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Thomas Lippmann zu TOP 2: Entwurf des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für die Haushaltsjahre 2020/2021; Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2020/2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit einer verfassungswidrigen Verspätung von mehr als zwei Monaten wurde er uns nun doch vorgelegt, der letzte Haushalt einer Kenia-Koalition. Nach dem ganzen Theater im September konnte man ja zwischenzeitlich den Glauben verlieren, dass diese Landesregierung dazu überhaupt noch in der Lage sein würde.  

Dennoch stellt sich uns die Frage, warum sie dafür überhaupt so lange gebraucht haben. Denn offenbar war es wieder einmal allein dem desolaten Zustand der Koalition und den Abstimmungsprobleme zwischen Regierung und Koalitionsfraktionen geschuldet, dass wir heute nicht die Verabschiedung, sondern erst die Einbringung auf der Tagesordnung haben. Die Menschen im Land, die auf unser Geld und auf unsere Investitionen angewiesen sind, zahlen wieder einmal die Zeche für diese zerstrittene Koalition.

Wir erleben eine Koalition, die von einer Regierungskriese in die nächste taumelt. Es gibt keine gemeinsame politische Agenda mehr. Sie erzeugen nur noch Skandalnachrichten. Die Koalition ist am Ende und will gar nicht mehr miteinander regieren. Der Lack vom Koalitionsvertrag ist schon lange ab und nun hält auch der einstige Kitt des gemeinsamen Bollwerks gegen die AfD nichts mehr zusammen. Die Koalition ist ein jämmerlicher Torso – und das spiegelt sich auch in ihrem Haushaltsentwurf wider. Sie lähmen das Land.

Denn das ist kein Gestaltungshaushalt, das ist höchstens ein Verwaltungshaushalt. Sie verwalten den Mangel, ohne dass eine Prioritätensetzung oder gar neue Perspektiven erkennbar sind. Mit diesem Haushaltentwurf wird lediglich das Elend der zurückliegenden drei Haushaltsjahre durchgeschrieben. Zumindest können wir uns jetzt ein konkretes Bild davon machen, was die Kenianer in dieser verlorenen Legislatur noch zustande bringen wollen. Oder besser, was für diese Legislatur komplett abgesagt und gar nicht mehr realisiert wird.

Bei diesem Finanzminister und beim Zustand dieser Koalition ist das alles keine Überraschung. Durch das Festhalten an der restriktiven Finanzpolitik aus dem letzten Jahrzehnt und ihre ständigen koalitionsinternen Blockaden können sie politisch nichts gestalten. Jeder Koalitionspartner bekommt ein paar Pflästerchen, um seine parteipolitischen Partikularinteressen zu bedienen und dann ist Schluss. Meist werden die auch noch ohne Sinn und Verstand verteilt. Hauptsache, jeder hat seine Schäflein im Trockenen.

Dieses Land sitzt auf einem Berg von Problemen und sie haben sich einmal mehr dafür entschieden, die Augen davor zu verschließen und die Probleme auszusitzen. Sachsen-Anhalt hat wirklich etwas anderes verdient – und es kann mehr, als bundesweit immer als das Aschenputtel dazustehen. Sie aber können nichts weiter, als die rote Laterne festzuhalten. Die Kenia-Koalition ist zum reinen Selbstzweck für den Machterhalt verkommen.

Ich will in meiner Rede vor allem auf die Defizite und falschen Weichenstellungen eingehen, zu denen wir in den Ausschussberatungen Änderungsanträge vorlegen werden. Wir werden Alternativen und notwendige politischen Prioritäten aufzeigen.

Doch bemerkenswert ist zunächst, wie sie den Haushaltsausgleich überhaupt herbeiführen – man könnte auch sagen, herbeischwindeln. In beiden Haushaltsjahren finden sich ungedeckte Schecks in Höhe von jährlich mindestens 300 Mio. Euro, versteckt in globalen Mehreinnahmen, die nicht erläutert werden und den schon üblichen globalen Minderausgaben. Darüber hinaus werden die Zinsausgaben so niedrig veranschlagt, wie noch nie, die Rücklagen werden netto um 260 Mio. Euro reduziert und im Jahr 2021 sollen rund 400 Mio. Euro nach unserer Auffassung rechtswidrig aus der Steuerschwankungsreserve nahezu direkt in den Pensionsfonds transferiert werden.

