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Thomas Lippmann zu TOP 1: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten „Freiheit. Sicherheit. Verantwortung. Solidarität mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt.“

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Trotz des Abstandes von inzwischen zwei Wochen fällt es uns noch immer nicht leicht, das, was passiert ist, in angemessene Worte zu fassen: Zwei Menschen wurden heimtückisch ermordet und weitere wurden verletzt. Völlig wahllos, völlig willkürlich, völlig sinnlos. Sie hatten nichts getan, nichts falsch gemacht. Sie waren auch nicht „zur falschen Zeit am falschen Ort“, sie waren in ihrem ganz normalen Leben, an einem Ort, an welchem sie nichts Schlimmes erwarten mussten.

Mitglieder und Gäste der jüdischen Gemeinde in Halle sind nur mit dem Leben davongekommen, weil sie sich in ihrer Synagoge verbarrikadieren konnten. Eine Tür hat sie geschützt, die jetzt zum Mahnmal wird, weil Menschen versagt haben. Und das alles am höchsten jüdischen Feiertag am Jom Kippur! Im Täterland der Shoah, dass sich einmal mit tiefer Überzeugung ein „Nie wieder“ vorgenommen hatte. Niemand von uns kann sich in unsere jüdischen Mitmenschen hineinversetzen und den Schrecken dieser langen Stunden nachempfinden.

Kaum vorstellbar ist auch der Horror, den die Menschen im Dönerimbiss erleiden mussten. Sie mussten fliehen, sich verstecken, um nicht erschossen zu werden und sie mussten den Tod eines völlig wehrlosen jungen Mannes miterleben. Es wird lange dauern, das Erlebte zu verarbeiten und es wird Narben hinterlassen. Für die Angehörigen der Todesopfer wird es eine Zeitrechnung von einem „davor“ und einem „danach“ geben.

Man steht fassungslos vor diesem Scherbenhaufen, der von einem rechten Terroristen in einer Stadt hinterlassen wurde, die sich schon so oft als bunt und offen und solidarische gezeigt hat und mit starken Strukturen und großem Engagement der Stadtgesellschaft rechten Umtrieben immer wieder die Stirn geboten hat. 

Man steht fassungslos vor der Tat und dem Täter, der Menschen wie in einem Computerspiel abknallt, um einer international vernetzten rechtsextremen Community im Internet ein Spektakel zu bieten. Ein junger Mensch, der ohne innere Regung eiskalt Menschenleben vernichtet und dabei sein eigenes Leben wegwirft.

Man steht aber auch fassungslos vor dem politischen Versagen und der Unfähigkeit, selbstkritisch die Zusammenhänge und Umstände in ihrer gesamten Breite zu hinterfragen, die die Abläufe an diesem Tag erst ermöglicht haben. Wie kann man sich nach einem solchen Desaster am Tag danach hinstellen und forsch behaupten, dass niemand etwas falsch gemacht hat. Und wie kann man sich dann auch noch den Fauxpas eines öffentlichen Streits mit der Jüdischen Gemeinschaft leisten. Als wäre es die Aufgabe der jüdischen Gemeinden im Land, ihren Schutzbedarf zu analysieren und anzumelden. Wie kann die Zurückweisung von Verantwortung und das Zeigen auf andere die erste Reaktion eines Innenministers sein? Dass die Sicherheit der Synagoge in Halle ganz offensichtlich und mit dramatischen Folgen falsch eingeschätzt wurde, liegt doch auf der Hand. Man ist betroffen vom Auftreten und vom Krisenmanagement dieser Landesregierung und man schämt sich dafür.

In den letzten 14 Tagen wurde von Regierungsseite viel geredet und oft wenig gesagt. In diese Bewertung lässt sich auch die heutige Regierungserklärung einordnen. Geradezu auffällig oft und fast beschwörend hörte man in den letzten Tagen dann auch die Formel „Lasst uns jetzt nach vorn schauen“.

