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Andreas Höppner zu TOP 21 a) / 22: Schließung des Standortes Fricopan Back GmbH Immekath / Umsteuern in der Wirtschaftsförderung dringend notwendig

Es war Mittwoch, der 04.05.2016 um 16.23Uhr – ein Tag vor Himmelfahrt – ein Tag vor einem eigentlich verlängerten Wochenende, außer den direkten Beschäftigten in der Produktion von Fricopan waren nur noch wenige Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung oder im technischen Bereich anwesend und die Personalabteilung verschickt an den ganzen Betrieb eine einfache E-Mail mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehrte Damen und Herren. Wir teilen Ihnen mit, dass wir heute den Betriebsrat darüber unterrichten mussten, dass die wirtschaftliche Situation der Fricopan Back GmbH Immekath, Anlass zur Besorgnis gibt. Wir treten in Verhandlungen mit dem Betriebsrat über die voraussichtliche Schließung ein.“

Eine Schock-Nachricht um diese Zeit und aus meiner Sicht bewusst zu dieser Zeit versendet, um Unruhe und vor allem Angst zu verbreiten. Denn ansonsten hätte man auf die bereits seit längerem geplante Betriebsversammlung am darauffolgenden Montag gewartet.

Der Betriebsrat wurde am frühen Vormittag von der Geschäftsleitung für ein Informationstreffen für den Nachmittag eingeladen. Der Geschäftsleitung war auch hierbei völlig bewusst, dass gerade viele Betriebsräte auf einer Betriebsrätekonferenz aller deutschen Standorte in Sulzheim bei Würzburg weilten. Dort präsentierte die Konzernleitung noch schnell die Erfolgsnachrichten der Aryzta AG und deren Standorte, aber es fiel dort kein Wort über die anstehende Schließung von Fricopan.
Meine Kollegin und jetzige Betriebsratsvorsitzende Gerda Hentschel informierte auch mich sofort über das anstehende Treffen mit der Geschäftsführung. Wir rechneten mit dem Schlimmsten und wurden letztendlich mit dem Übelsten konfrontiert. Die Konzernleitung plant den Standort Fricopan Immekath zum 31.08. dieses Jahres zu schließen.

Begründet wird dies mit einer angeblich schlechten wirtschaftlichen Situation.
Dazu mal ein paar Zahlen. Denn noch per Mitarbeiterinformation vom 09.10.2015 bedanke sich die GF und BL wie folgt: „Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir möchten die Gelegenheit nutzen um uns bei Euch für euren unermüdlichen Einsatz und euer Engagement ganz herzlich zu bedanken. Durch eure tägliche tatkräftige Unterstützung konnten wir in den letzten drei Geschäftsjahren wirklich gute Umsätze erzielen.
Geschäftsjahr 2012/13 Umsatz: 79.5 Mio. Euro  Ebit (Gewinn vor Steuern und Zinsen) 0,45 Mio. Euro
Geschäftsjahr 2013/14 Umsatz: 80.6 Mio. Euro  Ebit: 2.7 Mill Euro
Geschäftsjahr 2014/15 Umsatz: 79.1 Mio. Euro  Ebit: 9,4 MillEuro“

Ein Top-Ergebnis. Das beste Ergebnis in der fast zwanzigjährigen Geschichte von Fricopan. Fricopan ist somit effektiv und profitabel. Und auch bis Ende April dieses Jahres wurde noch einmal fast eine halbe Million Euro Ebit erwirtschaftet, obwohl schon einzelne Produkte verlagert wurden. Jeder andere in dieser Branche würde Freudensprünge über derlei Ergebnisse machen.

Die Kolleginnen und Kollegen von Fricopan wollten eigentlich im September das zwanzigzigjährige Bestehen feiern. Doch nach feiern dürfte dann den Wenigsten zumute sein, wenn sie dann alle ihre Kündigung im Briefkasten haben. Der Konzern sträubt sich auch Fricopan zu verkaufen. Das wäre sicherlich möglich gewesen. Aber nein, man möchte die Produktionskapazitäten vollends vom Markt nehmen. Koste es was es wolle und die geflossenen Fördermittel hat man ja dabei gut weg.
Über 500 Beschäftigte sind direkt betroffen. Dazu kommen noch viele Leiharbeiter die regelmäßig beschäftigt wurden. Viele kleine Handwerksfirmen die regelmäßig bei Fricopan ihr Tun hatten sind ebenfalls betroffen. Ebenso die Stadt Klötze und auch der Abwasserverband, der bereits Gebührenerhöhungen ankündigte wenn Fricopan dichtmacht. Eine ganze Region ist betroffen.