Die Steuerschwankungsreserve plündern sie ja nicht nur, sie schaffen sie im Handstreich gleich ganz ab. So ganz nebenbei im Haushaltsbegleitgesetz. Noch vor einem Jahr hat die Koalition getobt, als wir unsere Vorstellungen zur Finanzierung von Zukunftsaufgaben dargelegt haben. Ein Jahr später interessiert sie dieses Geschrei offenbar nicht mehr.

Doch was machen sie mit dem Geld? Sie stecken es zum größten Teil in den Pensionsfonds, in dem im letzten Jahr 46 Mio. Euro vernichtet wurden. Der Pensionsfonds mit knapp 1 Mrd. Euro hatte 2018 eine Rendite von -4,62 Prozent. Wir weisen seit Jahren darauf hin, wie sinnlos es ist, in diesen Zeiten extrem niedriger Zinsen und inzwischen sogar von Strafzinsen Geld auf die hohe Kante zu legen. Geld, das dringend gebraucht wird, um das Land durch Investitionen in Bildung, in innovative Arbeitsplätze und in die Infrastruktur voran zu bringen.

1 Mrd. Euro, das ist der Investitionsbedarf, den die Krankenhausgesellschaft für unsere Krankenhäusern und Kliniken ermittelt hat, weil das Land seit Jahren seinen Verpflichtungen aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht nachkommt. Die Wahrheit ist, dass die Pensionsrücklagen mit dem Verzicht auf dringende Investitionen erkauft wurden. Das Geld war gar nicht da, das da zurückgelegt wurde. Es wurde dem Haushalt entzogen. Es ist Zeit, endlich umzukehren und das Geld einzusetzen, um unsere Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft zu erhalten und sie nicht länger auf Verschleiß zu fahren, um sie dann an private Investoren wie Ameos zu verhökern. Ein solcher Rettungsfonds für Krankenhäuser nützt unserem Land mehr als jeder Aktienbesitz.

In Bezug auf die Pensionslasten gibt es noch ein weiteres gravierendes Problem und das sind die wachsenden Erstattungen für die DDR Zusatz- und Sonderversorgungssysteme an die Bundesrentenkasse. Diese Zahlungen wachsen ständig weiter an und werden 2021 den Haushalt mit fast 470 Mio. Euro belasten. Wir haben die Landesregierung schon vor eineinhalb Jahren beauftragt, sich im Bund dafür stark zu machen, diese Zahlungen abzulösen. Gehört haben wir vom Ministerpräsidenten dazu bisher noch nichts.

Wenn man diese DDR-Pensionen also mit einrechnet, dann sind die realen Pensionszahlungen schon heute deutlich höher als im Haushalt dargestellt und entsprechend wird auch der künftige Anstieg der Pensionskosten erheblich geringer ausfallen, als immer gemutmaßt wird. Diese Lasten werden derzeit ganz ohne Zuzahlungen aus dem Pensionsfonds geschultert und wann von dort etwas in laufende Haushalte fließen wird, ist noch ziemlich unklar.

Statt also weitere 400 Mio. Euro in dieses Grab zu schaufeln, muss der Pensionsfonds nachhaltig für die Entwicklung des Landes eingesetzt werden. Behalten sie das im Blick, wenn sie uns wieder fragen, woher das Geld für die von uns geforderte Finanzierung von Zukunftsaufgaben kommen soll. Und zu denen komme ich jetzt.

Zum Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung des Landes ist inzwischen der Personalmangel geworden. Wohin man auch schaut fehlt es an Personal. Das bremst die ökonomische Entwicklung und schwächt den Staat und damit die demokratischen Grundfesten der Gesellschaft. Ob in der Wirtschaft oder besonders im Handwerk, ob bei Dienstleistern oder in Verwaltungen, ob in Schulen oder Universitäten, ob in der Justiz oder bei der Polizei – überall fehlen die Leute. Diese Landesregierung kommt beim Kampf gegen den Fachkräftemangel und bei der Personalentwicklung im öffentlichen Dienst auf keinen grünen Zweig.

