstelle in der Aufarbeitung der Morde des NSU“ darstellt. Nicht nur wurde ein rassistisches Tatmotiv ausgeblendet, vielmehr noch gerieten die Betroffenen und Hinterbliebenen selbst in den Fokus der ermittelnden Sicherheitsbehörden. Bezeichnungen wie „SOKO Halbmond“ oder das Sprechen von „Dönermorden“ zeugen dabei nicht nur von wenig Sensibilität gegenüber Betroffenen rassistischer und rechter Gewalt, sondern bezeichnen ein strukturelles Phänomen: Institutioneller Rassismus.

Genau diesem Phänomen und der damit eng verknüpften Praxis des racial profiling widmeten wir uns gemeinsam mit Vertreter_innen der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), der Saalekreis Refugee Association (SaRA) und Miteinander e.V.

KOP machte deutlich, dass ein Rassismus der Institutionen diesen in ihren Routinen eingeschrieben ist und sich letztlich auch daran zeigt, wer verdächtig wird und wer nicht. Dies war nicht nur im Kontext des NSU zu beobachten, sondern ebenso in der alltäglichen Thematisierung rassistischer Polizeipraxis. „Die Verbindung von Straftat und Ethnie kann nur die Polizei in ihren Ermittlungen herstellen. Doch auch das ist racial profiling“, so KOP. Neben der Beratung von direkt Betroffenen, geht es der Gruppe darum sich inhaltlich mit dem Themenkomplex zu beschäftigen und darüber hinaus Öffentlichkeit herzustellen. Dies ist umso schwieriger, da gerade mit Blick auf Ermittlungsbehörden und insbesondere die Polizei, ein Verständnis über das Vorhandensein eines Rassismus in solchen Institutionen, noch weitestgehend fehlt.

Die Gruppe SaRA hat sich im letzten Jahr in der Gemeinschaftsunterkunft Krumpa gegründet und tritt seither als Interessenvertretung der dort untergebrachten knapp 280 Geflüchteten auf. Ein Vertreter der Gruppe schilderte sehr konkret die Auswirkungen von (institutionellem) Rassismus im Alltag von Geflüchteten in Sachsen-Anhalt. So u.a. einen Polizeieinsatz in Merseburg, der auch mediale Aufmerksamkeit erfuhr. Am 29.10.2013 waren etwa 50 Geflüchtete aus Krumpa mit dem Zug auf dem Weg nach Merseburg. Da der Fahrkartenautomat beschädigt war, hatten nicht nur die Geflüchteten, sondern ebenso noch ca. 10 weiße Mitreisende keine Fahrscheine. Die später hinzugestiegenen Kontrolleure ließen dies jedoch nicht gelten und informierten die Polizei, die bei Einfahrt des Zuges bereits am Bahnhof in Merseburg wartete. Doch durch die Polizei kontrolliert wurden allein die Geflüchteten. Alle anderen konnten den Zug ohne weiteres verlassen.
Bei rassistischen Angriffen hingegen komme die Polizei häufig viel zu spät. Gleichzeitig scheint sich die Mehrheit der Anwohner_innenschaft in Krumpa und Merseburg nicht für die Situation der Refugees zu interessieren. Lichtblicke waren für SaRA allerdings die Demonstrationen in Merseburg für eine dezentrale Unterbringung aller Geflüchteter und gegen die Zunahme rassistisch motivierter Angriffe vor einigen Wochen.
Auch wenn sich das ein und andere in der Gemeinschaftsunterkunft Krumpa für die Geflüchteten verbessert hat, bleibt ein drängendes Problem „die Unterbringung im Lager und die damit verbundene Isolation.“

Weitere Fälle von institutionellem Rassismus in Sachsen-Anhalt am Beispiel der Justiz schilderte eine Vertreterin von Miteinander e.V. Hierbei ging sie auf die Gerichtsprozesse von zwei rassistisch motivierten Angriffen in Eisleben und Bernburg ein. Herausgestellt hat sie ein grundsätzliches Problem in Sachsen-Anhalt:„Es gibt hier nur wenige Menschen die diese Problematik einordnen wollen und umso schwieriger ist dann eine Thematisierung.“ Dementsprechend gibt es auch keine Kontinuität in der Auseinandersetzung und gerade bei der Polizei herrsche großer „Nachholbedarf beim Grundrechteschutz und der Sensibilisierung beim Umgang mit Rassismus.“

Diese Einschätzung wurde von KOP geteilt, die bekräftigten, dass rassistische Beweggründe häufig nicht benannt werden und es gerade mit Blick auf die Justiz ein „Vermittlungsproblem über Rassismus“ zu geben scheint.

„Ein Rassismus der sich darin äußert dir vorzuschreiben wie du lebst, dich bewegst oder bezeichnet wirst.“ So lautet das Fazit dieses aufschlussreichen Abends durch Henriette Quade. Auch wenn es wichtig sein kann einen Fuß in den Institutionen zu haben um diesem Problem zu begegnen, ist ein tragendes Moment in der Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus der Austausch mit und die Vernetzung von antirassistischen Aktivist_innen. Zumindest diesen Schritt haben wir gemacht.