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Situation in der ZASt - LINKE Abgeordnete wenden sich an Innenminister

Offener Brief: Situation in der ZASt Halberstadt – Geflüchtete schützen!


Sehr geehrter Herr Minister,

inzwischen liegen uns eine Reihe von Berichten zur Situation in der Zentralen Anlaufstelle des Landes (ZASt) für Geflüchtete in Halberstadt vor, die uns und andere ernsthaft besorgen. Während sich die Information über einen Hungerstreik bisher nicht bestätigen lies, zeigen sich in den Berichten die folgenden Probleme:

  1. Die Geflüchteten werden nicht ausreichend mit Informationen über die SARS-CoV-2-Pandemie und Möglichkeiten des vorbeugenden Gesundheitsschutzes informiert, erst recht nicht in ihren jeweiligen Sprachen

2. In den Bedingungen der ZASt Halberstadt ist es nicht möglich, die grundlegenden Empfehlungen des RKI zum Gesundheitsschutz zu befolgen, etwa Menschenansammlungen zu vermeiden.

3. Nach wie vor stellt sich die Versorgung mit Hygieneartikeln als ungenügend dar. Auf Grund der Quarantäne sind Geflüchtete auch daran gehindert, sich selbst mit diesen Artikeln zu versorgen, die bisherigen Lieferungen reichen nicht für alle.

4. Die Essensversorgung in der ZASt steht schon seit Längerem in der Kritik. Bisher konnten Geflüchtete jedoch zusätzlich außerhalb der ZASt Lebensmittel einkaufen und sich in den vorhandenen Kochmöglichkeiten selbst versorgen, dies ist nun nicht mehr ausreichend möglich. Die bisher geschaffenen Möglichkeiten sich beliefern zu lassen sind für die Geflüchteten auf Grund der Preise des Anbieters nicht bezahlbar.

5. Durch die fehlende Aufklärung innerhalb der Einrichtung wurden Absonderungen in die Quarantäne in Quedlinbug als Abschiebungen wahrgenommen, sicherheitstechnische Vorkehrungen auf dem Gelände (wie Zäune) als Vorbereitung von Massenabschiebungen.

6. Durch die Quarantäne und die Einteilung des Geländes in fünf Zonen ist die Möglichkeit der Geflüchteten sich zu bewegen zusätzlich massiv eingeschränkt worden, dies erhöht die ohnehin schon durch Unterbringung in der ZASt erhebliche psychische Belastung.

7. Die auf dem Gelände eingesetzte Security-Firma ist auch nach Angaben von LAMSA Teil des Problems, hier liegen auch von gestern – wie schon in der Vergangenheit – konkrete Berichte über Gewaltanwendung gegen Geflüchtete vor, wohl auch bewaffnet (Eisenkette).

Sowohl Geflüchtete in der ZASt als auch der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V., das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V., Unterstützer_innen von Geflüchteten, Journalist_innen sowie medizinisches Personal zeigen sich in Teilen entsetzt von der Situation in der ZASt.

Unter den Bedingungen der Massenunterbringung lässt sich der Gesundheitsschutz der Geflüchteten nicht ausreichend sicherstellen, die Form der Unterbringung gefährdet die körperliche Unversehrtheit der Geflüchteten und die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz. Geflüchtete können Menschenansammlungen nicht vermeiden, wenn das Land sie in einer Massenunterkunft unterbringt. Dass sich viele Menschen sanitäre Anlagen und weitere Räumlichkeiten teilen müssen verschärft die Situation. Gleichzeitig verschlechtern die notwendigen Schutzmaßnahmen drastisch die Bedingungen der Unterbringung. Daher fordern wir Sie eindringlich auf, Ihrer Verantwortung als zuständiger Minister nachzukommen und die folgenden Maßnahmen sofort einzuleiten:

  1. Das Land muss in eigener Verantwortung schnellstmöglich eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten aus der ZASt Halberstadt beginnen. Die Anzahl von Menschen pro Unterkunft muss dabei so gering wie möglich gehalten werden, kurzfristige Anmietungen genutzt werden wo keine eigenen geeigneten Immobilien zur Verfügung stehen.