Von der vielfach beschworenen Wende in der Haushalts- und Personalpolitik kann überhaupt keine Rede sein. Und die wollen sie auch gar nicht. Regierung und Koalition halten im Prinzip dran fest, dass die früheren Haushaltskürzungen und der Personalabbau im Grunde richtig waren, aber man hat es dabei vielleicht etwas übertrieben. Deshalb gab es zum Beginn der Legislatur kleine Korrekturen, das Finanzkorsett wurde tatsächlich etwas gelockert, um es nun wieder fester anzuziehen. Da ist auf Herrn Richter Verlass.

Das sehen wir u.a. in unseren Kommunen. Diese sind für uns einer der ganz entscheidenden Bereiche. Sie beweihräuchern sich ja gern mit ihrer angeblich kommunalfreundlichen Haushaltspolitik. Wenn sie ihre Scheuklappen einmal ablegen würden, dann wüssten sie, dass die Mehrzahl der Kommunen das ganz anders erlebt. Und spätestens seit gestern ist es gerichtlich bestätigt: Das Land stattet seine Kommunen unzureichend aus. In seinem Urteil zur Kreisumlage stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Landkreis Mansfeld-Südharz auf Einnahmen von 15 Millionen Euro verzichten muss, weil den Gemeinden das Geld fehlt.

Und das im Jahr eins des vom Ministerpräsidenten ausgehandeltem neuen Länderfinanzausgleichs. Es wird klar, dass die viel zu geringe Steuerkraft der Kommunen nicht ausgeglichen wird und der Abstand zu den anderen Bundesländern wächst. So, wie die unfaire Verteilung der öffentlichen Mittel uns als Land immer wieder zum Bittsteller gegenüber dem Bund macht, so machen es das Land anschließend mit seinen Kommunen – sie sind Bittsteller!

Die Finanzausstattung über das FAG liegt mindestens 500 Mio. unter dem Bedarf. Kaum eine Kommune kann aus eigener Kraft ihre Schulen sanieren oder bei Bedarf auch mal eine neu errichten. Sie können ihre Straßen nicht im erforderlichen Maß erhalten und ausbauen oder gar darüber hinaus eine kommunale Infrastruktur entwickeln, die den Bedürfnissen ihrer Einwohner entspricht. Da reden wir über Bäder und Bibliotheken, über Musikschulen und Theater oder auch über Sportstätten, über Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche bis hin zur Schaffung barrierefreier Zugänge und eines seniorengerechten Lebensumfeldes.

Der Wust an Förderprogrammen ist kein Ausgleich für die mangelhafte Grundfinanzierung. Die Kommunen haben oft gar nicht das Personal, um entsprechende Projekte zu entwickeln, zu beantragen und abzuwickeln. Oder die Programme passen nicht zum Bedarf der Kommunen. Die massive Verlagerung von Geld aus der Grundfinanzierung in Förderprogramme führt auch zu einer Fremdsteuerung und einem Hineinregieren in die kommunalen Angelegenheiten. Wir weisen das immer wieder als Fehlentwicklung entschieden zurück.

Das unveränderte Durchschreiben des Haushaltsvolumens für das FAG über die gesamte Legislatur ist nichts weiter, als ein stetiger Abbauprozess bei den Kommunalfinanzen. Die Kommunen können ihre Ausgaben genauso wenig durchschreiben, wie das Land. Es gibt zwangsläufig Aufwüchse bei den Ausgaben – vor allem im Tarifbereich und bei Bauinvestitionen.

Wenn also die Finanzkraft der Kommunen zumindest gehalten werden soll, müssen diese Steigerungen im FAG eingepreist werden. Ansonsten werden in vielen Kommunen wieder die Daumenschrauben der Konsolidierung angezogen. Es werden von den Kommunen erneute Kürzungen verlangt, wo schon lange nichts mehr zu kürzen ist.

