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Kerstin Eisenreich zu TOP 8: Aktuelle Debatte „Ernteausfälle und Hilfsprogramm für Landwirte“ – Antrag DIE LINKE „Situation der von der Dürre betroffenen Landwirte ernst nehmen – kurzfristig helfen und längerfristig unterstützen“

Anrede,

Stürme, Hochwasser, Hagel, Dürre – Land- und Forstwirtschaft sind vom Wetter abhängig und haben mit dessen extremen Ausprägungen und den wirtschaftlichen Folgen durch Ernteeinbußen zu kämpfen. Das ist keine neue Erkenntnis. Allerdings nehmen diese Ereignisse zu. Und die Ernteausfälle in Folge der langanhaltenden Dürre und Hitze in diesem Jahr spitzen die Situation der Landwirtschaftsbetriebe derart zu, dass viele in ihrer Existenz bedroht sind.

Sie haben kaum Einnahmen, keine Pufferkapazität und müssen zugleich hohe finanzielle Forderungen bedienen. Seit Jahren steigende Pachten und Kaufpreise belasten die Landwirtschaftsbetriebe. Hinzu kommen die Vorbereitungen zur Aussaat für das kommende Jahr, um den Betrieb zu sichern, bzw. Greeningmaßnahmen. Aber dafür sind Investitionen in Saatgut notwendig und sie müssen in Vorleistung gehen. Tierhalterinnen und -halter können ihre Tiere nicht mit eigenem Futter versorgen und müssen zukaufen. Wie der Markt diese Situation regelt, ist klar: Die Preise schießen in die Höhe. Die Folge: Tiere werden verkauft oder notgeschlachtet.

Daher ist eine schnelle und unbürokratische Soforthilfe zwingend erforderlich, aber sie ist – und dessen sind wir uns bewusst – kein Allheilmittel. Mit der Anerkennung der diesjährigen Situation als „Witterungsereignis von nationalem Ausmaß“ durch die Bundeslandwirtschaftsministerin ist hier ein erster Schritt getan. Jetzt muss eine rasche Umsetzung erfolgen.

Hier sehen wir die Landesregierung in der Pflicht, kurzfristig Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität von Landwirtschaftsbetrieben zu ergreifen. Deshalb fordern wir Sie auf, zügige Abschlagszahlungen der Direktzahlungen aus der 1. Säule der gemeinsamen Agrarpolitik der EU, das heißt jener Gelder, die unter anderem der Einkommenssicherung und Einkommensstabilisierung der Landwirt*innen dienen sollen, vorzunehmen und gegebenenfalls vorhandene Hemmnisse für die Auszahlung sofort zu beseitigen.

Auch der vom Finanzminister angekündigte Nothilfefonds von 15 Millionen Euro muss schnell eingesetzt werden. Vor allem sind die Modalitäten für den Anspruch auf Zahlungen aus diesem Fonds ganz klar zu formulieren. Wir sehen hier einen Schwerpunkt bei den tierhaltenden Betrieben. Diese Auffassung wird übrigens auch von den Interessenverbänden der Landwirte geteilt.

Schwer lasten indes hohe Pachtzahlungen und Bodenpreise auf den landwirtschaftlichen Betrieben. Die von Landesregierung und Landgesellschaft angekündigte Stundung von Pachtzahlungen verlagert allerdings das Problem auf einen späteren Zeitpunkt und löst es nicht. Deshalb fordern wir, dass die Landgesellschaft die Pachtzahlungen für die betroffenen Betriebe für 1 Jahr aussetzt. Diese Forderung ist durch die Landesregierung auch auf die Bundesebene zu tragen. Durch die enorm gestiegenen Kaufpreise ist seit Langem kaum ein Landwirt in der Lage, Flächen zu erwerben. Boden ist zum Renditeobjekt für landwirtschaftsfremde Investoren geworden. Mit der gegenwärtigen Situation wird sich dies verschärfen. Die Folge dürften noch weiter steigende Pachtpreise sein. Das ist für keinen Landwirt mehr zu stemmen. Um landwirtschaftlichen Betrieben überhaupt eine Chance auf Bodenerwerb zu wahren, sollten Ausschreibungen für den Verkauf von Landes- und Bundesflächen in diesem und nächsten Jahr ausgesetzt werden.

Für eine künftige Entspannung bei den Pachten fordern wir zudem die Möglichkeit, Verträge mit Pachtanpassungsklauseln zu versehen.

Und da wäre noch die ohnehin schwierige Kreditwürdigkeit von Landwirtschaftsbetrieben. Richtig ist, dass Landwirte bei der Rentenbank Darlehen in Anspruch nehmen können. Das Problem dabei: Die Abwicklung erfolgt über die Hausbanken und für diese gelten ihre Kriterien zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Hier muss gehandelt werden, indem zum Beispiel der Zugang zu Landesbürgschaften für Landwirte erleichtert wird.