Bis dies realisiert ist fordern wir Sie zudem auf:


2. Die Geflüchteten in der ZASt müssen sofort alle Gesundheitsinformationen zur SARS-CoV-2-Pandemie und der Situation in der ZASt in ihren jeweiligen Sprachen erhalten und medizinische Beratungsangebote mit Sprachmittlung sichergestellt werden.

3. Zusätzlich zur Überprüfung und ggf. Anpassung des Caterings muss das Land kostenfrei Lebensmittel des Grundbedarfs zur eigenen Versorgung der Geflüchteten zur Verfügung stellen, solange die Quarantäne andauert. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Geflüchteten Zugang zu bezahlbaren Einkaufangeboten erhalten.

4. Die tätlichen Angriffe von Security-Personal auf Geflüchtete müssen mit Priorität durch Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt werden, es muss umgehend sichergestellt werden, dass Geflüchtete vor Angriffen durch Sicherheitspersonal geschützt werden. Ein kurzfristiger Wechsel des Sicherheitspersonals muss geprüft werden.

5. Da derzeit faktisch weder Abschiebungen, Rücküberstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO oder „freiwillige Ausreisen“ möglich sind, müssen sofort alle Anspruchseinschränkungen aufgehoben werden. Zudem muss, ggf. im Benehmen mit dem Bund – geprüft werden, wie verheiratete Geflüchtete die in Unterkünften des Landes untergebracht sind Leistungen wie Alleinstehende erhalten können, da sie ggf. von Schutzmaßnahmen zum Infektionsschutz betroffen sind und insofern keine häusliche Gemeinschaft mit gemeinsamer Versorgung bilden können.

Die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Geflüchteten in Einrichtungen des Landes muss durch das Land sichergestellt werden. Diese Verantwortung kann nicht auf die örtlich zuständige Gesundheitsbehörde oder die Städte und Landkreise abgewälzt werden, auch nicht auf die oft ehrenamtlichen Unterstützer_innen von Geflüchteten – die Entscheidung eine Massenunterbringung einzurichten hat das Land getroffen, es ist nun gefordert die Situation umgehend zu verbessern und die Betroffenen zu schützen und menschenwürdig zu versorgen. Auch und gerade da eine immer wieder erneute Quarantäne zu befürchten ist, oder eine unzulässige Beschränkung der Bewegungsfreiheit bei zugleich hohem Infektionsrisiko.

Neben dem Gesundheitsschutz und der körperlichen Unversehrtheit der Geflüchteten sind deren Menschenrechte insgesamt zu wahren – dazu ist es notwendig, sofort damit zu beginnen, eine dezentralere Unterbringung zu organisieren und die ZASt Halberstadt schrittweise zu räumen. Zum Schutz der Menschenrechte der Betroffenen ist auch deren zutreffende und umfassende Information über ihre Situation unerlässlich und Voraussetzung für selbstbestimmtes und selbst-schützendes Verhalten. Für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen sollten der Flüchtlingsrat und LAMSA um fachliche Begleitung gebeten und entsprechend eingebunden werden.

Wir fordern Sie auf, zeitnah und umfassend über Ihre Schritte zu informieren sowie jeweils aktuell zur Situation der ZASt Halberstadt. Gerüchte und Unklarheiten erschweren die Unterstützung der Geflüchteten und sorgen für weitere Fehlinformationen auch im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie.

Mit freundlichen Grüßen

 

Henriette Quade                    
Mitglied des Landtags

Petra Sitte
Mitglied des Bundestags    

Birke Bull-Bischoff
Mitglied des Bundestags

Jan Korte                        
Mitglied des Bundestags                

Matthias Höhn
Mitglied des Bundestags