Die Kommunen können schon jetzt ihr Personal nicht so vorhalten, wie es die kommunalen Aufgaben erfordern, ohne sofort ihren Haushalt in Schieflage zu bringen. Es werden immer noch Schulen aus Geldnot geschlossen und die Einwohner wehren sich in Bürgerbegehren mit Händen und Füßen dagegen. Die Menschen werden landesweit in Bürger- und Volksinitiativen getrieben, weil das Geld nicht da ist, um die Straßen zu sanieren, ohne dafür horrende Straßenausbaubeiträge zu kassieren.

Inzwischen häufen sich die Berichte über die Probleme beim Erhalt kommunaler Schwimmbäder und Schwimmhallen. Immer mehr davon stehen vor dem Aus oder wurden bereits geschlossen, weil die Kommunen die Sanierungskosten nicht aufbringen können. Wir haben schon Anfang des Jahres einen Schwimmbadfonds gefordert, um zumindest den Status quo halten zu können. Inzwischen ist die Sicherstellung den Schwimmunterrichts in den Schulen gefährdet, auch wenn das im Frühjahr hier in der Debatte noch bestritten wurde. Es hilft nicht, Vogel Strauß zu spielen und den Kopf in den Sand zu stecken. Fehlt der Schwimmunterricht, wird das ewige Kürzen schnell lebensgefährlich.

Das alles ist keine kommunalfreundliche Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das ganze Gegenteil – es ist eine Politik, die rücksichtslos gegen die Interessen der Kommunen gerichtet ist. Wir warnen vor dem zumindest teilweisen Zusammenbruch der kommunalen Selbstverwaltung und vor ernsthaften politischen Verwerfungen. Wir fordern die Koalitionsfraktionen auf, die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen und das FAG-Volumen in einem ersten Schritt um mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr aufzustocken.

Kommen wir zu unseren Hochschulen. Wir streiten uns zurzeit wie die Kesselflicker um die Erweiterung der Lehrerausbildung im Land. Trotz der Aufstockung auf insgesamt 1.000 Studienanfänger fehlen uns mindestens weitere 400 Erstsemesterplätze vor allem in den Kernfächern und in den Naturwissenschaften. Im Doppelhaushalt sind dafür keinerlei Steigerungen vorgesehen, der Mangel wird fortgeschrieben. Und wir bilden nicht nur weiterhin viel zu wenige Lehrer aus, sondern auch zu wenige Ärzte. Trotz zunehmendem Ärztemangel bleiben die Ausbildungskapazitäten bei den Medizinstudiengängen unverändert niedrig.

Das Innovationspotenzial unserer Hochschulen für die wirtschaftliche Entwicklung im Land ist zu gering. Unser Hochschulsystem ist zwar fein, aber klein – zu klein, auch im bundesweiten Vergleich. Sie haben die Finanzierung der Hochschulen nach den Kürzungsorgie der letzten Legislatur zwar vorrübergehend stabilisiert, aber auf einem sehr bescheidenen Niveau. Und nun geht es auch hier wieder deutlich bergab. Von einem angemessen Inflationsausgleich kann ebenso wenig die Rede sein, wie vom vollständigen Ausgleich der Tarifsteigerungen. Sie sichern nicht einmal den Substanzerhalt.

Statt durch einen kontinuierlichen Aufwuchs in der Grundfinanzierung der Hochschulbudgets für Verlässlichkeit in den Hochschulplanungen zu sorgen, zünden sie die 2. Stufe des sogenannten „Bernburger Friedens“ und zerstören mit der erneuten Absenkung der Grundfinanzierung das Vertrauen in zukünftige Entwicklungen. Sie verhindern so weiterhin die Schaffung dringend notwendiger Dauerstellen und leisten dem Befristungsunwesen Vorschub. Das stellt die Hochschulen vor immer größere Qualitätsprobleme in Lehre und Forschung, weil zu diesen Konditionen keine Leute mehr nach Sachsen-Anhalt kommen.

Außerdem halten sie weiter an den systemwidrigen Stellenplänen für Tarifbeschäftigte fest, die den Hochschulen zunehmend Probleme bereiten. Entweder man steuert über Budgets oder über Stellen. Beides geht nicht und ist Ausdruck eines tiefen Misstrauens gegenüber den Hochschulen.