Die aktuelle Situation in der Landwirtschaft muss dazu führen, auch andere, bisher als unumstößlich geltende Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Da wären zum Beispiel Überlegungen zur Möglichkeit der Kurzarbeit im Winter, die Aussetzung des „Wassercents“, wenn aufgrund der Witterung eine Beregnung von Kulturen und die Tränke von Tieren notwendig werden, oder auch die Möglichkeit der steuerfreien Rücklagenbildung, damit Landwirte sich für den Fall von Ernteausfällen selbst absichern können.

Aber auch Anbauvorgaben und Umweltschutzmaßnahmen sollten überprüft und insbesondere den Standort- und Wachstumsbedingungen angepasst werden. Ein paar Beispiele: So ist zwar die Freigabe ökologischer Vorrangflächen zur Gewinnung von Futter für Tiere eine gut gemeinte Maßnahme, allein sie greift in den meisten Fällen auch nicht, weil auch auf diesen Flächen nichts gewachsen ist.

Die Möglichkeit des Anbaus von Zwischenfrüchten hilft Landwirten in sogenannten Trockengebieten, wie zum Beispiel im westlichen Saalekreis, gar nicht, weil sie mehr Schaden als Vorteil für die Böden bringen. Auch bei Maßnahmen wie dem Greening ist in Extremsituationen wie der diesjährigen zu prüfen, ob ein Aussetzen nicht nur aus finanziellen Gründen sinnvoller wäre, denn die Böden müssen ihren Bodenvorrat für spätere Kulturen auch wieder auffüllen können.

Wir kommen längerfristig nicht umhin, in Sachsen-Anhalt eine Klimaanpassungsstrategie unter Berücksichtigung der Umweltbelange für die Landwirtschaft zu erstellen. Dazu bedarf es einer engen und vorbehaltlosen Zusammenarbeit sowie Kompromissbereitschaft aller Akteure von der Forschung über die Verwaltung bis zu den Praktikern. Wenn gewollt ist, dass gerade auch Maßnahmen zum Umweltschutz und der Artenvielfalt in der Landwirtschaft akzeptiert und umgesetzt werden, müssen Vorschläge aus der Praxis mit Regelungsvorgaben abgeglichen und nicht von vorherein vom Tisch gewischt werden.

Für die Landwirtschaftsbetriebe hier im Land ist die Situation katastrophal und wird dazu führen, dass Betriebe aufgeben müssen. Arbeitsplätze sind in Gefahr, gerade im ländlichen Raum, in dem ohnehin Arbeitsplätze rar sind. Für uns Verbraucherinnen und Verbraucher werden die Ernteausfälle anders als für frühere Generationen sicher nicht zu einer Hungersnot führen. Nationale und internationale Warenströme werden Supermarktregale füllen. Sicherlich werden Preise steigen.

Doch hier wird auch ein Grundproblem deutlich, mit dem die Landwirtschaftsbetriebe eigentlich seit Langem kämpfen: Für ihre landwirtschaftlichen Produkte erhalten sie Preise, die weit unter den Kosten für ihre Erzeugung liegen. So lange keine Erzeugerpreise gezahlt werden, werden Extremwetterereignisse sofort existenzbedrohend, wird eine Milchkrise die nächste jagen usw. Hier muss endlich ein Umdenken einsetzen.

Formal wurde mit der Einordnung der „Dürre als ein mit einer Naturkatastrophe gleichgestelltes widriges Witterungsverhältnis" der Weg für Hilfen des Landes geebnet. Nun müssen schnellstmöglich Taten folgen.

Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen kurzfristige und unbürokratische Hilfe, insbesondere zum Erhalt ihrer Liquidität. Aber wir müssen insgesamt über mittel- und langfristige Maßnahmen und Konzepte zu Änderungen und Anpassungen der Landwirtschaft reden. Es geht dabei um Anbaumethoden und -kulturen zum schonenden Umgang mit dem Boden, um einen stärkeren Fokus auf praxistaugliche und akzeptierte Vorgaben zu Umweltschutz und Artenvielfalt. Und wir brauchen eine Rückbesinnung in der Gesellschaft auf das, was Landwirtschaft tatsächlich ist: Sie produziert unsere Lebensmittel.

Ich zitiere aus der Begründung der aktuellen Debatte: "Das Land Sachsen-Anhalt hat die gesamtgesellschaftliche Pflicht, diesen Landwirten finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Des Weiteren muss über künftige Maßnahmen zur Vorbeugung diskutiert werden." Unser Antrag ist eine gute Grundlage für diese Diskussion - deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.