Nein liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Wunsch des Ministerpräsidenten und des Innenministers nach einem besänftigenden Vergessen werden wir nicht folgen. Wird die notwendige Rückschau verweigert und so die Vergangenheit und die eigene Verantwortung immer wieder ausgeblendet, kann es keine Klarheit darüber geben, welche Konsequenzen aus dem Geschehenen tatsächlich gezogen werden müssen. Wenn wir die Fehler der Vergangenheit nicht analysieren und aufarbeiten, werden sie fortgeschrieben und eben nicht überwunden. Vor dem Hintergrund dieses menschenverachtenden Terroraktes können wir der Landesregierung ein Weiter so nicht gestatten, bei dem im Kern alles beim Alten bleibt. 

Im Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde am Tag danach war die Rede davon, dass man den Blick nicht länger vor der Realität verschließen dürfe. Der Bundesinnenminister hat dabei bestätigt, dass es längst eine deutlich verschärfte Gefährdungslage durch Rechtsextremisten und Rechtsterroristen gibt. Nicht seit Wochen oder Monaten, sondern seit einigen Jahren.

So überfällig neue Gefährdungsanalysen des BKA oder des LKA auch sind, man brauchte sie nicht um zu wissen, dass Synagogen und Moscheen in unserer heutigen Zeit einen personellen Schutz brauchen. Zumindest an Feiertagen, wenn sich dort bekanntermaßen eine größere Zahl von Menschen befinden. Es wird ein nicht zu tilgender Makel für die Landesregierung und den Innenminister bleiben, dies nicht erkannt und umgesetzt zu haben, bevor ein so apokalyptisches Ereignis alle aufschreckt.

Es wird ein schweres Versagen bleiben, die Gefahr von rechts eklatant unterschätzt zu haben, weil sie viel zu oft relativiert wurde. Wer bisher meinte, über Rechtsextremismus und rechten Terror dürfe nur gesprochen werden, wenn gleichzeitig auch der Blick nach links gerichtet wird, sieht sich jetzt mit den Folgen dieser Gleichsetzungsversuche konfrontiert. Es muss endlich klar werden, dass man für den Aufstieg der Rechten und die Spaltung der Gesellschaft mitverantwortlich ist, wenn man den Verbalattacken der Rechten Beifall zollt und ihnen durch die Übernahme ihrer Argumente Wind in die Segel bläst.

Ich darf auch daran erinnern, dass der Ministerpräsident noch im Mai auf unserer Feierstunde zu 100 Jahren Weimarer Reichsverfassung in seiner Rede davon sprach, dass Weimar u.a. am Ansturm der linken und rechten Extremisten und an der mangelhaften Verankerung demokratischen Gedankengutes in der Bevölkerung gescheitert sei. Es liegt auch an einem solchen Geschichtsverständnis, mit dem die prägenden Entwicklungen und die realen Abläufe in der Weimarer Republik insbesondere am Beginn der 1930er Jahre ausgeblendet werden, wenn der Blick auf die Realität und die notwendigen Konsequenzen verstellt bleibt.

Zur Realität gehört, dass mit dem Auflaufen der neuen Rechten auf Straßen und Plätzen, ihrem Einzug in die Parlamente und der radikalen Nutzung der sozialen Medien eine Verschiebung des öffentlichen Diskurses stattgefunden hat. Hier wird ganz gezielt an die Ideologie und Sprache des Dritten Reiches angeknüpft und der Nationalsozialismus relativiert. „Vogelschiss der Weltgeschichte“, „Schuldkult“ und „Mahnmal der Schande“ oder wie bei uns die „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ und der „Gesunde Geist im gesunden Körper“, sind nur einige Belege dafür. Die AfD trägt eine klare Mitverantwortung für das, was hier passiert. Es sind klägliche und verlogene Versuche, sich von dieser Schuld reinwaschen zu wollen und es ist pure Heuchelei und verhöhnt die Opfer, wenn die AfD jetzt Krokodilstränen vergießt. Dies haben z.B. auch die drei Intendanten der Halleschen Theater, Oper und Orchester GmbH in einer Erklärung sehr klar zum Ausdruck gebracht und die Zusammenarbeit mit einem rechten AfD-Stadtrat im Aufsichtsrat abgelehnt.