Auch die Forschungsförderung und die Förderung des Erwerbs von Großgeräten werden nur auf niedrigem Niveau verbessert. Die Hochschulen sind daher weiterhin gezwungen, diese Ausgaben mit aus dem schrumpfenden Grundbudget zu erbringen. Das ist nicht das, was Sachsen-Anhalt braucht, um einen Motor für die Wirtschaftsentwicklung anzuwerfen.

Und über die Situation an den Universitätsklinika kann man ohne Wut und Verzweiflung schon gar nicht mehr reden. Die Uniklinika hatten im Wissenschaftsausschuss einen Wertverzehr in ihren Einrichtungen von jeweils ca. 30 Mio. € pro Jahr geltend gemacht. Im Haushalt werden ihnen jedoch nur 11 Mio. Euro als Investitionskostenzuschuss gewährt. Sie wissen alle, dass dieser Weg ins Desaster führt – und sie schließen die Augen, heben die Hände und lassen es laufen. Mehr Verantwortungslosigkeit und Verweigerung von Zukunftssicherung geht nicht.

Unklar bleibt in jeder Hinsicht, was beim Übergang in die neue EU-Förderperiode und den dabei zu erwartenden gravierenden Einschnitten mit den vielen guten ESF-Programmen passiert, die in den letzten beiden Förderperioden für Sachsen-Anhalt entwickelt wurden. An erster Stelle stehen hier die schulischen Programme „Schulerfolg sichern“ über das die Schulsozialarbeit in die Schulen gebracht wurde oder „Produktive Lernen“, mit dem für viele schulabstinente Schüler wieder ein geordneter Schulbesuch und eine berufliche Perspektive organisiert werden konnte. Auch die Weiterführung des Programms BRAFO als wichtiger Einstieg in eine systematische und flächendeckende berufliche Orientierung ab der 7. Klasse steht in den Sternen, wenn von der EU dafür kein Geld mehr kommt.

Es ist ein Drama, dass es nie einen Plan gib, wie solche Strukturen, wenn sie mit EU-Geld einmal entwickelt und etabliert wurden, bei positiver Evaluation dann aus eigenen Kräften fortgeführt werden können. Sie lassen immer wieder alles den Bach runtergehen, statt es zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Nicht anders ist es mit dem ESF-Programm des FSJ Kultur. Von den derzeit 100 Einsatzstellen im Kulturbereich bleibt voraussichtlich nur noch 1/3 übrig, weil keine Kompensation mit Landesmitteln vorgesehen ist. Das schwächt insbesondere die Angebote der mittleren und kleinen kulturellen Verbände und Einrichtungen im Land.

Die Landesförderung für die staatlich anerkannten Musikschulen stagniert seit 20 Jahren und ist damit inzwischen faktisch um etwa ein Drittel gesunken. Unsere Große Anfrage zu den Musikschulen hat klar gezeigt, dass die Qualität und Angebot ohne Steigerung bei den Landeszuwendungen nicht aufrechterhalten werden können. Für die 21 öffentlichen Musikschulen mit 231 Unterrichtsorten ist lediglich eine Erhöhung um 50.000 € vorgesehen. Das ist ein schlechter Witz. Hier ist eine Steigerung von mindestens 500.000 Euro erforderlich.

Und was sie sich derzeit beim Gezerre um die Finanzierung der freien Schulen leisten, ist schlimmer als das Feilschen auf dem Basar. Sie entscheiden absolut freihändig, was sie dort gerade ausgeben wollen. Und ändern dabei aller paar Wochen ihre Meinung. Die Irritationen und Verunsicherung bei den Schulträgern und den Eltern ist riesig – und die Welle des Protestes ist es auch. Sie provozieren eine Klagewelle und damit erhebliche Haushaltsrisiken.

Auch hier ändern sie über das Haushaltsbegleitgesetz so ganz nebenbei das Schulgesetz. Ihre Art der Gesetzgebung im Schweinsgalopp, ohne jede fachliche Diskussion und unter Missbrauch der Haushaltsberatungen weisen wir entschieden zurück. Es ist eine Entwertung von Politik, wenn der Finanzminister hier alles bestimmt und Fachlichkeit nicht mehr gefragt ist.

