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Kerstin Eisenreich zu TOP 6: Energiepreise stabilisieren – Nord Stream 2 unverzüglich in Betrieb nehmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zwischen 40 und 80 Gigawatt liegt im Durchschnitt der permanente Verbrauch von Energie in Deutschland, die zum Zeitpunkt des Verbrauch erzeugt werden müssen. Da dies trotz der bereits über 100 Gigawatt installierter Leistung Erneuerbarer Energien nicht immer von diesen leistbar ist, weil kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint, sorgen derzeit konventionelle Kraftwerke für die Schließung von Stromlücken. Aktuell sind das übrigens 92,5 Gigawatt installierte Leistung, davon nunmehr 4 Gigawatt verbleibende Kernkraftwerke. Hier kann also schon als erstes mit dem Mythos aufgeräumt werden: Durch die Abschaltung der Kernkraftwerke ist nicht mit Blackouts zu rechnen. Das passierte weder durch die Abschaltung der 4 Gigawatt zum 31.12.2021 noch ist das für die restlichen 4 Gigawatt zum Ende dieses Jahres zu erwarten. Allein die Energieerzeugung in Deutschland konnte diesen Wegfall kompensieren Da hat im Übrigen das benachbarte Frankreich momentan viel mehr mit reparaturbedürftigen und mängelbehafteten alten Kernkraftanlagen sowie dem sich verzögernden Bau von neuen Atomkraftwerken bei explodierenden Baukosten und damit Stromversorgungssicherheit zu kämpfen. Von wegen sicherer und günstiger Atomstrom! Atomstrom ist teuer und noch teurer sind die Ewigkeitskosten, die der Gesellschaft durch die sichere Endlagerung von Atommüll entstehen, für die in Deutschland noch keine Lösung wirklich absehbar ist. Für die geplante Bewertung des Atomstroms als nachhaltig und klimaneutral durch die EU-Kommission hat der Physiker und Wissenschaftsjournalist Prof. Dr. Harald Lesch eine klare Ansage: „Ich habe gedacht, die sind verrückt.“ Man müsse schon einen sehr schrägen Nachhaltigkeitsbegriff haben, wenn man zukünftigen Generationen ein solches Erbe auflaste. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Zurück zur Versorgungssicherheit. Bei 92,5 Gigawatt installierter Leistung konventioneller Kraftwerke und einem durchschnittlichen Verbrauch von – sagen wir ruhig 80 Gigawatt, wird klar, dass Deutschland auch ohne die Erneuerbaren mehr Strom produziert bzw. produzieren kann, als es selbst verbraucht. Und diesen Überschuss exportieren wir, und zwar seit 2006 jedes Jahr mehr. So importiert Frankreich mehr Strom aus Deutschland als umgekehrt! Und Frankreich ist nicht das einzige Land, aus dem Deutschland Strom importiert. Dazu gehören u.a. Dänemark und Norwegen mit einem erheblichen Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix. Das widerlegt damit auch die These, dass ja der Importstrom überwiegend aus Atomkraft und Kohle käme. Aber die vielschichtigen Ex- und Importe zeigen auch, dass das europäische Verbundnetz gut funktioniert. Denn Überkapazitäten werden in andere Länder abgegeben, die wiederum eigene Kapazitäten nicht ausschöpfen. Blackouts sind daher aufgrund der vorhandenen Kapazitäten nicht zu befürchten. Technische Probleme können eher die Ursache für Stromausfälle sein.