Zur Realität gehört auch, dass Anschläge wie jetzt in Halle letztlich als Erfolge und Meilensteine für die Propaganda-Strategien der Rechten gelten. Deshalb werden sie nicht aufhören, weiter Hass und Zwietracht zu schüren und durch Lügen und Hetze für möglichst viel Verunsicherung zu sorgen. Denn das ist der Humus, auf dem ihre braune Saat gedeiht.

Ja, die AfD und ihre Gesinnungskumpane sind die geistigen Brandstifter für solche Taten. Mit ihrer verbalen Aggression gegen alles, was nicht ins rechte Weltbild passt – gegen Moslems und Juden, gegen Gewerkschaften und die demokratische Zivilgesellschaft, gegen Homosexuelle und Genderaktivistinnen, gegen Grüne und Linke – wird das Aufkommen physischer Gewalt vorbereitet. Der Rechtsterrorist Stefan S. hatte das alles im Visier, wie dem Manifest und dem Tätervideo zu entnehmen ist. Statt der Synagoge hätte es auch eine Moschee oder ein linkes Zentrum treffen können und neben den Juden sind auch Feministinnen schuld an der angeblich bevorstehenden Umvolkung. Alles Gedankengut, das von der AfD gezielt und systematisch in die Parlamente und in die Öffentlichkeit getragen wird.

Wir müssen die Augen endlich richtig aufmachen um zu verstehen, was hier wirklich geschieht. Wir müssen uns mit dem völkischen Nationalismus der Rechten und der AfD als menschenverachtender Ideologie in ihrer ganzen Breite und Tragweite auseinandersetzen. Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis ähnlich Reden gehalten werden müssen, wenn ein nächster Anschlag eine Moschee trifft oder ein Frauenzentrum, wenn Homosexuelle angegriffen oder farbige Menschen gejagt werden, wenn wieder eine Flüchtlingsunterkunft brennt oder missliebige Politiker bedroht und ermordet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben aber auch erfahren, dass sich die demokratischen Kräfte als stark und widerstandsfähig zeigen. Kundgebungen und Blockaden, Lichterketten und Mahnwachen, Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste sind wichtige Zeichen. Izzet Cagac, der Besitzer des angegriffen Kiez Bistro in Halle setzt ein ganz besonders Zeichen der Solidarität. Er, der Moslem, der Ziel des rechten Angriffes war, sammelt Spenden für die deutschen Opfer und sucht den Kontakt zur jüdischen Gemeinde. Was für ein souveränes Signal gegen Intoleranz und Fremdenhass und für Mitmenschlichkeit!

Dennoch werden diese Zeichen nicht ausreichen, um den braunen Ungeist wieder aus unserer Gesellschaft zu verbannen. Denn der Nährboden, auf dem er gedeiht, auf dem auch die AfD gewachsen ist, ist noch viel zu fruchtbar.

Natürlich kommt es jetzt erst einmal darauf an, diejenigen, die besonders bedroht sind, unmittelbar zu schützen. Natürlich müssen die Sicherheitsstrukturen endlich so ausgerichtet werden, dass Attentäter keine Chance mehr auf weiter Angriffe haben. Gewaltbereite Neonazis müssen konsequenter überwacht und schon an der Vorbereitung von Straftaten gehindert werden. Rechte Straftaten und Gewalttaten müssen konsequenter geahndet werden. Es darf nicht vorkommen, dass Verhandlungen platzen, weil die Staatsanwaltschaft nicht kommt und es darf nicht sein, dass immer wieder rassistische Tatmotive nicht gewürdigt werden. Es kann auch nicht sein, dass Betroffene rechter Gewalt um ihre Anerkennung als solche kämpfen müssen.

Es muss unbedingt mehr geschehen, um die Waffenarsenale der Rechtsextremisten auszuheben. Wir müssen dafür sorgen, dass die Zahl der Waffen in privaten Händen reduziert wird. Wir dürfen die Augen nicht weiter davor verschließen, dass ständig Waffen bei Bundeswehr und Polizei gestohlen werden, die scheinbar nicht wieder auftauchen. Und wie einfach ist es eigentlich heute, sich selbst funktionsfähige Waffen herzustellen und sich Munition und Sprengstoff zu besorgen? Uns beunruhigt auch die wachsende Zahl kleiner Waffenscheine. Das muss Anlass sein, die Regelungen zu überprüfen.