Große Unzufriedenheit herrscht auch bei den institutionell geförderten Trägern. Diese leisten in vielen Bereichen eine anerkannte und wertvolle Arbeit für unser Land. Die Grundlagen für diese gute Arbeit werden von uns als Geldgeber aber immer wieder infrage gestellt. Und das beginnt bereits mit der späten Verabschiedung des Haushalts, es geht über die oft absurd langen Bearbeitungszeiträume für Bewilligungsbescheide und endet letztlich beim Druck auf die Wirtschaftspläne und vor allem auf die Eingruppierung der dort Beschäftigten. Immer wieder wird versucht, den Bereich billig zu machen und möglichst gar kein Geld mehr dorthin zu geben. Wir fordern ein Bekenntnis zu unseren institutionell geförderten Trägern und Wertschätzung für ihre gute Arbeit. Und das bedeutet, eine verlässliche Finanzierung und die Sicherung einer tarifgerechten Bezahlung der dort Beschäftigten.

Eine der großen Peinlichkeiten dieses Haushaltsplanes ist ihr erneutes Scheitern an der Einführung eines landesweiten Azubi-Tickets. Es wird also nicht kommen, obwohl es die Wirtschaft, die Kammern und die Gewerkschaften nachdrücklich fordern, obwohl es hier im Parlament fast alle wollen und unsere Nachbarländer damit längst durch sind. Nur unsere Landesregierung bekommt es nicht hin. Ob es an der fehlenden Kompetenz oder an Ressortegoismen liegt, ist dabei egal. Es ist ein Sargnagel für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir können uns solche Provinzpossen einfach nicht leisten.

Völlig unzeitgemäß schreiben sie die Unterfinanzierung des ÖPNV fort. Die Finanzierung erfolgt nur auf dem Mindestmaß der Leistungsanforderungen im ÖPNV-Gesetz. Eine an die Preisentwicklung angepassten Rabattierung im Ausbildungsverkehr gibt es nicht. Dafür gibt es nichts mehr für die Barrierefreiheit an den Haltestellen. Für solche Fehlentwicklungen kann es keine Rechtfertigung geben. Auch die Förderung des Rad- und Fußverkehrs spielt für die Landesregierung kaum eine Rolle. Eine Einmalfinanzierung für Lastenräder und Reduzierungen bei straßenbegleitenden Radwegen, sind keine zeitgemäße Verkehrspolitik. Umwelt- und verkehrspolitisch hat die Landesregierung keinen Plan.

Vor einigen Jahren wurden einmal Wirtschaftsförderung, Tourismuswerbung und Landesimage aus guten Gründen in der IMG zusammengefasst. Man ging davon aus, dass Investorenwerbung nur mit einem positiven Landesimage und einer hohen Lebensqualität sowohl für Einheimische als auch für Touristen erfolgreich sein kann. Im letzten Jahr erhält plötzlich der Landestourismusverband eine millionenschwere Geldspritze und nun soll auch die Staatskanzlei ab dem nächsten Haushaltsjahr knapp 1 Mio. Euro zusätzlich für die Landes-Imagekampagne bekommen. Dann sollen drei Institutionen eine Aufgabe erfüllen, die in eine Hand gehört. Das wird weder zu einer besseren Wirkung noch zu einem effizienteren Einsatz der Mittel beitragen. Es ist schlicht Geldverschwendung!

Dagegen wurde erst vor einigen Tagen in einem Fachgespräch dargestellt, dass wir im Hinblick auf den Spitzensport in unserem Land längst dabei sind, den Anschluss an das internationale Niveau zu verlieren. Wir haben keine einzige Sportstätte, die für größere internationale Wettkämpfe geeignet ist. So geht Provinz, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der schon lange geplante Neubau der JVA Halle steht weiter in den Sternen. Es bleibt auch in diesem Haushalt offen, ob damit überhaupt irgendwann einmal begonnen werden kann. Damit kommt es weiterhin nicht zu der angestrebten Verbesserung der Haftbedingungen für die Gefangenen und der Arbeitsbedingungen für die Bediensteten. 