Dann steht ja noch die Frage im Raum, was mit der Versorgungssicherheit ist, wenn wir aufgrund des Ausstiegs aus der Kohleverstromung Kraftwerksleistungen verlieren und woher eigentlich die Grundlast kommen soll. Das vorweg: Es gibt keine Alternative zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Verstromung fossiler Kohle, wenn wir nicht riskieren wollen, dass durch die Folgen der Klimaveränderungen die Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit aufs Spiel gesetzt werden. Das klingt abstrakt, ist es aber nicht, wie die zunehmenden Extremwetterereignisse, u.a. im vergangenen Sommer, belegen. Das hat mit Ideologie nichts zu tun! Aber mit Fakten wird ja mitunter eher gefremdelt. Abgesehen davon, dass zumindest Erdgas derzeit als Brückentechnologie zur Grundlastfähigkeit beiträgt, sind auch Erneuerbare Energien dazu in der Lage. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Systemtechnik hat in einer Studie gezeigt, dass Offshore-Windenergie „Kraftwerkseigenschaften“ habe. Das heißt, ähnlich wie konventionelle Kraftwerke haben sie die Fähigkeit, konstante Leistungen zu erzielen. Sie sind zugleich in der Lage, bei kurzfristigen Schwankungen einzuspringen. Auch Biogasanlagen sind eine verlässliche Quelle für erneuerbaren Strom und insbesondere dann auch nachhaltig, wenn sie mit Gärresten und andere Reststoffen aus der Landwirtschaft betrieben werden.

Geht man von diesen Fakten aus und weiß um die tatsächliche Leistungsfähigkeit des europäischen Verbundnetzes, ist die Gefahr für den Industriestandort Sachsen-Anhalt durch Stromschwankungen oder -ausfälle gering. Aber nichtsdestotrotz müssen die Erneuerbaren Energien massiv ausgebaut, Stromnetze innerhalb Deutschlands und grenzüberschreitend verbessert, der Stromverbrauch flexibler gesteuert und reduziert werden. Es braucht eine intelligentere Infrastruktur und wesentlich höhere Energieeffizienz und natürlich Speicheranlagen als wichtigen Baustein der Versorgungssicherheit. Im Übrigen können Stromversorgung und Stromnetz im Großen entlastet werden, wenn Erzeugung, Speicherung und Verbrauch viel stärker dezentral und lokal erfolgen, ein Ansatz, den auch wir seit Jahren befürworten und der auch zur Entlastung bei den Netzentgelten führen würde.

Und da kommen wir zu einem weiteren entscheidenden Punkt, der uns seit Monaten aus Sicht der Verbraucher*innen aber auch der Unternehmen beschäftigt – die aktuell sehr hohen Strompreise, deren Ursache in der enormen Nachfrage von fossilen Energieträgern liegt. Wie heute schon erwähnt, fordert der Verband der chemischen Industrie Deutschlands einen staatlich garantierten Industriestrompreis, der aber wiederum weder bestehende Lieferbeziehungen und Preisbildungsmechanismen noch andere Prinzipien des Strommarktes ändern dürfte, d.h. im Klartext: Es geht um Zuschüsse für die Industrie. Ob das allerdings nach europäischem Recht zulässig oder eine europäische Lösung möglich ist, ist zumindest zu hinterfragen.

Immerhin sieht der VCI eine Transformationsperspektive vor, indem der Industriestrompreis die Transformation zu einer klimaneutralen Industrie und die dazu erforderlichen Kosten für den technologischen Wandel unterstützen solle. Immerhin ist das Ziel erkannt und aus unserer Sicht sind alle Anstrengungen zum Erreichen dieses Zieles mit Hilfe von Anreizen zu unterstützen. Dazu gehört auch die Vereinfachung bei der Eigenstromerzeugung. Darüber hinaus sehen wir aber hier noch stärker die Chance, dass Industrie und Kommunen beim Ausbau Erneuerbarer Energien viel stärker kooperieren, gemeinsame Projekte initiieren und alle Beteiligten davon profitieren. Das würde wiederum die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien vor Ort steigern und fehlende Investitionskraft könnte gemeinsam ausgeglichen werden. Schon heute sorgen Energiedienstleister in Industrieparks dafür, dass die Energieversorgung lokal und dezentral sichergestellt wird. Das ist auf jeden Fall ausbaufähig.

Ja, wir müssen dringend daran arbeiten, dass der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter gelingt und trotzdem die Energieversorgung für Menschen und Industrie gesichert bleiben. Da hilft es aber nicht, immer wieder vermeintliche Katastrophenszenarien heraufzubeschwören, sondern zielstrebig und gemeinsam Energie und Wirtschaft klimaneutral, nachhaltig und zukunftsfest umzubauen. Das sichert langfristig den Industriestandort und Beschäftigung für die Menschen in Sachsen-Anhalt.