Es muss endlich effektiv gegen Internetplattformen vorgegangen werden, in denen die Radikalisierung von Menschen geschieht und die für die Vernetzung rechter Gruppen, die Waffenakquise und die Verbreitung von Hass, Denunziation und Gewalt genutzt werden. Es muss endlich verstanden werden, dass rechter Terrorismus international ist und dass durch die Vernetzung und Zusammenarbeit im Zeitalter des Internets auch Anschläge wie in Pittsburgh und Christchurch unmittelbare Auswirkungen auf die Situation in Deutschland und sogar in Sachsen-Anhalt haben.

Wie kann es denn sein, dass die Sicherheitsbehörden den Betreiber der Plattform, auf der der Täter von Halle seine Tat streamte und sich vernetzte, eine Woche nach dem Anschlag noch nicht einmal kontaktiert haben? Wir dürfen das Schicksal unserer Demokratie und unseres friedlichen Zusammenlebens nicht der radikalen Nutzung von Facebook, Twitter und Instagram durch rechte Kräfte überlassen. Social-media-Foren, in denen ein NSU.2 gefeiert wird und Feindes- und Todeslisten kursieren, müssen konsequent abgeschaltet werden.

Doch so richtig und notwendig das alles ist, es ist nur das Reagieren auf die Folgen einer Entwicklung, die unsere Gesellschaft ins Straucheln bringt. Es ist aber nicht die Lösung für die Probleme, die dahinterstehen. Wir brauchen eine breite, vertiefte und ehrliche Debatte darüber, was seit Jahren bei uns schiefläuft. Denn diese Entwicklungen sind nicht einfach so über uns gekommen, sie waren zu erwarten.

Diese Debatten müssen breit in der Gesellschaft geführt werden, aber wir hier im Parlament, tragen dafür eine besondere Verantwortung. Wir müssen in der Lage sein, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und Lösungen anbieten. Appelle zur Achtung von Solidarität und Menschlichkeit unserer demokratischen Grundwerte und des gesellschaftlichen Zusammenhalts reichen dafür nicht aus. Wir werden an unseren Taten gemessen.

Denn tatsächlich werden die Menschen seit Jahrzehnten von der herrschenden Politik immer wieder nachhaltig enttäuscht. Wir sind nicht in der Lage, unsere Krankenhäuser und Schulen zu sanieren. Wir treiben unsere Kommunen großflächig in immer neue Konsolidierungsrunden. Wir können wegen des eklatanten Personalmangels im öffentlichen Dienst viele staatliche Aufgaben nicht mehr erfüllen – nicht in den Schulen, nicht bei den Sicherheitsbehörden, nicht in der Justiz und auch nicht in den meisten Verwaltungen. Es gibt keinen Plan für eine dauerhafte Erweiterung der Schulsozialarbeit, um in ausreichendem Umfang alle Schulen zu versorgen und gerade veranstalten wir einen Politzirkus um die Abschaffung der Straßenausbeiträge. Und diese Liste des staatlichen Versagens ließe sich noch lange fortsetzen.

Es geht eben immer wieder ums Geld, das für elementare Dinge nicht vorhanden ist. Durch die Steuerpolitik der letzten 20 Jahre wurden die öffentlichen Finanzen systematisch ruiniert um den schlanken Staat zu schaffen. Herausgekommen aber ist ein ausgehungerter Staat, dem seine politische Gestaltungskraft, seine wirtschaftliche Steuerungsfähigkeit und seine soziale Schutzfunktion mehr und mehr verloren geht.

Auch das liefert den Stoff für die rechten Propaganda und überall dort, wo die Menschen zu Recht ihren enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen Luft machen wollen, läuft die AfD auf und findet Gehör und Zuspruch. Die neue Rechte mit der AfD als ihrem parlamentarischen Arm konnte auf einem Boden gedeihen, der spätestens seit dem Beginn der achtziger Jahre durch die sogenannte „geistig-moralische Wende“ in neoliberalen Denkfabriken wie der „Neuen sozialen Marktwirtschaft“ vorbereitet wurde. Wir können der rechten Propaganda ihren Nährboden nur entziehen, wenn wir das Vertrauen der Menschen in die Gestaltungskraft realer Politik zurückgewinnen.