Gerade diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die schone viele Jahre bei Fricopan tätig sind, haben das Unternehmen mit aufgebaut und haben auch so manches Herzblut da reingesteckt. Sie haben dort gearbeitet, gelebt und vielfach auch geliebt. Ja, sie haben auch, gerade in den Anfangsjahren, eine Menge Entbehrungen hinnehmen müssen. Ganze Familien arbeiten bei Fricopan. Fricopan ist nicht einfach nur ein Betrieb. Fricopan ist zu einem großen auch wichtigen Lebensabschnitt für viele dort geworden. Das gilt auch für mich.

Fricopan ist ein gewichtiger Faktor für die ganze Altmark. Fricopan gehört zum Aryzta Konzern. In den letzten Jahren kaufte dieser Konzern ein Unternehmen nach dem anderen. Man kaufte sich Umsätze. So auch im Jahre 2013 die Klemme AG in Eisleben mit Niederlassungen in Mansfeld und Nordhausen.

Bereits Anfang 2014 erfuhr ich als damaliger Betriebsratsvorsitzender, dass in der Klemme AG in Eisleben ein weiteres Werk, das sogenannte Werk 7 und ein weiteres Tiefkühllager gebaut werden sollen. Das Ganze ausgestattet mit Produktionsanlagen die Produkte von Fricopan produzieren können. Wir erkannten und verwiesen bereits damals öffentlich darauf, dass dies zu Lasten des Standortes Immekath gehen wird und leider tritt dies nun ein.

Bekannt wurde auch, dass Klemme Fördermittel des Landes dafür beantragte und erhielt. Man versprach die Schaffung von 295 Arbeitsplätzen. Gleichzeitig wurde in Immekath nichts Nennenswertes investiert. Der Standort Immekath war somit bereits seit 2014 bewusst und geplant aufs Abstellgleis geschoben worden.  Trotzdem beantragte und erhielt Klemme Fördermittel. Soweit mir bekannt ist waren dies rund 5 Mio. Euro. Jetzt soll der Standort Fricopan Immekath geschlossen werden. Über 500 Beschäftigte sollen auf der Strecke bleiben. Das heißt also rein rechnerisch. Das Land hat letztendlich minus 205 Arbeitsplätze gefördert. Schon deshalb muss man Klemme und Fricopan zusammen betrachten.

Ähnlich gelagert ist ja auch der Fall des Backunternehmens Lieken. Lieken kündigte im vergangenen Jahr an, ein neues Werk in Wittenberg zu errichten. Das Ganze mit mehr als elf Millionen Euro durch das Land Sachsen-Anhalt gefördert. Gleichzeitig schließt Lieken den Standort Weißenfels. Auch hier, betrachtet man nur die reine Anzahl der Arbeitsplätze, ein reines Minusgeschäft. Tolle Förderpolitik sage ich da nur. Kein Wunder, wenn wir im Bundesvergleich Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung sind.

Als Betriebsrat, als Gewerkschafter und als jetziger Landtagsabgeordneter sage ich es deshalb hier noch einmal klar und deutlich. Für mich ist dies eine Form von missbräuchlicher Verwendung von Fördermitteln.

Wenn im selben Konzern, an einem Standort, noch dazu im selben Bundesland, Fördermittel in Anspruch genommen werden und ein anderer Standort gleichzeitig geschlossen wird, so ist das eine Form von Missbrauch. Für so etwas sind Fördermittel und andere Investitionshilfen grundsätzlich nicht da. Dazu vielleicht noch einmal ein paar Zahlen zu angeblich mehr geschaffenen Arbeitsplätzen bei Klemme.
Bereits seit Mitte 2015 wurden in der Fricopan Back GmbH Immekath Arbeitsplätze auf verschiedenste Art und Weise sukzessive abgebaut. Im Juli 2015 betrug die Beschäftigtenzahl noch 548, bereits im Dezember 2015 nur noch 529 und per März 2016 gerade einmal 508. Dazu muss man wissen, dass regelmäßig und dauerhaft noch 40 bis 50 Leiharbeiter im Durchschnitt dort beschäftigt waren, die nun auch weggefallen sind bzw. die ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Mit dem Neubau Werk 7 der Klemme GmbH Eisleben sollten 295 Arbeitsplätze mehr entstehen. Entsprechend interner Daten ging die Beschäftigtenzahl aber insgesamt zurück. Laut Bilanz (2014) der Klemme AG, betrug die durchschnittliche Beschäftigten Anzahl im Juli 2014 1585. Laut interner Daten waren es im Juli 2015  1798 Beschäftigte und per März 2016 nur noch 1718 Beschäftigte. Dies zeigt, dass von Mitte 2014 bis März 2016 nicht einmal die Hälfte der geforderten Arbeitsplätze bei der Klemme GmbH entstanden ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich frage Sie somit, wo sind denn die versprochenen Arbeitsplätze geblieben. Wer kontrolliert und wie wird so etwas kontrolliert. Man könnte sogar die Vermutung anstellen, dass zwischen dem Fördermittelerhalt und dem Bonus für Herrn Owen Killian, Chef des Backwarenkonzerns Aryzta, im Jahr 2014 einen Zusammenhang besteht. Er verdiente 2014 mit rund 5,9 Millionen Franken 44 Prozent mehr als im Vorjahr. Das sind also rund 5,33 Mio. Euro. Wobei man von verdienen hier nicht wirklich sprechen kann.