Nicht viel besser ist es um die Pläne zur Unterbringung der 4. Einsatzhundertschaft der Landesbereitschaftspolizei in Halle bestellt. Nur im Schneckentempo kommt dieses Projekt voran und erzeugt Frust und zusätzliche Kosten, weil notwendige Entscheidungen nicht zügig getroffen wurden und dadurch langwierige Übergangslösungen erforderlich werden.  

Für die ZASt in Halberstadt – der Sachsen-Anhalt-Variante der Ankerzentren – wurden die Kosten für die Bewachung nahezu verdoppelt. Mehr als 4 Mio. Euro soll uns das jetzt pro Jahr kosten. Die längere Verwahrung in der Erstaufnahmeeinrichtung ist nicht nur zutiefst inhuman, sondern auch sehr kostspielig!

Abschieben was das Zeug hält und dabei humanitäre wie rechtliche Hindernisse einfach mal über Bord werfen, war das Ziel der Landesregierung und der Grund, um im laufenden Haushalt die Haushaltsansätze für Abschiebungen radikal zu erhöhen. Nun konnten sie aber diese menschenverachtende Politik doch nicht so durchsetzen, wie sie wollten. Auch wenn Sie im vorliegenden Entwurf die Ansätze wieder deutlich gesenkt haben, liegen diese noch immer ganz klar über dem, was realpolitisch umsetzbar ist. Würden die Regierungsfraktionen die gleiche Energie und das gleiche Geld in die Integration von Menschen investieren, das hier stattdessen für deren Drangsalierung vorgesehen ist, wäre uns allen viel geholfen!

Nach dem rechten Terroranschlag vom 09. Oktober in Halle erhöhen sie wie angekündigt massiv die Ansätze für den Verfassungsschutz. So wird von ihnen eine Behörde aufgerüstet, an deren effektiven Beitrag zur Gefahrenabwehr nach allen bisherigen Erfahrungen größte Skepsis angebracht ist und die nicht ausgebaut, sondern abgeschafft gehört.

Dagegen gibt es auf der Seite der Zivilgesellschaft keine nennenswerte Erhöhung etwa für das Landesprogramm „Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit“. Ohne Stärkung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen den rechten Terror kann der Ausbreitung rechter Tendenzen bis in die Mitte der Gesellschaft nicht wirkungsvoll begegnet werden. Eine solche Botschaft ist fatal und Ausdruck für politisches Versagen.

Natürlich sind wir uns einig bei den 1,5 Mio. Euro Investitionen zum Schutz jüdischer Einrichtungen. Aber es bleiben drängende Fragen nach der Finanzierung der laufenden Kosten dieser Sicherung und nach einem gleichwertigen Schutz für muslimische Einrichtungen. Es drängt sich die Frage auf, ob der Schutz muslimischer Gemeinden und Gebetshäuser nicht so in den Blick genommen wird, weil ja der Islam angeblich nicht zu Deutschland gehört. Braucht es erst einen neuen 09. Oktober mit einem gezielten Angriff auf eine muslimische Gemeinde, bis sie aufwachen und Konsequenzen ziehen?

Ich will die Liste der Defizite für heute abschließen und unsere Forderung erneuern, für die Umsetzung der Istanbul-Konvention mehr Mittel bereitzustellen und damit vor allem ein Beratungsangebot für die von häuslicher Gewalt mitbetroffenen Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Wir verlangen auch, dass der gerade erst eingeführte Hebammenfonds nicht abgeschafft, sondern weitergeführt wird. Und wir verlangen selbstverständlich, dass Beschlüsse des Landtages wie etwa zur Weidetierprämie, im Haushalt auch umgesetzt werden.