Dazu müssen die sozialen Fragen der Menschen wieder ins Zentrum der politischen Arbeit gerückt werden und wir müssen dafür endlich überzeugende Antworten liefern. Es ist doch nicht wirklich schwer zu verstehen, dass die Menschen von uns die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen erwarten – von Bildung und Arbeit über Wohnen und Mobilität bis zur Alterssicherung und Gesundheitsversorgung und nicht zuletzt dem Schutz von Natur und Klima.

Wir müssen aber auch erkennen, dass Rassismus, Antisemitismus, Homophobie u.a. gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit keine Phänomene gesellschaftlicher Ränder sind, sondern tiefer in unsere Gesellschaft hineinreichen. Gerade weil es dafür einen Resonanzraum auch in der „Mitte“ der Gesellschaft gibt, fühlen sich rechte Täter ermutigt und bestärkt.

Deshalb müssen wir uns gründlicher mit den Strukturen und Wirkungsmechanismen rechter Propaganda und rechter Netzwerke beschäftigen. Wir fordern die demokratischen Fraktionen hiermit auf, mit uns gemeinsam noch in diesem Jahr eine Enquete-Kommission einzurichten. Sie soll sich mit Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft auseinandersetzen, deren Bedeutung für aktuelle Entwicklungstendenzen des rechten Terrors untersuchen und ein dagegen gerichtetes Landesprogramm erarbeiten, das in Zusammenarbeit mit den Träger*innen der Zivilgesellschaft erstellt werden soll.

Wir haben in unserem Antrag darüber hinaus weitere konkrete Maßnahmen benannt, um den Entwicklungen in unserer Gesellschaft und dem zunehmenden Gefährdungspotenzial durch rechte Gewalt Rechnung zu tragen. Wir brauchen beides: Wir brauchen Änderungen in der Innen- und Rechtspolitik und im politischen Diskurs. Wenn der Rechtsruck nicht beendet und wieder zurückgedrängt werden kann, wird keine sicherheitspolitische Maßnahme dieser Welt rechter Gewalt und rechtem Terror wirksam begegnen können.

Dieser gesellschaftliche Diskurs muss unterstützt und begleitet werden. Dafür gibt es bereits umfangreiche Strukturen und Angebote der Demokratieförderung, die langfristig in ihrer Arbeit gesichert und weiter ausgebaut werden müssen. Dass angesichts steigender Zahlen rechtsextremer Übergriffe die Mobilie Opferberatung seit vielen Jahren unter schweren Bedingungen ihre wichtige Arbeit leisten muss, ist beschämend und muss dringend geändert werden. Auch in die Aufklärungs- und Präventionsarbeit muss deutlich mehr investiert werden. Im Verhältnis zu den Kosten polizeilicher Sicherheitsmaßnahmen sind die Ausgaben für gesellschaftspolitische Präventionsarbeit vergleichsweise gering. Das Signal aus der Bundesregierung, gerade in solchen Zeiten die Mittel für die Demokratieförderung massiv zu kürzen, hat gezeigt, wie instinktlos, ja skandalös, politische Entscheidungen sein können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir dürfen nicht im Gedenken und in der Betroffenheit verharren. Wir müssen nicht nur die Sprachlosigkeit überwinden, sondern wir müssen dem Rechtsruck in unserer Gesellschaft und der sozialen Verunsicherung in wachsenden Bevölkerungskreisen konsequent entgegentreten. Wir müssen der zunehmenden Verrohung im Umgang miteinander und dem Ausufern rechter Gewalt die Stirn bieten. Dafür sind klare Analysen und der verstärkte Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen erforderlich. Wir wollen unseren Kindern und Enkeln in die Augen sehen können, wenn sie uns fragen, was wir in getan haben, um den Schwur „Nie wieder“ zu erfüllen.