Wirtschaftskonzerne bzw. Heuschrecken wie dieser Aryzta Konzern, die alleine schon durch ihre Größe eine faktische Macht haben, die stärker und nachhaltiger wirkt als die z.B. unseres Parlaments, die keinerlei Innovation und Nachhaltigkeit befördern, die nur aktiengetrieben sind, brauchen keine Fördermittel.

Letztendlich müssen Monopolstrukturen überwunden werden und wir müssen nicht nur darüber nachdenken, sondern auch handeln, wie das Handwerk, der Mittelstand, die Landwirtschaft, das Dienstleistungsgewerbe und die öffentliche Daseinsvorsorge in der Altmark und in ganz Sachsen-Anhalt gestärkt werden. Wir müssen uns stärker für die kleineren und mittleren Unternehmen die hier sind und zu uns kommen wollen einsetzen. Denn das sind die Zukunftsträger. Das sind die die Arbeitsplätze langfristig installieren und ein ureigenes Interesse daran haben das der Laden lange und ausgiebig läuft.

DIE LINKE redet mittlerweile seit Jahren über die falsche Ansiedlungspolitik. Man hat mit den Versprechen von Fördermillionen Heuschrecken angezogen und wundert sich nun, dass diese sich auch so benehmen. In den letzten 25 Jahren war sicherlich die Quantität der Arbeitsplätze ein wichtiger Faktor. Doch jetzt, im Zeitalter des Fachkräftemangels, muss es mehr um die Qualität der Arbeitsplätze gehen. Es muss also um die Schaffung und den Erhalt von hochwertigen und mitbestimmten Arbeitsplätzen gehen.

Die jetzigen Regelungen zur Fördermittelvergabe sind einfach veraltet. Eine Schwerpunktsetzung auf die einzelbetriebliche Förderung, vor allem von Großunternehmen, wird der Struktur von Sachsen-Anhalt einfach nicht gerecht. Es muss Schluss sein mit der Förderung von verlängerten Werkbänken. Wenn wir Unternehmen fördern, dann soll bitte schön die Unternehmens- bzw. Konzernführung sowie, und das ist besonders wichtig, die jeweilige Entwicklungs- und Innovationsabteilung auch hier in Sachsen-Anhalt sitzen oder herkommen. Auch junge und neue Unternehmer müssen mehr unterstützt werden. Zum Beispiel beim Erwerb oder Neuaufbau von Firmen. Andere Bundesländer sind da schon etwas weiter.

Die Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben, KMU und vor allem auch regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern. Nur leider steht da nicht wie. Vielleicht hilft ihnen ja mal ein Blick nach Thüringen und sie schauen sich deren Richtlinie zur Förderung von wirtschaftlichen Infrastrukturvorhaben und sonstigen Maßnahmen zur Unterstützung der Regionalentwicklung mal genauer an. Dort werden z.B. auch Bildungseinrichtungen z.B. der ergänzenden überbetrieblichen Berufsausbildung, Regionalwirtschaftliche Entwicklungskonzepte sowie Regionalmanagement gefördert. Das finden wir, ist ein nachhaltiger und zukunftsfähiger Ansatz für unsere Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt.

Mit unserem Antrag unterbreiten wir einen Vorschlag. Wir sind aber auch gerne bereit weitere zielführende Diskussionen mit weiteren konkreten Vorschlägen dazu im Ausschuss zu führen.