Ich will ganz am Schluss noch darauf hinweisen, dass es im Haushalt neben Defiziten auch immer Aufwüchse gibt, die wir kritisch sehen. Dazu zählen u.a. die weiter automatisch steigenden Staatskirchenleistungen, die im nächsten Haushaltsjahr wieder um mehr als 1 Mio. Euro höher ausfallen. Doch auch in dieser Legislatur wird die Koalition nicht einmal eine Idee entwickeln, wie man den Verfassungsauftrag zur Ablösung dieser Leistungen umsetzen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Investitionsstau in den Krankenhäusern und Kliniken, bei Straßen und Brücken, bei Schulen und Schwimmbädern, bei den Trainings- und Wettkampfstätten für den Breiten- und den Leistungssport, die fehlende Planung für die JVA, der Mangel an Schulsozialarbeit, an Lehrkräften und Ärzten, bei Richtern und im Strafvollzug und die systematische Unterfinanzierung der Kommunen - der Berg ungelöster Probleme ist gewaltig und sie kommen mit diesem Haushalt dabei kein Stück voran.

Da muss doch auch dem Letzten langsam klar werden, dass die Finanzpolitik der letzten 20 Jahre nicht weiter fortgesetzt werden kann. Um den Investitionsstau, den Personalmangel und die Unterfinanzierung der Kommunen zumindest schrittweise zu beseitigen, sind in den kommenden zehn Jahren grob geschätzt mindestens 6 Mrd. Euro on Top zu den bisherigen Haushaltsansätzen erforderlich. Wir rennen wie die Hamster im Laufrad, wenn das Geld einfach vorn und hinten nicht reicht. Unser Landeshaushalt ist mit mindestens 10% unterfinanziert. Das merken sie ja selbst, wenn sie mit den Haushaltsanmeldungen bis zu 1 Mrd. über den Eckwerten liegen.

Die Alternative ist nicht, immer dann nach Berlin zu laufen, wenn Geld für den Kohleausstieg oder die Windkraft oder für die Digitalisierung unserer Schulen gebraucht wird. Es ist Zeit von Berlin endlich eine andere Steuerpolitik und neue Verteilungsregeln zu fordern. Wir brauchen deutlich mehr öffentlichen Einnahmen für die Länder und die Kommunen.

Dabei geht es auch um die Schuldenbremse. Inzwischen ist längst klar, dass sie zu einem Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung wird. Die Wirtschaft begreift es und die SPD hat es zumindest zum Teil verstanden. Die Leute begreifen es und irgendwann wird es auch bei der CDU angekommen. Die Schuldenbremse war und ist neoliberaler Schwachsinn.

Nach dem ZDF-Politbarometer vom letzten Freitag sind 75% der Bevölkerung für mehr Investitionen, auch wenn dafür Schulden gemacht werden müssten. Quer durch alle Parteien gibt es dafür große Mehrheiten – auch bei den Anhängern der CDU. Dabei ist die Alternative zur Schuldenbremse gar nicht das endlose Anhäufen neuer Schulden, wie immer reflexartig behauptet wird. Die Alternative ist die Generierung von mehr Einnahmen. Und auch das nicht durch endloses Wachstum, sondern durch die Rückkehr zu einer ökonomisch sinnvollen Steuerpolitik.

Es geht um die Eindämmung der überhitzten Finanzmarktgeschäfte durch die überfällige Einführung einer Finanztransaktions- und einer Spekulationsteuer, es geht um die Beteiligung von großen Vermögen an den finanziellen Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer und eine echten Reform der Erbschaftssteuer, es geht um die Rückkehr zur alten Körperschaftssteuer von 25% und es geht letztlich auch um einen effektiven Steuervollzug und den Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen. Hier ist mehr Geld zu holen, als wir derzeit überhaupt ausgeben könnten.

Vergessen sie also die Schuldenbremse und machen sie sich klar, dass die aufgelaufenen Defizite endlich abgebaut werden müssen und nicht immer weitergeschoben und angehäuft werden können. Die Alternative zum Geldverbrennen in nutzlosen Rücklagen sind Investitionen für Zukunftsaufgaben. Trotz der extrem kurzen Beratungszeit werden wir dafür umfangreiche Vorschläge vorlegen. Nutzen sie diese Chance und machen sie aus einem Haushalt, der nur den Mangel verwaltet doch noch einen, der die Zukunft des Landes gestaltet.